„Zwei Dinge sind wichtig: Der Weg und das Ziel“

Sollten Familien mit Kindern Wandern gehen? Was, wenn unterwegs schlechte Laune aufkommt? Wie motiviert man die Kleinen zum Durchhalten? DB MOBIL hat Reise-Bloggerin Stefanie Schindler befragt

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Datum: 25.04.2024
Lesezeit: 8 Minuten
Frau mit zwei Kindern und großem Rucksack in Berglandschaft
© privat
Wanderprofis: Stefanie Schindler mit ihren beiden Töchtern

Stefanie Schindler, 41, wandert leidenschaftlich gern in den Bergen – und hat die beiden Töchter, heute fünf und sieben Jahre alt, von Anfang an mitgenommen.  Ihre Erfahrungen teilt sie in ihrem Blog und Instagram-Kanal A Daily Travel Mate, in denen sie praktische Tipps für das Wandern mit Kindern gibt. Im Gespräch mit DB MOBIL verrät sie, was bei der Planung wichtig ist, wie man Kinder zum Weiterlaufen motiviert und welche Dinge in den Rucksack gehören.

Wandern mit Kindern ist kein Problem, sagen Sie. Warum nicht?

Da kommt gleich die Gegenfrage: Warum sollte das ein Problem sein? Grundsätzlich sind Kinder gerne draußen, sie bewegen sich gerne, sie entdecken gerne, sie spielen gerne. Natur tut ihnen gut, frische Luft tut ihnen gut – das kann man alles mit Wandern verbinden. Deswegen ist es kein Problem.

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Immer eine gute Idee: Versteckspielen im Wald (Symbolbild)

Wie kam es dazu, dass Sie das ausprobiert haben?

Mein Mann und ich sind schon ohne Kinder viel gewandert. Wir wohnen in München, da sind die Berge nicht weit weg. Unsere erste Tochter war ein klassisches Tragekind. Also keines, das man in den Kinderwagen legen konnte. Da habe ich gedacht, wenn es eh nur die ganze Zeit in der Trage sitzen möchte, können wir gleich mit dem Baby in die Berge gehen. Wir schafften einen Tragerucksack mit Sonnendach an, den man bei uns Kraxe nennt. Irgendwann sind die Kinder dafür zu schwer. Dann dürfen sie selbst laufen.

Ab welchem Alter ist sie selbst den Berg hochgelaufen?

Bei uns war das mit dreieinhalb Jahren. Aber ab zweieinhalb Jahren ist unsere Tochter auch schon gut selbst gewandert. Kleine Strecken, so drei Kilometer und 100 Höhenmeter auf einen Tag verteilt. Ab fünfeinhalb bis sechs Jahren kann man längere Touren bis zu acht Kilometern mit den Kindern machen. 

Wie motivieren Sie Ihre Kinder zum Weitergehen? 

Die beste Motivation ist ein abwechslungsreicher Wanderweg, wenn man mal kraxeln muss, es durch den Wald geht und ein paar Steine gibt. Dann finde ich es auch wichtig, ein cooles Wanderziel zu haben. Der Gipfel ist für die Kinder nicht das Tollste. Aber vielleicht gibt es einen grünen Bergspielplatz oder eine schöne Alm, da kann auch ein leckeres Alm-Essen eine Motivation sein. Oder es gibt vielleicht Tiere oben. Zwei Dinge sind beim Wandern mit Kindern wichtig: der Weg und das Ziel.

Was machen Sie, wenn das Kind nicht mehr kann?

Ich schaue erstmal, ob es wirklich nicht mehr kann. Oder hat es Hunger und kann das Bedürfnis noch nicht artikulieren? Braucht es einfach ein bisschen Zucker? Kinder benötigen unterwegs oft mehr zu essen als im Alltag. Oder ist es ihm zu warm? Man muss gucken: Sind alle Bedürfnisse befriedigt?

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Kleine Stärkung: Essen und Trinken ist unterwegs ein Muss (Symbolbild)

Und wenn ja?

