Bad Gastein: Zwischen Großstadt, Gipfelglück und Baustelle

Der österreichische Ort gilt für viele als hippstes Reiseziel in den Alpen – hier reihen sich Boutique-Hotels an Lost Places. Nun kommen immer mehr Investor:innen. Was macht das mit dem Ort?

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Datum: 30.11.2023
Lesezeit: 15 Minuten
Bad Gastein
© BMW Architekten/Max Steinbauer
Häuser wie in einer Großstadt – und zugleich beginnt hier ein Nationalpark: Bad Gastein ist ein Ort voller Gegensätze

Oben auf der Terrasse des Grand Hotels Straubinger befindet sich ein Pool mit Weitblick, von dem man sich der ganz eigenen Welt von Bad Gastein nähern kann. Schwimmt man nach vorn zum Rand, so schaut man hinab ins Tal, in dem Häuser mit Bäumen um die Wette wachsen. Und ringsherum auf Berghänge, die sich in den Himmel strecken, betupft von Fichten und gekrönt von schroffen Gipfeln. Wenn man über den linken Poolrand den Kopf streckt, sieht man Bad Gasteins Wasserfall. Zu hören ist sein Rauschen ohnehin die ganze Zeit. Wilde Natur und die Architektur einer Großstadt – an kaum einem Ort verschmilzt beides so wie in Bad Gastein.

Man hält sich am Beckenrand fest und lässt den Blick weiter schweifen. Hinter dem Wasserfall erhebt sich, zehn Stockwerke hoch, das Grand Hotel de l’Europe. Nur in wenigen seiner dutzenden Fenster leuchten an diesem frühen Morgen Lichter, die meisten sind schwarz. Rechts unten, auf dem Dach eines ehemaligen Hotels, das renoviert wird und in dem nun Mitarbeiter:innen des Grand Hotels Straubinger wohnen, steht einsam ein weißer Plastikstuhl. Badefreude und Baustelle, Leerstand und Luxushotel – auch das verbindet Bad Gastein.

Es ist ein Ort voller Gegensätze, Geheimnisse, Geschichten. Ein Ort, der Fragen aufwirft. Diese Reportage nähert sich der Frage an, wo Bad Gastein aktuell steht. Denn dem Ort wurde in den vergangenen Jahren weltweit prophezeit, er werde zu alter Glorie zurückfinden. 

2016 bezeichnete beispielsweise der kanadische Journalist Tyler Brûlé, der das einflussreiche Lifestyle-Magazin „Monocle“ gegründet hat, Bad Gastein als „Berlin der Berge“. Im selben Jahr schrieb der Journalist David Baum in DB MOBIL, dass der Ort wie „Phoenix aus der Asche“ auferstehe. 

© Arne Nagel AMOA
Strahlt wieder weiß: das Grand Hotel Straubinger mit einem Pool neben dem Gasteiner Wasserfall. Dahinter erhebt sich der neu gebaute Turm des Badeschlosses. Beide Hotels gehören zur Hirmer Hospitality-Hotelgruppe

2023 haben in dem knapp 4000-Einwohner:innen-Ort gleich drei Hotels neu eröffnet, zwei davon (das Grand Hotel Straubinger sowie das Badeschloss) im historischen Zentrum am Straubingerplatz. Und das, nachdem ihre Mauern jahrzehntelang menschenleer geblieben waren. Teils hatte sie der Hausschwamm besetzt, eine der meistgefürchteten Holzpilzarten. 

Einerseits wurde Bad Gastein gerade wegen dieses morbiden Charmes in den letzten Jahren berühmt und beliebt bei Großstädter:innen. Die fanden und priesen hier ein alternatives Reiseziel, fernab der traditionellen Almen und des Rummels in den Alpen. Andererseits bringen die Hoteleröffnungen mehr Leben in den Ort – und das Grand Hotel Straubinger lässt mit seinen fünf Sternen einen Luxus einziehen, der glitzert und glänzt. Wie passt das zusammen? 

