Was hat frittierter Grünkohl in der Thai-Küche zu suchen?

Dalad Kambhu hat es geschafft, sich als Außenseiterin die Gastrowelt zu verzücken. DB MOBIL sprach mit der Wahl-Berlinerin über authentische Thai-Küche und die Lust, sie mit regionalen Produkten zu verbinden

Von:
Datum: 27.12.2023
Lesezeit: 8 Minuten
Doppelbild: Links eine Forellenhäflte, die auf Gemüse drapiert ist, rechts im Bild die Köchin und Restaurantleiterin Dalad Kambhu
© Robert Rieger
Stern am Berliner Gastrohimmel: Dalad Kambhu kombiniert thailändische Küche auf kreative Art mit regionalen Zutaten wie Makrele aus der Nordsee, garniert mit Koreander aus Brandenburg (links)

Deutschland-Ticket – jetzt kaufen und losfahren

Eine Starköchin, die als Servicekraft beginnt, sich das Kochen selbst beigebracht hat und einen Michelin-Stern erringt? Das klingt wie der Stoff, aus dem eine Netflix-Dokumentation gedreht werden könnte. Tatsächlich hat die Karriere von Dalad Kambhu, die in Berlin das thailändische Restaurant Kin Dee leitet, auf den ersten Blick märchenhafte Züge. 

In Austin geboren, verbrachte sie ihre Kindheit in Bangkok, bevor sie mit 20 Jahren nach New York zog, um dort Marketing zu studieren. Um sich über Wasser zu halten, jobbte sie in verschiedenen Restaurants, in deren Küchen sie aber nie durfte. 

Inspiriert von der Kochleidenschaft ihrer Mutter begann sie zu Hause Gerichte nachzukochen, und zwar nach thailändischer Art. „Ich vermisste das Essen meiner Eltern, die Gewürze und die frischen Kräuter, also probierte ich ein paar Sachen aus“, sagt die 37-Jährige im Gespräch mit DB MOBIL. 

Nach dem Prinzip „Learning by doing“ experimentierte sie am heimischen Herd, bereitete zum Beispiel Lachs mit einem Curry zu und kaufte Originalzutaten in einem Asia-Laden. Ihren Traum behielt sie erst einmal für sich. „In den Restaurants in New York ließ mich niemand in die Küche, die machten mir schnell klar, dass der Job Männersache ist und ich am Empfang gut aufgehoben bin“, erinnert sie sich. Dafür servierte sie bei Dinnern von Freunden ihre Speisen und lernte einen Künstler kennen, der ihr einen Kontakt zum bekannten Restaurant Grill Royal in Berlin vermittelte. 

Ein Jahr lang durfte sich Kambhu im Pop-up-Restaurant Dóttir ausprobieren. Die Berliner:innen reagierten so begeistert auf ihre Gerichte, dass sie sich ermutigt fühlte, 2017 ihr eigenes Lokal im Stadtteil Tiergarten zu eröffnen. 

© Robert Rieger
Schlichte Tische, Lederbänke und ein wenig Kunst: Im Restaurant Kin Dee soll vor allem das Essen beeindrucken. Menüs kosten ab 79 Euro

Seitdem hat das Kin Dee (thailändisch für „gut essen“) mehrere Auszeichnungen erhalten und bekam 2019 als eines der ersten asiatischen Restaurants in Deutschland einen Michelin-Stern verliehen. Der Stern ging zwar 2023 verloren. Was aber erstens nichts über die Qualität aussagt, wie der Gastrokritiker des "Tagesspiegel" bekräftigt, und zweitens für die Gäste den Vorteil hat, dass die Rechnung im Rahmen bleibt. 

Das Prädikat „Gute Qualität zu einem fairen Preis“ ist aber eine zu nüchterne Umschreibung für die Raffinesse, mit der die Kochkünstlerin traditionelle thailändische Zutaten mit Produkten aus der Region zu besonderen Geschmackserlebnissen kombiniert, so zum Beispiel eine gegarte Birne mit kandierten Walnüssen und einer Fischsauce mit Karamell. Papaya ersetzt sie schon mal durch Kohlrabi, nicht nur, weil es kulinarisch funktioniert. 