Dann ziehe ich ein paar Tricks aus dem Ärmel. Wie Ablenkungsspiele. Ich sehe was, was du nicht siehst. Wenn man zu zweit ist, kann ein Erwachsener vorgehen und sagen, „Hey, ich glaub, da vorne hinter dem Baum – kann es sein, dass da eben ein Wichtel was versteckt hat?“ – und huch, ist da ein Gummibärchen. Dann habe ich wieder 20 Meter geschafft. Vielleicht sucht man einen Wanderstock oder man kann irgendwo entlangbalancieren. Bei uns hilft „Dies und Das“: Da fragst du „Spaghetti oder Pizza?“ und die Kinder müssen schnell antworten. „Rot oder Grün?“, „Hotel oder Ferienwohnung?“ und so weiter.

Fallen Ihnen weitere Tricks ein?

„Absperrungen“: Einer läuft vor mit einem Stock, sperrt den Weg ab, die anderen kommen hinterher und müssen eine Aufgabe lösen. Zum Beispiel „Fünf Wörter, die sich auf das Wort Reh reimen“. Oder: „Welche Tiere leben im Wasser?“ Später kann man Rechenaufgaben stellen, wenn die Kinder Lust dazu haben. So arbeitet man sich den Berg hoch.

Und was bringt die älteren Kinder weiter?

Im Idealfall der Weg. Bei uns in den Alpen gibt es zum Beispiel ein paar seilversicherte Stellen. Keine richtigen Klettersteige, sondern Stellen, wo man sich an einem Eisending festhalten muss, um rüberzukommen. Das finden die cool, da sind sie stolz, wenn sie das geschafft haben.

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Spannende Wegstrecke: die Passage über den Fluss (Symbolbild)

Was nimmt man am besten mit?

Proviant und Getränke sind ein Muss. Man weiß nicht, wie schnell man vorankommt. Wer mit kleinen Kindern wandert, muss viel Zeit einplanen. Sie laufen langsam und wollen sich noch die Ameise angucken. Das kann dauern, da braucht man die Brotzeit. Und viel Wasser ist wichtig. Kinder, die in der Kraxe sitzen, kühlen schnell aus, brauchen also warme Kleidung. Und auch man selbst friert schneller, wenn man nicht so schnell vorankommt. Und natürlich Sonnenschutz.

Stichwort Rucksack: Wer trägt was und ab wann tragen die Kinder auch einen Rucksack? 

Meine große Tochter hatte ihren ersten Rucksack mit etwas über fünf Jahren. Die kleine Tochter ein bisschen eher. Die packt sich den selbst. Sie nimmt ihr Kuscheltier mit, zwei bis drei Pixi-Bücher und alle möglichen anderen Sachen. Man sollte sich darauf einstellen, dass die Kinder den Rucksack nicht die ganze Zeit tragen. Der muss leicht genug sein, dass man ihn selbst noch mit oben draufpacken kann. Meine große Tochter kann ich mittlerweile damit motivieren, dass ich sage: Du kriegst die Snacks, du bist die Snackverwalterin.

Gibt es noch so etwas wie Wanderpässe, die an Stationen abgestempelt werden?

Es gibt in Deutschland Wege, wo man solche Stempel bekommt. Bei uns in den Alpen eher nicht. Aber wenn man auf eine Alm oder Berghütte kommt, gibt es den Hüttenstempel. Den kann man sich auch auf die Hand stempeln. Oder in ein Wandertagebuch. Das ist übrigens eine super Motivation, die sind oft schön gemacht, mit Rätseln. Wenn man an der Hütte sitzt, kann man sich damit beschäftigen, bis die Getränke kommen.

Wie ist es mit dem Übernachten? Geht das in Gemeinschaftsräumen oder braucht man ein Familienzimmer?

Das kommt auf das Alter der Kinder an. Berghütten bieten Lager, die bis zu 30 Matratzen oder mehr haben. Aber es gibt auch Zimmerlager, das sind Vier- bis Sechsbettzimmer. Wir haben zu 90 Prozent in solchen Zimmerlagern übernachtet. Wenn die Kinder klein sind, ist das besser. Manche wachen früh auf, das könnte ein Problem für die anderen Wandernden werden. Es gibt eine Hüttenruhe von 22 bis 6 Uhr.