Ist die Wiederbelebung des Straubingerplatzes der Neubeginn einer glorreichen Zeit, wie früher, als Kaiserin Sisi im Straubinger Saal des Grand Hotels tanzte und mit Kaiser Franz Joseph I. im Badeschloss residierte? Oder droht das, was so manches Großstadtviertel ereilte und in den Augen der reisenden Avantgarde entwertet hat: die Gentrifizierung?

Aus einem Haus am Straubingerplatz strömt, als die Eingangstür aufgeht und ein Bauarbeiter herauskommt, Geruch nach Schutt. Es ist die Alte Post. Sie sei so stark vom Schwamm befallen, so hatte ein anzugtragender Rezeptionist des Grand Hotels Straubinger schräg gegenüber erklärt, dass man noch nicht weiß, wann man sie renovieren kann und was daraus wird, und wann ein Gast das Innere sehen darf.

Leerstand neben Baustelle neben Fünf-Sterne-Hotel

Im Haus Hirt, rund einen Kilometer Fußweg vom Straubingerplatz entfernt, wird zum Frühstück Porridge mit Rhabarberkompott serviert, außerdem eingerollte Crêpes, geschnittene Wassermelone, Käse auf einem Holzbrett und bodenständige Köstlichkeiten. Aus den Fenstern blickt man ins Tal und auf die Berge. Evelyn Ikrath, 54, Wirtin des Hotels, streift von Tisch zu Tisch und fragt die Gäste, wie es ihnen geht, was sie vorhaben, organisiert Transfers und erinnert daran, dass sie sich noch eine „Jause“ für die Mittagszeit schmieren. Über ihrem gelben Hemdkleid trägt sie eine blaue Jacke, außerdem schwarze Kniestrümpfe und grüne Sneaker. 

© Miramonte/Charlotte Garrousse
Hotelier-Paar in Bad Gastein: Evelyn Ikrath, gebürtige Bad Gasteinerin, und ihr Mann Ike Ikrath

Den jahrzehntelangen Leerstand am Straubingerplatz hat eine Person zu verantworten, die Bewohner:innen von Bad Gastein und manche Journalist:innen als Bösewicht des Ortes ausgemacht haben: der Wiener Immobilienunternehmer Franz Duval. Er kaufte die Häuser im Jahr 1999. Ikrath hoffte damals, dass er sie saniert. Doch er ließ sie verfallen. Warum, weiß niemand. 

Erst 2017 konnte das Land Salzburg drei Gebäude kaufen und kurz darauf an Hirmer Hospitality verkaufen, eine Hotelgruppe aus München. Gemeinsam mit Architekt:innen rettete sie zwei der Häuser. Im September 2023 hat das Grand Hotel Straubinger eröffnet. Im Dezember folgt das Badeschloss gegenüber, für das auf dem alten Gebäude ein betongrauer Turm errichtet wurde, mit mehr als 100 Zimmern. Ikrath sagt: „Wir leben nun wieder in einem belebten Umfeld.“ Im Umkehrschluss heißt das: Lange Zeit war Bad Gastein ein unbelebter Ort.

Evelyn Ikrath kann das beurteilen. Sie ist im Haus Hirt großgeworden, schon ihre Eltern führten es als Hotel. Sie selbst wollte als Jugendliche erst einmal fort aus Bad Gastein, sagt sie: „Ich bin hier aufgewachsen im Bewusstsein eines bevorstehenden Abstiegs.“ Zur Alten Post am Straubingerplatz habe sie zuletzt Päckchen gebracht, als sie vielleicht 16 Jahre alt war, genau erinnere sie das nicht mehr. Und das Badeschloss habe sie noch nie offen erlebt. 