Die Wahl-Berlinerin möchte den CO2-Fußabdruck ihrer Waren möglichst klein halten und bezieht 90 Prozent ihrer Zutaten von nahegelegenen Produzenten. Warum und wieso, erläutert sie im Interview. 

Frau Kambhu, die „New York Times“ lobte Sie für Ihre authentische thailändische Küche – wie würden Sie selbst ihren Stil beschreiben? 

Als ehrlich – und mit viel Liebe zum Produkt. Ich arbeite eng mit lokalen Bauern und Bio-Produzenten zusammen, denn umweltschonend erzeugte Zutaten sind die Basis für meine Gerichte. Ich möchte mit meinem Restaurant Teil der Lösung sein, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Wir können heute nicht mehr so tun, als sei Essen von der Entwicklung der Welt abgekoppelt. Zutaten einfliegen zu lassen, würde unser Umweltproblem nur verstärken. Und ich bemerke bei unseren Gästen, wie wichtig es ihnen ist, zu wissen, woher die Produkte kommen. Zum einen wegen der Umwelt, zum anderen wollen sie sicher sein, dass sie etwas Gesundes zu sich nehmen. 

Welche lokalen Zutaten finden Sie besonders spannend?

Wenn man eng mit Kleinbauern im Berliner Umland zusammenarbeitet, erlebt man immer wieder Überraschungen. Besonders lecker ist beispielsweise das Gemüse von Jens & Jules. Sie bauen neben Tomaten auch Chilis an, die ein wenig scharf sind und gleichzeitig süß und salzig schmecken. Sehr köstlich. 

Und was machen Sie daraus?

Die Tomaten zum Beispiel schneiden wir in Stücke und servieren sie mit einem Dressing aus Thai-Stechpalmen-Basilikum und Chilis. 

© Robert Rieger
Farbenfroh und ansprechend: Die Gerichte von Dalad Kambhu verraten viel Liebe zum Detail, so wie die marinierte Hähnchenkeule mit Klebreis und Zwiebelblüten

Haben Sie besondere Vorlieben bei Ihren Kombinationen?

Ich bin der größte Fan von Gemüse aller Art. Unser Restaurant serviert auch Bio-Fleisch, aber meine Mission ist es zu zeigen, wie lecker und vielseitig Gemüse schmeckt. Man kann Grünkohl oder Kohlrabi gut mit thailändischen Aromen verbinden. Ich liebe zum Beispiel Grünkohl, wenn er frittiert oder gebacken ist. Unser Gemüse des Tages zurzeit ist Spinat, den wir im Wok leicht anbraten, was ihm ein rauchiges Aroma verleiht. Unsere Kund:innen sind sehr angetan und sagen, dass sie Spinat so noch nie gegessen haben. 

Woher kommt Ihre Lust zu kochen?

Vor allem von meiner Mutter, die eine leidenschaftliche Hobbyköchin ist. In New York bemerkte ich, was ich vermisse. Für mich ist thailändisches Essen das köstlichste Essen der Welt. Es ist komplex und erfordert viel Wissen, um es richtig zuzubereiten. Die meisten Thai-Restaurants auch hierzulande werden der Küche nicht gerecht. Dort wird oft Essen serviert, das wenig Charakter hat. Hinter guten Currys und Soßen steckt viel akribisches Handwerk, das erfordert Zeit und hat auch seinen Preis.   

Stehen Sie selbst noch oft in der Küche? 

Nicht mehr so oft, dafür habe ich ein Frauen-Team, auf das ich mich verlassen kann. Ich spreche mit ihm die Menüs ab und schaue, ob alles lecker und richtig zubereitet ist. Meine Managerin kommt aus Thailand, ebenso wie unsere Sommeliere. Auch unsere thailändische Köchin, May May, ist großartig. Sie bewarb sich als Tellerwäscherin. Nachdem ich ihr Mitarbeiteressen getestet hatte, machte ich sie zur Chefköchin. Ihr zur Seite steht eine Sous-Chefin aus Korea. 

