„Es ist auch mal gut, als Paar auf andere Paare zu treffen“

Zum Valentinstag gibt es das große Gedeck: Blumen, Süßes, Restaurantbesuche, Wellnessausflüge. Doch tut das der Liebe wirklich gut? DB MOBIL hat bei einer Paartherapeutin nachgefragt

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Datum: 01.02.2024
Lesezeit: 3 Minuten
Ein Paar geht Hand in Hand durch eine Stadt
© Getty Images/Uwe Krejci
Zeit zu zweit: Einfach mal zusammen in die benachbarte Stadt fahren und flanieren kann einer Beziehung sehr guttun

Frau Frankenberger, wie stehen Sie als Paartherapeutin zum Thema Valentinstag?

Ich finde, das ist ein eher problematischer Termin. Denn er schafft häufig Erwartungen, die nicht erfüllt werden oder womöglich dem oder der Partner:in gar nicht bekannt sind. Es wäre wichtig, dass die Paare sich darüber austauschen, was dieser Tag für jede:n von ihnen bedeutet. Welche Erwartungen hängen da dran? Hängen überhaupt welche dran? Nur so können Missverständnisse und schmerzliche Untertöne vermieden werden.

Aber über den Valentinstag in ein Gespräch mit dem oder der Partner:in darüber zu kommen, was man selbst erwartet, ist doch gut, oder?

Das an oder vor einem Tag zu tun ist zu wenig. Wir müssen uns ständig austauschen, gerade, wenn es um besondere Tage geht: Was erwartest oder wünschst du dir an deinem Geburtstag, was an Weihnachten oder dem Muttertag?

Woher kommen unsere Erwartungen an diese Tage?

Es gibt in der Gesellschaft ein romantisches Ideal, das besagt: Wenn du mich liebst, weißt du, was ich brauche. Das ist echter Schmarrn.

Warum?

Hellsehen funktioniert nicht. Wenn wir über diese erste Phase der Verliebtheit hinauskommen wollen, in der wir scheinbar alles erahnen und alles richtig machen wollen, müssen wir mit unseren Partner:innen sprechen. Die romantische Beziehung ist eine Erfindung des Biedermeier; früher waren Ehen ja eher Zweckbündnisse zum Schutz von Haus, Hof und Kindern. Je mehr Liebesbeziehung es wurde, desto größer auch die Überhöhung und desto wichtiger der Austausch.

Viele nehmen Tage wie den Valentinstag oder den Jahrestag zum Anlass, schick essen zu gehen oder in ein teures Hotel einzuchecken. Gute Idee?

Grundsätzlich ist es super, etwas zu unternehmen und Erlebnisse miteinander zu haben. Aber wichtiger, als eine große Reise oder einen teuren Restaurantbesuch zu planen, ist es, viele kleine Dinge gemeinsam zu machen. Das kann schon ein gemeinsamer Kaffee auf dem Balkon sein, den man als Miniurlaub deklariert. Das mag albern klingen, aber durch spielerische, leichte Unternehmungen im Alltag, die wir zusammen erleben, schaffen wir als Paar etwas, das wir miteinander teilen.

Aber eine gemeinsame Reise schenkt einem doch eine ganze Reihe von Erinnerungen, die man teilt. 

Natürlich ist es toll, zusammen eine große Reise zu machen, von der man lange zehrt. Aber wenn man ansonsten wenig miteinander zu tun hat, wird die eine große Reise nichts rausreißen.

© Getty Images/Tom Werner
Große Kunst: Eine Ausstellung zu besuchen, die womöglich nur eine:n von beiden interessiert? Hilft auf jeden Fall, Interesse am/an der Partner:in zu signalisieren

Was kann man stattdessen tun im Alltag?

Gemeinsam kochen und essen, also sich bewusst Zeit nehmen, eine Mahlzeit zusammen zuzubereiten. Gerade Paaren mit Kindern empfehle ich das. Oder einfach mal zu schauen, was in der nächstgelegenen Stadt so los ist, von München aus mit dem Zug nach Regensburg aufs Jazzfestival fahren, so etwas. Das ist ein Aufwand von wenigen Stunden.

Wie ist es denn mit dem klassischen gemeinsamen Wochenende im Wellness-Hotel? Da ist man ja oft nicht nur mit sich, sondern auch anderen.

Es ist auch mal gut, als Paar auf andere Paare zu treffen. Wenn ich andere im Wellness-Hotel beobachte, kann ich mir im positiven wie negativen Sinne etwas abgucken. Zum Beispiel: „Schau mal, wie lieb die miteinander sind, das könnten wir auch mal wieder sein.“ Oder: „Wie ekelhaft die sich sogar in der Öffentlichkeit angiften.“ In solchen Momenten können wir uns als Paar von deren Verhalten abgrenzen. Nur sollte man natürlich nicht ständig etwas unternehmen: andere Menschen sehen, ins Theater und Kino, Events. Irgendwann muss ich mich auch mal wieder nur auf den anderen besinnen.

Wie verhindert man, dass gemeinsame Unternehmungen in Stress oder Streit enden?

Auch hier ist zuallererst die Absprache wichtig: Was wünschst du dir? Und dann sollte man auch mit der Ehrlichkeit des anderen umgehen können. Wenn jemand gerade keine Lust hat, etwa für einen einzigen Tag mehrere Stunden pro Strecke im Zug zu sitzen.

Aber sollte man nicht auch mal für den anderen etwas tun, das einen selbst nicht so überzeugt?

Ja, aber nicht mit einem faulen Kompromiss à la: Na gut, um des lieben Friedens willen. Dann ist die Gefahr recht hoch, dass beide gestresst sind und eine Person irgendwann explodiert.

Was wäre die Alternative?

Ein guter, klarer Kompromiss. Zu sagen: Das, was du da vorhast, interessiert mich nicht so sehr, aber ich komme gerne mit, weil ich weiß, dass es dich interessiert. Ich erwärme mich heute mal für das, wofür du dich begeisterst. Ich muss nicht die gleiche Leidenschaft teilen, aber ich muss neugierig sein auf die Leidenschaft des anderen.

Und das funktioniert?

Ja, wenn man sich ehrlich darauf einlässt. Geht man aber zu einer Kunstausstellung mit, die einen nicht interessiert, dann sollte man nicht die ganze Zeit daran herummeckern. Die andere, begeisterte Person darf dann wiederum vom anderen nicht dieselbe Begeisterung erwarten. Wohlwollende Toleranz wäre gut.

Mit ehrlichem Interesse und klaren Kompromissen klappt also alles?

Zumindest vieles. Es gibt nicht wenige, die denken: „Na ja, wir kennen uns schon so lange, ich weiß, wie du tickst“ und hören auf, neugierig auf die andere Person zu sein. Dann gehen die Dinge schief. Es braucht einfach ganz viel Offenheit und Ehrlichkeit im gemeinsamen Alltag.

Anette Frankenberger

ist systemische Paar- und Familientherapeutin und Supervisorin mit eigener Praxis in München. Im Podcast „15 Minuten fürs Glück“ gibt sie Tipps für mehr Leichtigkeit im Leben.

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