Bad Gastein: einst Treffpunkt der Adeligen, Künstler:innen und Stars

Um Bad Gastein wirklich zu verstehen, muss man noch weiter, jahrhundertelang, in die Vergangenheit reisen. Der Aufstieg zur globalen Berühmtheit hatte mit radonhaltigem Thermalwasser zu tun, dem eine heilende, gesundheitsfördernde und sogar angeblich verjüngende Wirkung zugeschrieben wird. 1525 beschrieb der Schweizer Arzt und Alchemist Paracelsus die Quellen ehrfürchtig als „Gottes eigene Composita“. Kaiser Wilhelm I. kam von 1863 bis 1887 insgesamt 20-mal zur Badekur – und wurde fast 91 Jahre alt. Im 19. Jahrhundert ein erstaunliches Alter. 

Voller Begeisterung ließ der erste deutsche Kaiser zu Lebzeiten eine Promenade bauen, die nach ihm benannt ist und heute unter anderem am Haus Hirt, einem Yoga-Pavillon, Antik-Laden und einer Hütte mit Gurkeneis entlang durch Bad Gastein führt. Hier bekommt das bisweilen großstädtisch anmutende Bad Gastein etwas Dörfliches. Hier grüßen Spaziergänger:innen einander – als ob sie plötzlich von einer altmodischen Höflichkeit befallen wären.

© Archiv Gasteiner Museen
Adeliger Besuch: Kaiser Franz Joseph I. vor dem Hotel Badeschloss

Auf Kaiser Wilhelm I. folgten der österreichische Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Sisi, außerdem Gelehrte wie Sigmund Freud, Schriftsteller Thomas Mann, Regisseur Wim Wenders, Stars wie Liza Minnelli, Falco und unzählige andere Berühmtheiten, die in den nobelsten Häusern eincheckten. 

Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden viele der pompösen Hotels mit Stuck und Gold an der Decke, die bis heute in Bad Gastein stehen – es war die Belle Époque des Wohlstandes.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bröckelte Bad Gasteins mondäner Ruf. Statt Kur war in den Alpen vermehrt Skitourismus angesagt. Doch viele der alten örtlichen Hotels, die auf Kururlaub im Sommer ausgerichtet waren, konnten im Winter nicht gut beheizt werden. Das war lange Zeit kein Manko: Zuvor waren die Hotels in Winterschlaf verfallen und zum Frühjahr wieder erwacht. Das reichte nun nicht mehr. In den 1970er-Jahren verkalkulierte sich außerdem die Gemeinde. Sie ließ ein Kongresshaus errichten – und verschuldete sich damit. Um das Jahr 2000 hatte sie fast zehn Millionen Euro Schulden. Das Kongresshaus ist zwar fertig geworden – aber seit 2007 ungenutzt.

Bad Gastein steht für Extreme

Ike Ikrath, Architekt und Hotelier in Bad Gastein

Das Grand Hotel de l’Europe, der eingangs genannte Blickfänger und einst eines der modernsten Hotels Europas, ging unterdessen insolvent. Viele andere Hotels schlossen ebenfalls, erinnert sich Ikrath. „Als junger Mensch dachte ich, dass das Leben außerhalb des Tals weitergeht. Ich habe mich gefragt, was ich hier mache und sah für mich keine Perspektive. Die Luft ist damals fast stehengeblieben.“ 

Also verließ sie Bad Gastein zunächst. In Salzburg legte sie ihr Hotelkolleg ab, danach reiste sie, arbeitete in Häusern in Paris, London und New York. Und fragte sich stets, was aus dem Hotel ihrer Eltern werden sollte.

Um in Ruhe reden zu können, hat Evelyn Ikrath inzwischen ins Zimmer 62 geführt, ein Doppelzimmer mit orangenem Stoffsofa, Holztisch und zwei braunen Lederhockern. Auf einem davon nimmt sie Platz, neben ihr setzt sich ihr Mann Ike. Seine Füße stehen in weißen Sneakern auf dem Boden, der 68-Jährige trägt ein graumeliertes Jackett, Jeans, weißes Hemd, weiße Locken und eine dicke, schwarze Brille. Er ist Architekt, lebte in Wien und lernte Evelyn auf einer Feier von Freund:innen kennen. Er überzeugte sie, gemeinsam nach Bad Gastein zu ziehen und das Haus Hirt zu übernehmen.

