Radreise mit kleinem Gepäck: Bikepacking-Hacks vom Profi

Sara Hallbauer ist eine der bekanntesten Bikepackerinnen Deutschlands. DB MOBIL verrät sie exklusiv, was diesen Radsport so klasse macht und für wen er alles geeignet ist

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Datum: 05.03.2024
Lesezeit: 5 Minuten
Sara Hallbauer auf einer Wiese auf dem Boden sitzend, neben ihrem Fahrrad
© Axel Hallbauer

Bei ihr fing es mit einem Unglück an: Nach einem Skitouren-Unfall durfte Sara Hallbauer mit ihrem gebrochenen Fußgelenk ein halbes Jahr lang nicht auftreten. Fast jeder Sport war gestrichen, nur Radfahren erlaubt. Also setzte sie sich auf den Sattel ihres neu erworbenen Fahrrads und fuhr los, immer größere Strecken, irgendwann auch mit Gepäck. Für diese Art Outdoor-Betätigung gibt es einen Begriff: Bikepacking.

Heute ist Hallbauer eine der besten Bikepackerinnen Deutschlands: Sie ist mit Sportfahrrad und Gepäck durch fast alle Länder Europas geradelt, hat die größten Rennen gemeistert – zum Beispiel das Nordkaprennen NorthCape 4000 mit 4500 Kilometern in 17 Tagen – und brachte es 2023 auf satte 17 000 Kilometer Strecke.

Die Marketingexpertin, die den Sport als perfekten Ausgleich zu ihrem Schreibtischjob beschreibt, nennt DB MOBIL ihre zehn wichtigsten Bikepacking-Hacks für Anfänger:innen und Fortgeschrittene.

1. Einfach losfahren!

Ich werde oft gefragt, für wen Bikepacking eigentlich geeignet sei. Ich sage dann: Für alle, die Fahrradfahren können! Denn es ist ja eigentlich nur eine Radtour auf eine neue Art. Am besten geeignet dafür sind sogenannte Gravelbikes. Mit dieser Art Fahrrad kann man sowohl auf der Straße als auch im Gelände gut fahren. Außerdem ist man beim Bikepacking nicht mehr mit diesen schweren Satteltaschen am Gepäckträger unterwegs, sondern mit deutlich kleineren Taschen. Die werden direkt am Rad angebracht. Zum Beispiel die „Arschrakete“, eine schmale, längliche Tasche unter dem Sattel, die hinten rausragt. Man muss sich hier ein bisschen beschränken. Ich habe beispielsweise nie mehr als sechs, sieben Kilo dabei.

2. Kein Frust am Anfang

Seien Sie nicht ungeduldig oder frustriert, wenn es zu Beginn nicht so rund läuft. Das Fitnesslevel kommt mit der Zeit und ist eine Gewöhnungs- und Trainingssache. Wenn man eine Woche unterwegs ist, ist es am ersten und zweiten Tag schwer und auch mal ätzend. Aber ab dem dritten Tag, wenn die Routine kommt, wenn man die Taschen mehrfach gepackt hat und weiß, was wohin gehört, dann ist man drin. Diese Zeit sollten Sie sich geben.

© Axel Hallbauer
Aufs Fahrrad und los: Sara Hallbauer am Geroldsee mit Blick ins Karwendel-Gebirge in Österreich

3. Die passende Route wählen

Das Wichtigste ist, dass die Route zu Ihnen passt. Überschätzen Sie sich anfangs nicht. Wählen Sie keine Tour, die zu ambitioniert ist, damit Sie auf jeden Fall Spaß haben. Zu Beginn reichen 60 bis 80 Kilometer am Tag, bei nicht allzu vielen Höhenmetern. Und überlegen Sie sich vorher, ob Sie lieber auf der Straße oder im Gelände fahren möchten. Der Vorteil auf der Straße: Man rollt leichter. Dafür trifft man auf mehr Verkehr. Auf Schotterstraßen ist es etwas ruckeliger, aber dafür ist man mehr in der Natur. Und das Zweitwichtigste: Blocken Sie sich einen Termin im Kalender. Und an diesem Termin fahren Sie los, egal, wie das Wetter ist.

