100 Tage Kunst für den Schutz der Erde

Zum ersten Mal wird in Wien zu einer Großausstellung geladen, die sich ausschließlich mit der Klimakrise beschäftigt. Ziel ist es, gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Was Besucher:innen erwartet

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Datum: 04.04.2024
Lesezeit: 4 Minuten
Hundertwasserhaus in Wien, bunte Fassade, davor üppig grüne Bäume
© Paul Bauer
Künstlerisch wertvoll: Im Hundertwasser-Haus befindet sich das Kunst Haus Wien, das kreative Zentrum

Wir alle atmen die gleiche Luft, wir alle haben nur diesen Planeten, wir alle reden über die Klimakrise, aber viele tun zu wenig dagegen – so eine häufige Analyse. Die Ressorts Klima, Kultur und Wirtschaft der Stadt Wien wagen nun etwas Neues: Veranstaltet vom Kunst Haus Wien findet ab dem 5. April 100 Tage lang die erste internationale Klima Biennale in der österreichischen Metropole statt.

Ausstellung zum Klima

Wer Biennale hört, denkt wohl unweigerlich an Venedig und die dort zweijährlich stattfindende, älteste internationale Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die es gibt. Viel Kunst, noch mehr Pomp. Das Kunst Haus Wien inszeniert, in Kooperation mit anderen Museen und Galerien und vielen Künstler:innen sowie Wissenschaftler:innen verschiedenster Disziplinen, eine Ausstellung in der ganzen Stadt , die sich ausschließlich mit der Klimakrise befasst. 60 Kooperationspartner:innen aus Kunst, Design, Architektur und Wissenschaft entwickeln Ideen für ein nachhaltiges Morgen.

Die Ausgangsfrage lautet: Wie werden wir eine lebenswerte Zukunft schaffen? Während die Wissenschaft sich an Fakten und Zahlen orientiert, wollen die Biennale-Initiator:innen die emotionale Fähigkeit der Kunst nutzen, so erklären sie. Kunst könne viel fühlbarer erfahrbar machen, wie Zukunft aussehen könne, erläuterte der künstlerische Leiter Claudius Schulze in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur.

© Kristine Madjare
Immergrün? Gut ein Dutzend Künstler:innen haben unter dem Motto „Into the woods“ Wälder weltweit unter die Lupe genommen und zu Themen wie Abholzung oder Monokulturen jeweils ein Kunstprojekt umgesetzt

Das Programm: Wälder, Workshops, Wiederverwertung

Zentrum der Klima Biennale ist das Kunst Haus Wien. Die darin stattfindende Gruppenausstellung „Into the Woods“ widmet sich dem Ökosystem Wald. 16 Künstler:innen beschäftigen sich mit der Zerstörung und dem menschlichen Einfluss auf den Wald, es geht aber auch um kollektive und symbiotische Aktivitäten, die sich aus ihm ableiten können.

Vom Amazonas-Regenwald bis zu den Föhrenwäldern in der Schweiz werden verschiedenste Ökosysteme vorgestellt und untersucht; es geht um Entwaldung und Monokulturen, aber auch um nachhaltigen Waldschutz und die ökologischen Prozesse, die dort ablaufen. Neben Künstler:innen haben das Institut für Soziale Ökologie und das Institut für Waldökologie der Universität Wien an dem Projekt mitgearbeitet, um Werke zu schaffen, die inspirieren und zugleich Fakten liefern.

Im Projektraum Garage, ebenfalls im Kunst Haus Wien, können Besucher:innen modulare Werkstätten und Repair-Cafés nutzen und an Workshops teilnehmen. Im Innenhof finden Talks, Performances und Konzerte statt, er fungiert außerdem als zwangloser Treffpunkt. Dazu ist der für das Kulturjahr Graz 2020 entwickelte Klima-Kultur-Pavillon wiederaufgebaut worden.

Kunst ist immer ein Lagerfeuer, um das die Leute sich sammeln

Claudius Schulze, Künstlerischer Leiter der Klima Biennale

Im Juni findet im Kunst Haus Wien außerdem ein interaktives Symposium statt: der erste Wiener Klimagipfel. In Workshops, aber auch in wissenschaftlichen und künstlerischen Impulsbeiträgen werden gemeinsam Ideen erarbeitet und diskutiert.