© Robert Kittel
Willkommen im Haus Hirt: Die Vintage-Möbel in der Lobby haben Evelyn Ikrath und ihr Mann Ike gemeinsam ausgewählt

Ike Ikrath sagt, dass er im Gegensatz zu Evelyn kein Gefühl von Enge verspürte. Sondern von kreativem Potenzial. „Bad Gastein steht für Extreme“, antwortet er auf die Frage, warum ihn dieser Ort so fasziniert. „Die Topografie, also die Lage direkt am Fuß der Alpen, ist spannend. Und dann der mächtige Bad Gasteiner Wasserfall inmitten des Ortes. Die wertvollen alten Häuser sind Bad Gasteins Erbe. Das, was wir heute neu bauen, erreicht nicht mehr ihre Qualität, weil es viel zu teuer wäre.“

Evelyn Ikrath sagt, dass Ike und weitere Zugezogene, sie nennt sie die „überzeugten Gasteiner“, Pioniergeist in den Ort gebracht – und sie, die Einheimische, mit ihren Ideen mitgerissen hätten.

Einer dieser Pioniere, der Bad Gastein maßgeblich prägt, ist Olaf Krohne (50). Sie lernten sich kennen, als Evelyn Ikrath das Haus Hirt gerade wiedereröffnet hatte und an der Bar Drinks ausschenkte. Heute führt er ein eigenes Hotel auf der gegenüberliegenden Seite des Tals, gemeinsam mit seinem Partner Jason Houzer (45). Die beiden sorgen sich, dass ihre Vision von Bad Gastein gefährdet ist.

© Hotel Regina
Partner, privat wie im Betrieb des Hotel Regina: Olaf Krohne (links) und Jason Houzer (rechts)

Pioniergeist: Hoteliers gestalten die alten Hotels neu

Zum Zeitpunkt des Besuchs ist das Hotel Regina geschlossen, und eigentlich wollte das Paar im Urlaub sein, irgendwo am Meer, oder in seiner Zweitwohnung in München. Doch ihr Dalmatiner Scout sei krank und müsse sich schonen, sagen sie. Trotzdem begrüßt er einen euphorisch wie eine alte Freundin, die man lange nicht gesehen hat. „Scout, ins Bett!“, mahnt Olaf Krohne und zeigt auf ein Hundebett, auf dem weiße Kissen liegen. 

Er brüht sich hinter der Bar einen Espresso an der silbern glänzenden Siebträgermaschine und setzt sich vor einen Marmortisch. Jason Houzer nimmt daneben auf der Bank vor der Fensterfront Platz, hinter ihm ein Panoramablick auf Bad Gastein, vor ihm ein Glas Wasser.

Die Häuser Bad Gasteins, fast wie Wolkenkratzer, hätten ihm schon als Achtjährigem imponiert, erzählt Olaf Krohne, als er zum ersten Mal mit seinen Eltern von Hamburg nach Bad Gastein in den Urlaub gefahren sei. Seither habe ihn der Ort nicht mehr losgelassen. Mit Anfang 20 organisierte er beispielsweise einen Silvesterball. „Damals haben mich die Leute für verrückt erklärt", sagt er. „Sie meinten: Nach Bad Gastein fahren doch höchstens die Großeltern zur Kur.“ Krohne glaubte trotzdem daran, dass Großstädter:innen sich wie er in Bad Gastein verlieben würden. 

Seine Diplomarbeit schrieb er darüber, wie man junge Künstler:innen in die verlassenen Hotels locken könnte, dann eröffnete er zunächst in Hamburg eine Bar. Zu seinem 30. Geburtstag setzte er sich ins Auto, die „Bar Hamburg“ hatte er verkauft, und fuhr nach Bad Gastein, 2003 war das. Und landete bei Evelyn Ikrath an der Theke im Haus Hirt. 