Wir können nicht mehr so tun, als sei Essen von der Entwicklung der Welt abgekoppelt. Zutaten einfliegen zu lassen, würde unser Umweltproblem nur verstärken

Dalad Kambhu

Bühne frei! Ihre Model-Karriere hat Dalad Kambhu hinter sich gelassen, sie schickt jetzt ihre kulinarischen Kreationen ins Rampenlicht

Wie passt Ihr Restaurant zum aktuellen Trend des „Casual Fine Dining“, bei dem Kund:innen zwar leger gekleidet sind, aber doch die gehobene Küche genießen möchten?

Ich hatte schon lange das Gefühl, dass es zu den klassischen Sterne-Restaurants eine alternative Bewegung geben musste. Nicht nur, was die Kleiderordnung betrifft, auch die Philosophie dahinter musste sich ändern. Noch immer werden Restaurants für ihre Köche und Menüs gefeiert, ohne dass gefragt wird, welche Auswirkungen auf die Umwelt damit verbunden sind. Produkte werden eingeflogen, Sous-Vide-Beutel landen massenweise im Plastikmüll, und auch das Thema Personal wird ignoriert. Oft arbeiten die Mitarbeiter:innen 12 bis 15 Stunden am Tag, und das zu niedrigen Löhnen. Das gesamte System basiert darauf, dass entweder nur die Härtesten überleben – oder die finanziell Privilegierten. 

Und was machen Sie anders?

Mir ist wichtig, dass die Mitarbeiter:innen zufrieden sind und wir in einer entspannten Atmosphäre arbeiten. Die Qualität ist hoch, aber die Kundschaft ist bereit, dafür auch etwas mehr zu bezahlen. Unsere Drei-Gänge-Menüs liegen bei unter 80 Euro. 

Haben Sie eine Lebensphilosophie, die Sie auch beim Kochen anwenden?

Ja: Mache die Dinge richtig! Es ist besser, weniger Geld zu verdienen und dafür Dinge zu tun, auf die man stolz sein kann. Wenn ich auf das zurückblicke, was ich in den letzten Jahren gemacht habe, kann ich sagen: Ich bin froh, das Restaurant eröffnet zu haben.

Sie haben in einem früheren Interview einmal gesagt, dass es wichtig ist, mit Liebe zu kochen – können Sie diesem Anspruch immer gerecht werden?

Ich denke, wir haben unterschiedliche Arten von Liebe, die wir geben können. Es gibt auch bei mir Tage, an denen ich nicht zur Arbeit gehen möchte. Aber ich habe ein Team, das ich liebe, und ich kann es jederzeit bitten, meine Gerichte auszuprobieren und zuzubereiten. Das gibt mir ein gutes Gefühl.  

Was ist Ihr liebstes deutsches Gericht?

Schweinshaxe!

 

Restaurant Kin Dee
Lützowstraße 81, 10785 Berlin
Di - Sa, 18 - 23:00 Uhr
Anreise: Ab Hbf per Bus M85 bis Haltestelle Lützowstraße/Potsdamer Str., danach 210 Meter zu Fuß. 

Hinkommen mit dem Deutschland-Ticket:

Abo abschließen, einsteigen und losfahren. Das Deutschland-Ticket macht es möglich.

Es kostet 49 Euro monatlich und ist bundesweit überall im Nah- und Regionalverkehr gültig. Egal ob Sie mit Bus oder Bahn fahren, seit 1. Mai brauchen Sie deutschlandweit nur noch ein Ticket.
Das Deutschland-Ticket ist als monatlich kündbares Abonnement auf bahn.de erhältlich, außerdem unter anderem im DB Navigator und im DB Streckenagent.
Um Ihre Reise mit dem Deutschland-Ticket zu planen, setzen Sie in der Reiseauskunft auf bahn.de den Haken bei „Nur Nahverkehr“. In der App DB Navigator wählen Sie unterhalb der Datums- und Zeitauswahl die Filter-Fläche, dann unter „Optionen“ den Reiter „Verkehrsmittel“, wählen Sie dort den Schieber „Nur Nah-/Regionalverkehr“ aus.

Schreiben Sie uns!

Der Artikel hat Ihnen gefallen, Sie haben eine Frage an die Autorin/den Autor, Kritik oder eine Idee, worüber wir einmal berichten sollten? Wir freuen uns über Ihre Nachricht.