4. Absolute Must-haves

Natürlich brauchen Sie eine gut gepolsterte Radhose, die sitzen muss wie eine zweite Haut, damit nichts scheuert. Apropos: Packen Sie unbedingt Sitzcreme ein, wenn Sie länger unterwegs sind. Neben einem Helm und einem oder zwei Sets Radklamotten (je nachdem, ob Sie wechseln oder auswaschen wollen) Regenkleidung – und hierbei nicht nur eine Regenjacke und -hose, sondern auch Überschuhe. Die Füße werden am schnellsten nass. Ansonsten: Handschuhe, eine Sonnenbrille, auch als Schutz vor Fliegen oder wenn Ihnen auf Schotterwegen mal ein Hölzchen ins Gesicht fliegt, und gutes Werkzeug (siehe Tipp 8.).

Wenn Sie zelten wollen, müssen Sie ein Zelt und einen Kocher mitnehmen. Ich habe ein Ultraleicht-Zelt, das nur meinen Körper umhüllt und kaum etwas wiegt. Und für abends ein T-Shirt, ein Sweatshirt und eine Jogginghose. Immer praktisch: Feuchttücher.

Auf keinen Fall vergessen: eine Powerbank! Ich regle alles übers Handy: Übernachtungen buchen, Routen planen, den Weg von A nach B und Trinkbrunnen finden (siehe Tipp 5.). Der Akku darf also auf keinen Fall leerlaufen.

5. Entscheidend fürs Vorankommen: richtig essen und trinken

Es ist sehr wichtig, auf der Fahrt regelmäßig zu essen, damit man nicht in den gefürchteten Hungerast kommt – das ist ein plötzlicher Leistungsabfall, wenn zu wenig Kohlenhydrate im Körper sind. Ich nehme Energie-Gele und Riegel mit, aber ich achte auch darauf, in den Pausen normal zu essen, mit so vielen Kohlenhydraten wie möglich. In einem Rennen verbrauche ich bis zu 7000 Kalorien pro Tag, die muss ich erst mal wieder reinkriegen.

Passen Sie auch darauf auf, dass Sie genug trinken. Dehydrierung ist kein Spaß. In eine Radflasche passen 0,75 Liter, und die muss in einer Stunde leer sein. Ich habe mindestens zwei Flaschen dabei und informiere mich vorher, wo ich die am besten auffüllen kann. In Planungstools wie Komoot werden Trinkbrunnen angezeigt.

© Axel Hallbauer
Bergauf: Hallbauer auf dem Weg zur Auhütte auf einer Schotterstrasse zwischen Wallgau und Vorderriss in Bayern

6. Ohne Licht geht nix

Elementar ist gutes Licht hinten, vorn und am Helm. Ich fahre sehr viel nachts, und da brauche ich zweifache Lichter hinten plus Katzenauge, zwei Lampen vorne und eine Sicherheitsweste und Reflektoren am Fahrrad. Es passieren so viele Unfälle, deshalb ist es extrem wichtig gesehen zu werden, auch im Gelände.

7. Zelten in Nachbars Garten

Auch wenn Outdoor-Fotos oft etwas anderes suggerieren: Wildcampen ist in Deutschland verboten. Anstatt das Zelt einfach irgendwo in der Natur aufzustellen, müssen Sie Ihre Tour so planen, dass sie abends beim Campingplatz ankommen. Eine schöne Alternative: Entweder quatschen Sie Menschen an, ob Sie bei ihnen im Garten schlafen dürfen – das habe ich auch schon gemacht – oder Sie nutzen Portale wie 1Nite Tent, auf denen Privatleute ihre Gärten anbieten.