Zuerst baute Krohne mit Evelyn und Ike Ikrath ein weiteres Hotel um, das Miramonte, das Ike Ikrath führt. Früher erholten sich hier Mitarbeiter:innen der österreichischen Nationalbank auf Kur, heute sitzen die Gäste auf der Terrasse auf weißen Gitterstühlen, die noch von 1958 stammen. Krohne wollte ein eigenes Hotel. Und fand es mit dem Regina, einem zuvor italienisch geführten Haus. 

Die alten Marmortische und Thonet-Stühle im Restaurant übernahm Olaf Krohne, schliff die Dielen, ergänzte das Inventar mit moderner Kunst und eröffnete das Haus nach nur drei Monaten zu Weihnachten/Silvester 2009. Seine Gäste brachte er direkt auf die Tanzfläche. Er zeigt auf die abgetretenen Dielen vor der Bar und die Discokugeln, die noch immer davon und von den noch folgenden Partys zeugen.

© Arne Nagel AMOA
Wilde Natur inmitten von Bad Gastein: Durch das Zentrum fließt der Gasteiner Wasserfall

Wie viele Hotels verträgt Bad Gastein?

Krohnes Partner Jason Houzer, ursprünglich Art Director, Model und seit 2013 Hotelier, kam zuerst zum Skifahren nach Bad Gastein. „Hier gibt es keinen Ski-Zirkus, keine Hüpfburgen, kein Lärm – und auf dem Graukogel“, er deutet auf den Berg hinter sich, „nur Naturschnee.“ Für ihn ist Bad Gastein damit „ein Gegenentwurf zu Skiorten wie Ischgl“, die im Gegensatz zu Bad Gastein in den letzten Jahrzehnten überrannt wurden. „Ich hoffe, dass wir diese relativ unberührte Natur und unser einzigartiges Ortsbild erhalten können, denn so etwas gibt es ja immer seltener.“

Damit spricht er etwas an, was sich derzeit einige in Bad Gastein fragen: Wie viele Hotels verträgt der Ort? Wie kann es gelingen, den Charme der Leere und alten Bauten zu bewahren und gleichzeitig als Ort zu wachsen und immer mehr Menschen anzuziehen? 

Auf der einen Seite freuen sich Evelyn und Ike Ikrath, Olaf Krohne und Jason Houzer über das wiedereröffnete Grand Hotel Straubinger und das neue Badeschloss. „Ich bin sehr dankbar, dass der Straubingerplatz als Herz des Ortes jetzt wieder existiert oder ein lebendiger Ort wird, wo sich Menschen begegnen”, sagt etwa Evelyn Ikrath. Olaf Krohne findet: „Hinter dem Straubinger und dem Badeschloss steht ein tolles Konzept. Die alten denkmalgeschützten Baukörper haben die Architekten bestehen lassen und um einen signifikanten Turm ergänzt.“ Aber: „Wir befürchten, dass in Zukunft eine reine Investorenarchitektur überhandnimmt. Wir stehen vor der Gefahr, dass der Ort zugebaut wird.“

Hoteltipps für Bad Gastein

Für Luxus-Freund:innen: Grand Hotel Straubinger
Im Grand Hotel Straubinger (fünf Sterne) ziert Marmor die Wände, dicke Teppiche dämpfen die Schritte, und im Restaurant, dem Straubinger Saal, könnte man stundenlang den kunstvollen Stuck an der Decke betrachten. Zum Glück werden abends vier Gänge serviert, sodass dazu Zeit ist. Das Grand Hotel Straubinger wurde im September 2023 neu eröffnet. Es liegt in Bad Gasteins historischem Zentrum am Straubingerplatz, gegenüber vom Badeschloss.