Ihr Blog „A Daily Travel Mate“ ist für wandernde Familien eine große Hilfe. Was sind deren wichtigste Fragen?

Ich bekomme oft Ausrüstungsfragen: Welche Schuhe brauchen die Kinder? Was für einen Rucksack hast du? Bist du mit der Kraxe zufrieden? Die Ausrüstungsgegenstände kosten auch für Kinder schon viel Geld. Da fragt man gern jemanden, der Erfahrung hat. Ich werde oft um Tipps zu Wanderungen gebeten, die ich gemacht habe. Oder sie fragen mich: Kann ich das wirklich mit meinem Kind machen? Entscheidend ist, dass es eine gute Erfahrung wird. Und dabei helfe ich gerne.

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Von den Töchtern gelernt: Stefanie Schindler

Wandern mit Kindern: 10 Tipps von Expertin Stefanie Schindler

1. Balancieren
Nutzt jeden Baumstamm, der sich anbietet zum Balancieren. Da kommt Langweile gar nicht erst auf.

2. Piksen
Das Kind darf uns in den Po kneifen. Wir Erwachsenen hüpfen dann theatralisch ein paar Meter weiter nach vorne. Weitere Wegstrecke, die wir lachend zurückgelegt haben.
 
3. Klettern
Steine eignen sich zum Draufklettern und Runterspringen hervorragend. Auch Baumstümpfe sind dafür prädestiniert.

4. Das Kind geht voran
Das bedeutet eine Aufgabe zu haben, und das fühlt sich großartig an. 

5. Beeren & Kräuter pflücken
Entweder man verputzt sie gleich (Blaubeeren, Himbeeren, Erdbeeren) oder man packt sie ein. Abhängig von Jahreszeit und Wandergebiet.

6. Verstecken & Erschrecken
Ein Kind oder ein Erwachsener geht vor und versteckt sich hinter einem Baum, Busch oder Stein und hüpft auf den Weg, sobald der Rest der Gruppe näherkommt.
 
7. Wanderstöcke suchen
Zum richtigen Wandern braucht man auch einen Wanderstock. Den gilt es erst einmal zu suchen.

8. Kleine Aufgaben lösen
Eine:r läuft vor und sperrt den Weg mit einem Stock ab. Damit die Absperrung aufgeht, müssen kleine Aufgaben erfüllt werden: auf einem Bein hüpfen, ein Lied singen, auf Englisch bis drei zählen, einen Zauberspruch ausdenken usw.

9. Schätze mitnehmen
Schöne Steine, Tannenzapfen, kleine Stöcke oder Blätter trägt man schon mal mit nach Hause. Das Suchen und Sammeln hält die Wanderlaune oben.

10. Mit anderen Kindern wandern
Der beste Wandermotivator, den es gibt: Die Kinder halten sich die meiste Zeit selbst bei guter Laune.

Steffis eigene Motivation: der Spaß an der Sache
Stefanie Schindler ist 41 Jahre alt, Diplom-Betriebswirtin, verheiratet, hat zwei Töchter und wandert leidenschaftlich gern. Ihre Reiseerfahrungen und Ausrüstungstipps teilt sie mit 30.000 Followern in ihrem Familien-Reiseblog „A Daily Travel Mate“, außerdem mit 8900 auf Instagram, 4300 auf Facebook plus 2500 in einer Facebook-Gruppe, 5600 auf Komoot und 2600 auf Pinterest. Dort ist sie „die Steffi“ und mit allen per Du. 

Schindler lebt in München und hat ihre Autorinnen- und Bloggerinnentätigkeit zum Hauptberuf gemacht. Inzwischen sind im Humboldt-Verlag zwei Bücher von ihr erschienen: „Mikroabenteuer mit Kindern. Tolle Familien-Auszeiten an der frischen Luft, die zusammenschweißen“ und der „Green Family Guide“ mit vielen alltagstauglichen Tipps und Ideen, wie man als Familie das Thema Nachhaltigkeit angehen kann – und Spaß dabei hat. Wie beim Wandern.

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