© Axel Hallbauer
Gelernt, getan: Bikepackerin Sara Hallbauer beim Plattenrichten

8. Ab zum Reparaturkurs

Das Fahrrad ist das Entscheidende. Es darf nicht kaputtgehen. Deshalb besteht der Großteil meines Gepäcks aus Werkzeug: Ich habe beispielsweise mehrere Ersatzschläuche, einen Reifenheber und ein Multifunktionswerkzeugset mit. Um das Ganze auch benutzen zu können, habe ich einen Reparaturkurs absolviert. Und den würde ich auch jedem empfehlen! Natürlich kann man warten, bis einem jemand hilft. Das passiert auch oft, und zu zweit geht’s schneller und macht mehr Spaß. Aber da ist ja nicht immer jemand.

Einem solchen Kurs ist leicht zu folgen. Danach ist man so stolz, weil man den Schlauch endlich selbst wechseln kann. Es ist kein Hexenwerk, man muss es nur zwei-, dreimal machen. Kurse gibt’s im Fahrradladen um die Ecke, an der Volkshochschule oder beim Alpenverein DAV. Inzwischen werden übrigens auch reine Frauenkurse angeboten.

9. Genießen!

Gehen Sie nicht zu ehrgeizig ans Bikepacking ran, sondern konzentrieren Sie sich aufs Genießen. Niemand zwingt Sie, ein Rennen mitzufahren – auch gemütliche Touren sind ein Abenteuer. Das Gesamtpaket ist einfach klasse: die Herausforderung, die Vorbereitung, die mit dem Radfahren erworbene Fitness. Mit 34 war ich nicht so fit wie jetzt mit 43. Beim Bikepacking entdecke ich die Welt, lerne lauter tolle Leute kennen, und wenn ich heimkomme, habe ich viel zu erzählen.

© Axel Hallbauer
Einmaliger Ausblick: Hallbauer auf der Schwäbischen Alb, gegenüber thront die Burg Hohenzollern

10. Highlights in Deutschland

Eigentlich wollten mein Mann und ich 2020 die Great Divide Mountain Bike Route fahren, die größte zusammenhängende Gravel-Strecke in den USA. Das war unser Traum, auf den wir uns ein Jahr lang vorbereitet hatten. Doch dann kam Corona, und wir sind hiergeblieben und haben uns eine neue Route überlegt.

Wir sind in der Schweiz in Rheinfelden bei Basel gestartet und bis nach Rügen gefahren. Und das war wunderschön! Ich habe das Land ganz neu kennengelernt und die Hälfte der Strecke nur geheult, weil es so toll war.

Am meisten berührt hat mich das Dreiländereck: Dort, wo sich Bayern, Sachsen und Tschechien treffen und wo vor nicht allzu langer Zeit noch die Grenze zu Tschechien dicht war, konnte ich mit dem Rad friedlich entlangtuckern. Die beiden Plätze mit der schönsten Aussicht waren das Zeller Horn mit Blick auf die Burg Hohenzollern auf der Schwäbischen Alb und der Aussichtspunkt Katzstein in der Sächsischen Schweiz. Der Osten war sowieso mega, ich hatte keine Ahnung, wie wild der noch ist.

Mit der Bahn in den Fahrradurlaub

In den meisten Nahverkehrs-, IC- und EC-Zügen sowie auf ausgewählten ICE-Verbindungen ist eine Fahrradmitnahme möglich. Für den Nahverkehr wird ein Fahrradtagesticket benötigt; in Fernverkehrszügen zusätzlich eine Stellplatzreservierung für das Fahrrad. Alle Informationen zum Reisen mit Fahrrad und Bahn hat die DB übersichtlich zusammengefasst.

Rund um die beliebten Radwege in Deutschland sind viele Bahnhöfe zudem günstig und einfach mit dem Deutschland-Ticket erreichbar. Für die Fahrradmitnahme in den Regionalzügen gelten die regulären Bestimmungen.
Alternativ kann man ein Fahrrad auch vor Ort ausleihen. Eventuell die bessere Wahl , insbesondere auf Strecken oder an Tagen mit hoher Auslastung.

Übrigens ist es natürlich möglich, Bikepacking auch erst mal auf einer Tagestour testen, zum Beispiel durch die Moselregion oder entlang der Weser oder der Elbe.

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