Für Liebhaber:innen von Badeanstalten: Badeschloss 
Vom Rooftop-Pool des Badeschlosses kann man die Menschen im Pool des Grand Hotels Straubinger beobachten, die gegenüber und etwas weiter unten im Wasser treiben. Innen im Hotel ist alles gefliest, wie in einem Schwimmbad und angelehnt an die Geschichte des Gebäudes, das 1791 als Badehaus erbaut wurde. Der Fahrstuhl ist so verkrümmt verspiegelt, dass man das Gefühl hat, als wäre man unter Wasser. Bunte Badeleitern zieren die Zimmer. Eröffnet im Dezember 2023.

Für Eltern mit Kindern: Haus Hirt
Im Kids Club des Hauses Hirt können Kinder toben, während Eltern im Spa mit Bergblick entspannen. Außerdem organisiert das Hotel Yogakurse und geführte Ausflüge, zum Beispiel Wanderungen, für die man sich Wanderschuhe leihen kann, falls man keine eigenen hat. Das Essen im Restaurant stammt größtenteils aus der Region. Empfehlenswert ist auch das Mittagsbuffet mit verschiedenen Salaten und Suppe – perfekt, wenn man nach einer Wanderung oder einem Skitag müde und hungrig zurückkehrt.

Für Vintage-Fans: Regina
„Wem die Kombination aus Vintage und Contemporary nicht zusagt, der ist vermutlich woanders besser aufgehoben“, sagt Jason Houzer lachend. Die Zimmer im Regina sind eine Mischung aus gold-verschnörkeltem Bett und schlichten Glühbirnen, die an einem Kabel von der Decke hängen, alles sorgsam und stilsicher zusammengestellt. Hinter dem Speisesaal gibt es einen Raum voller Magazine über Design, Architektur und Reise, die  Jason Houzer und Olaf Krohne sammeln. Alle gelesen haben sie nicht, sagt Houzer, zu viele seien es, aber zumindest mal durchgeblättert.

Für Alleinreisende und digitale Nomaden: Miramonte
Während Evelyn Ikrath das Haus Hirt bewirtet, in dem sie selbst aufgewachsen ist, hat ihr Mann Ike Ikrath maßgeblich das Hotel Miramonte in seiner Verantwortung. Hier kann man mit Bergblick in Ruhe remote arbeiten, zum Beispiel im großen Restaurant oder auf der Terrasse, oder einfach entspannen.

Kurze Rückblende in den Dach-Pool des Grand Hotels Straubinger. Schaut man von dort nach unten rechts zur schmalen Straße, blickt man auf eine Lücke. Hinter einem Bauzaun befindet sich nichts als Schutt. Ein Investor hat das Hotel Mirabell, das dort einst stand, gelbe Fassade und weiße Säulen, 2021 abreißen lassen. Auf Youtube gibt es ein Video, das zeigt, wie ein Bagger hineinschlägt und es zum Einstürzen bringt. Seitdem klafft dort die Lücke, und wann und wie sie gefüllt wird, ist unklar. Der Tourismusverband des Gasteinertals lässt wissen, dass der Investor derzeit ein:en Betreiber:in suche, da er das Hotel nicht selbst führen möchte.

Eine „komplette Wahnsinnigkeit“ ist dieser ungeplante Abriss inmitten des Dorfkerns für Architekt Ike Ikrath. „Das ist so, wie wenn jemand einfach mal eben einen Schlag ins Gesicht bekommt“, er formt eine Faust mit der Hand, „und nun mit einer großen Zahnlücke lächelt.“ Olaf Krohne befürchtet generell, dass sich viele Neubauten nicht mehr in Bad Gasteins einzigartige Belle-Époque-Architektur einfügen werden. Beim Mirabell etwa steht direkt neben der Lücke noch der alte, denkmalgeschützte Teil des Hotels, mitsamt verschnörkelten Tapeten innen, die man durch die verstaubten Fenster erspäht.

Wir stehen vor der Gefahr, dass der Ort zugebaut wird.