Der kollektive Gedanke und das Thema Teilhabe ist der Festivalleitung besonders wichtig. Wer einbezogen wird, fühlt sich schließlich ermächtigt, so die Theorie. Und Kunst vereine die Leute schnell, um ins Machen zu kommen. „Kunst ist immer ein Lagerfeuer, um das die Leute sich sammeln“, sagt Schulze. Das Lagerfeuer-Bild beschreibt anschaulich, wie niedrigschwellig sich das Team der Biennale dem Thema widmen möchte. Die Klimakrise geht alle etwas an, also sollen auch alle etwas im Programm finden.

Auf dem Gelände des einstigen Nordwestbahnhofs, einer ehemaligen Garage für Postbusse und vor allem auf einer der letzten großen leeren Flächen der Stadt, entsteht auch deshalb ein Mikrokosmos, in dem über das zukünftige städtische Zusammenleben nachgedacht wird. Und erste Ergebnisse sind hier schon zu sehen..

Eine Kantine etwa beschäftigt sich mit der Ernährung der Zukunft, auch Mehlwürmer spielen dabei eine Rolle. Es geht um zirkuläres Design und Architektur. Dabei befinden sich die Werkstoffe in einem Kreislauf. Künstler:innen schaffen eine urbane Utopie, den Beweis also, dass es eine lebenswerte Zukunft in der Stadt gibt – trotz und mit Klimakrise.

Auch Kinder und Jugendliche sind eingeladen, ihre Ideen zu teilen oder Kurse zu besuchen.

© Mafalda Rakos
Eingespieltes Team: Die Leiter:innen des Festivals, Sithara Pathirana und Claudius Schulze, haben schon zuvor für andere Projekte zusammengearbeitet

Die Macher:innen

Claudius Schulze hat für den Auftrag, künstlerischer Leiter der Klima Biennale zu werden, zum allerersten Mal einen festen Arbeitsvertrag unterschrieben und ist mit seiner Familie von Berlin in eine ihm beinahe völlig unbekannte Stadt gezogen, erzählt er auf Instagram – was wohl zeigt, wie wichtig ihm die Klima Biennale ist.

Mit seiner Kollegin in der Programmleitung, Sithara Pathirana, hat er schon für andere Projekte zusammengearbeitet, zuletzt für das „ClimateArtFest“ in Hamburg.

Schulze ist Künstler und Forscher, dessen Arbeiten sich ausschließlich mit der Natur beschäftigen, mit Technologie und Folgen des globalen Wandels. Schon länger arbeitet er mit Menschen aus verschiedensten digitalen und analogen Berufszweigen zusammen, von Programmierer:innen bis hin zu Pädagog:innen. Beispielsweise untersuchte er Lärm- und Lichtverschmutzung im Hamburger Hafen und die Auswirkung auf Vögel.

Programmleiterin Sithara Pathirana träumt davon, durch die Kraft der Kunst möglichst viele Menschen zu berühren und damit die Welt zu verändern, zumindest ein bisschen. Die Projekt- und Kulturmanagerin beschäftigt sich meist mit Kultureller Bildung, vor allem, wenn es um kulturelle Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit geht. Sie hat bereits als Referentin im Hamburger Verband für Kinder- und Jugendkultur gearbeitet sowie für den „Hamburger Kulturgipfel“ und die „Triennale der Photographie Hamburg“.
 
Was beide eint, ist der Wunsch, nachhaltig zu wirken. Ein gutes Wortspiel, ein noch besserer Plan.

Wien im Zeichen des Klimas

Die Klima Biennale findet vom 5. April bis 14. Juli statt. In diesem Zeitraum bieten einige Häuser ebenfalls Ausstellungen, die sich mit der Thematik befassen. Hier eine Übersicht:

  • Das Foto Arsenal Wien präsentiert mit „Widerstand. Flut. Brand“ und „From a Tongue We Are Losing“ zwei Ausstellungen zum Welt-Wasser-Tag
  • Im Belvedere 21 geht es um Auswirkungen der Klimakrise
  • Das Weltmuseum zeigt „Unknown Artists of the Amazon”
  • Die Kunsthalle Exnergasse untersucht in der Ausstellung „Vanishing Structures“, was passiert, wenn Architektur oder Landschaften und somit auch Traditionen verschwinden
  • Die Kunsthalle Wien widmet sich sozialen und politischen Bewegungen
  • Das MAK zeigt eine Rauminstallation über nicht-menschliche Intelligenz

Anreise: Mit der Bahn gibt es täglich 20 Direktverbindungen nach Wien, zum Beispiel aus München, Berlin, Hamburg, Frankfurt, Köln oder Düsseldorf.

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