Olaf Krohne, Hotelier in Bad Gastein

Die Gemeinde, so wünschen es sich Krohne und Houzer, sollte genauer hinschauen, was Investor:innen vorhaben. Houzer beschreibt das mit einer Metapher: „Das Trauma des jahrzehntelangen Leerstandes war wie ein Verdursten in der Wüste – und dann kommt plötzlich eine Oase, in die man sofort hereinspringen will – und droht womöglich dabei zu ertrinken. Daher sollte man vorsichtig sein und genauer hinsehen, wer nur kurzfristig investieren will, und wer dem Ort wirklich langfristig etwas geben möchte."

Evelyn Ikrath drückt es so aus, dass es „Balance“ braucht. Denn wenn man mehr Hotelbetten anbietet, kommen auch mehr Tourist:innen. Bis zu 6000, überschlägt Krohne, könnten zu den aktuell bestehenden 8000 Hotelbetten kommen.

Der Tourismusverband schreibt, dass derzeit vier neue Hotelprojekte in Bad Gastein in Planung sind, von der Gemeinde begutachtet oder in naher Zukunft umgesetzt werden. Eines davon ist ein Neubau, für den ein ehemaliges Hotel abgerissen werden müsste. 

© Arne Nagel AMOA
Aufwachen mit Bergblick: Ausblick aus einer Juniorsuite im Grand Hotel Straubinger

Bei der Sorge, dass es in Bad Gastein zu voll werden wird, muss man eines bedenken, was hier genauso wie in anderen beliebten Alpenorten gilt: In der Nebensaison ist es noch deutlich leerer als zu Hauptreisezeiten. Mitte Oktober beispielsweise findet man nach wie vor Ruhe und Leere. Der Lift auf den Graukogel steht dann still. Für manche ist das aber vielleicht sogar zu viel Ruhe. Houzer und Krohne schließen ab Mitte Oktober bis November das Regina, genauso wie nach Ostern für zwei Monate, weil sich der Betrieb für sie nicht lohnen würde. „Wir glauben auf jeden Fall daran, dass Bad Gastein das Potenzial zu einer Ganzjahresdestination hat, aber das können einzelne Hotels nicht allein schaffen“, erklärt Houzer. 

Die Großstadt nach Bad Gastein holen – und die Natur bewahren

Houzer und Krohne betonen, dass es ihnen grundsätzlich gar nicht ausschließlich um ihr eigenes Hotel gehe. Ihre Vision sei vielmehr: Orte in Bad Gastein zu schaffen, die noch nicht existieren, die Bad Gastein aber braucht, um zu florieren. „Wir wollen das Gute aus der Stadt holen, zum Beispiel tolle Ausstellungen, Salonabende, Kulturveranstaltungen, besondere Gastronomie, und das Schlechte, wie die Emissionen und den Verkehr, weglassen“, sagt Krohne. 

In ihrem Hotel haben sie beispielsweise ein winziges Kino mit 16 blauen Sitzen errichtet, in dem sie während des Abendessens über einen Beamer oft Kinderfilme und später „Monaco Franze“ und andere Klassiker zeigen, dazu gibt es hausgemachtes Popcorn. Und mit Ike und Evelyn Ikrath unterstützen sie das Kunstfestival Sommerfrische.Kunst, das unter anderem in den leerstehenden Gebäuden Werke ausstellt. 

Eines wird in den Berichten um Bad Gastein allerdings oft weniger berücksichtigt: die rund 4000 Bewohner:innen, die in dem Ort ihre Heimat haben und sich hier genauso wie die Tourist:innen wohlfühlen sollten. Evelyn Ikrath sagt: „Wir müssen erst auf uns selbst schauen, auf unsere Kinder, auf die Familien und auf die Menschen, die hier das ganze Jahr leben. Erst dann können wir auch gute Gastgeber:innen sein.” Das beginne schon bei Kleinigkeiten, wie schönen Spielplätzen und bezahlbaren Freizeitangebote für Einheimische.

Wenn man durch die Straßen von Bad Gastein spaziert, blickt man immer wieder staunend nach oben. Zu den Häusern, den Bergen, diesen Kolossen, die alles umgeben. Man fühlt sich behaglich, wie in einer Umarmung. Und die jahrhundertealte Geschichte des Ortes ist spürbar an jedem verstaubten Fenster, hinter dem sich ein leerer Raum verbirgt, und an jeder wieder erstrahlenden Fassade. 

Man könnte glatt vergessen, wo genau man überhaupt ist, weil die Eindrücke einander widersprechen und überlagern. „Berlin der Berge“? Nein. Bad Gastein hat sich eine ganz eigene, unvergleichbare und unmessbare Größenordnung geschaffen. Wie Krohne sagt: „Bad Gastein hat immer wieder bewiesen, dass es vielem trotzt und standhält.“

Winterurlaub in und um Bad Gastein 

Anreise mit der Bahn
Aussteigen und am Bahngleis Bergluft schnuppern: Eurocity-Züge fahren zum Beispiel ohne Umstieg in knapp dreieinhalb Stunden direkt von München aus nach Bad Gastein. Vom Bahnhof spaziert man entweder zu Fuß zum Hotel, oder man nutzt einen Shuttle, den die meisten Hotels kostenlos anbieten.

Skifahren
Direkt neben dem Bahnhof Bad Gastein führt im Winter ein Skilift auf die Piste – im Salzburger Land ist diese Liftlage einmalig. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Grundlage für alle, die Wert auf Nachhaltigkeit im Skiurlaub legen. Denn bei Auto-Nutzung entfallen rund 70 Prozent des CO2-Ausstoßes auf die Anreise. Wer keine eigene Skiausrüstung hat, kann sie sich ebenfalls neben dem Bahnhof leihen. Insgesamt erstrecken sich im Gasteiner Tal vier Skigebiete mit etwa 200 Pistenkilometern sowie 40 Loipenkilometer.

Winterwandern
Spazierwege im Schnee gibt es in und um Bad Gastein einige. Zum Beispiel kann man vom Ortszentrum über die Kaiser-Wilhelm-Promenade ins Kötschachtal gehen und dabei Eichhörnchen beobachten. Eine Übersicht über die Wanderwege im Winter hat der Kur- und Tourismusverband Bad Gastein veröffentlicht.

Schneeschuhwandern
Mitten durch die Berge, durch Wälder und zu weiten Aussichten über die Winterlandschaft führt eine Schneeschuhwanderung. Manche Wege sind präpariert, andere verlaufen durch nahezu unberührte Landschaften. Anfänger:innen können sich von einem Guide anleiten lassen. Zum Beispiel kann man bei einer geführten Tour auf dem Graukogel durch einen hunderte Jahre alten Zirbenwald stapfen (jeden Freitag um 11 Uhr, Anmeldung über den Kur- und Tourismusverband).

Aufwärmen in der Therme
Abtauchen und abschalten: Im warmen Thermalwasser oder in der Sauna lässt es sich wunderbar entspannen. Die Felsentherme Bad Gastein befindet sich neben dem Bahnhof und ist von natürlichen Felsen umgeben – das schafft eine ganz besondere Atmosphäre. Und natürlich füllt das Bad Gasteiner Thermalwasser die Becken.

Geführter Baustellen-Spaziergang
Elisabeth Kröll, gebürtige Bad Gasteinerin, kennt wohl jedes Gerücht, lustige Anekdoten und Legenden um die Stars, die hier Urlaub machten. Bei einem Spaziergang zu den aktuellen Baustellen erzählt sie mehr zur Geschichte über die Gebäude, wer hier schon schlief und was für die Zukunft geplant ist. Termine, Informationen zur Anmeldung und zu Preisen finden sich auf der Webseite des Kur- und Tourismusverbandes Bad Gastein.  

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