Weltoffene Küche mit einer Prise Straßenkultur

Ein Restaurant, das aussieht wie ein Gewächshaus. Ein Deli, in dem Banker:innen neben Student:innen sitzen: Mit ungewöhnlichen Ideen haben zwei junge Unternehmer die Gastroszene in Frankfurt am Main aufgemischt

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Datum: 31.10.2023
Lesezeit: 10 Minuten
Die zwei Gründer von Elaine’s World am Tisch in ihrem Restaurant
Grüne Oase auf Beton: Guy L. Lamaye (Foto links) und Luel Mulugeta in ihrem Restaurant Elaine’s Greenhouse

Vor dem Eingang stehen Männer in blauen Anzügen und nippen an ihrem Espresso, drinnen sitzen junge Paare und Mütter mit Kindern auf weißen Stühlen an weißen Tischen vor ihren Bowls oder knabbern an einem Bagel. Im Hintergrund surrt eine Saftpresse, untermalt vom Beat elektronischer Musik.

Elaine’s Deli am Mittag. Leise geht es hier nicht zu, aber lebendig, was auch daran liegt, dass die Inhaber viele Gäste persönlich begrüßen. „Ich kenne die Leute, die zu uns kommen, und die freuen sich, wenn man schon weiß, wie sie ihren Kaffee in der Regel trinken und ob er besonders stark sein muss“, sagt Guy L. Lamaye.

Zusammen mit Luel Mulugeta eröffnete der Frankfurter 2016 Elaine’s Deli. Zu der Zeit hätten die damals 25-jährigen Studienabbrecher nicht mal davon geträumt, dass sie 2023 sechs Läden mit 100 Angestellten betreiben würden. „Heute kommen viele zu uns und sagen: ‚Top-Location hier, ist bestimmt ein Selbstgänger‘, aber so einfach war es nicht“, erzählt Lamaye.

Viel Grün, viel Glas: Das Restaurant Elaine’s Greenhouse in der Frankfurter Innenstadt empfängt die Besucher:innen mit opulenten Pflanzen und einer asiatisch angehauchten französischen Bistro-Küche

Das Lokal liegt im Erdgeschoss des Taunusturms, eines 170 Meter hohen Bürogebäudes in der Frankfurter Innenstadt, in dem Unternehmen wie JP Morgan und McKinsey ihren Sitz haben. Deren Mitarbeiter:innen nehmen zwar gern mal einen Kaffee oder einen Snack mit auf dem Weg nach oben ins Büro, aber allein mit den Businessleuten hätte sich das Geschäft für die Neueinsteiger nicht gerechnet. Nur: Andere Passant:innen blieben damals fern. „Die dachten: Da kann ich nur reingehen, wenn ich im Turm arbeite“, so Lamaye, „wir haben das Lokal für ein breites Publikum geöffnet, bequeme Sitzmöbel auf die Terrasse gestellt, auch mal DJs engagiert und ein ungezwungenes Ambiente geschaffen.“

Und so modern wie die Einrichtung ist auch das kulinarische Angebot, das zwar nicht explizit vegetarisch ausgerichtet ist, mit seinen Bowls, Salaten und Suppen jedoch viel Wert auf nachhaltig erzeugte Zutaten legt. 

Wo das Geld sitzt: Gastro-Gründer Guy L. Lamaye (Foto rechts) und sein Geschäftspartner eröffneten fünf ihrer Läden im Bankenviertel, so auch das Café Elaine’s Room in der Neckarstraße

Die erste Kaffeemaschine ist geliehen

An manchen Tagen versammeln sich bis zu 3000 Besucher:innen auf der Terrasse, wenn das Elaine’s zum Afterwork-Nachmittag mit DJ-Musik ruft. Dass die Öffnung für junge Gäst:innen zum Erfolg führen würde, daran haben damals nur sie selbst geglaubt. „Wir mussten die erste Kaffeemaschine von unserem Gesparten kaufen“, sagt Mulugeta, „Ne“, korrigiert sein Partner Lamaye, „selbst die haben wir erst mal geliehen. Niemand wollte uns einen Kredit geben, wir waren ja komplette Neulinge in der Gastroszene.“

„Wir waren jung und naiv“, ergänzt Mulugeta mit einem breiten Grinsen, „aber dafür von morgens bis abends im Laden. So haben wir eine Bindung zu den Gästen aufgebaut, die uns noch heute begleiten.“

Wir wollen schöne Orte schaffen und dort Gastgebertum pflegen

Guy L. Lamaye, Inhaber von Elaine’s World

Elaine’s World – das ist die Geschichte von zwei Selfmade-Men, die in wenigen Jahren die Gastroszene in Frankfurt am Main aufgemischt haben. Und die ist so divers wie das Viertel, in dem die zwei Hessen ihr Unternehmen starteten. Nicht weit entfernt von den Bankentürmen liegt das Rotlicht- und Ausgehquartier, wo elegant gekleidete Businessleute schon mal auf Obdachlose und Drogenabhängige treffen. Und wo das kulinarische Spektrum von karibisch bis eritreisch und japanisch so breit gefächert ist, dass Tourist:innen die Gegend aufsuchen, um authentische Speisen aus vielen Nationen zu genießen.

Frankfurt kulinarisch, das ist aber auch ein dauerndes Wechselspiel von ganz oben und sehr bodenständig. Nicht weit vom Bankenviertel entfernt liegt die „Freßgass“ mit ihren Wirtshäusern, die einheimische Spezialitäten wie Apfelwein, Grüne Soße (zu Kartoffeln) oder die klassischen Frankfurter Würstchen servieren. Und auf der anderen Seite ragt Mainhattan in den Himmel mit seinen Panorama-Restaurants wie zum Beispiel dem „Franziska“ im Henninger Turm (tolle Aussicht auf die Skyline) oder dem „Seven Swans“, einem mit Michelin-Stern ausgezeichneten veganen Restaurant.

„Die Gegensätze in unserer Nachbarschaft sind extrem, im Bankenviertel prallen wie in keinem anderen Stadtteil die unterschiedlichsten Lebensrealitäten aufeinander wir möchten diese mit unseren Gastronomiekonzepten vereinen“, sagt Mulugeta. Der Sohn äthiopischer Einwanderer lebt seit seiner Kindheit in Hessen, sein Partner Lamaye hat französische Wurzeln. Und beide wollen das besondere Frankfurt-Gefühl, wie sie es nennen, diese bunte Vielfalt der Kulturen, auch mit ihrem Business verknüpfen. So sind sie stolz darauf, Mitarbeiter:innen aus 40 Nationen angestellt zu haben. Diversität, das wird schnell klar, sobald man einen ihrer Läden betritt, ist bei ihnen kein Werbeslogan. Sie ist Basis ihres Geschäfts.

Zeichensprache: Beide Gründer tragen Elaine’s Logo als Tattoo auf ihren Armen

Doch bis zum Erfolg mussten sie ein paar Hürden überwinden. Zweimal begannen die Freunde, die im hessischen Langen zur Schule gingen, ein Studium, um es wenig später abzubrechen. Während sie beobachteten, wie Kommiliton:innen Praktika absolvierten, kam ihnen eine Idee. Viele mussten zum Einstand und zum Ausstand etwas vom Bäcker mitbringen. „Für sie haben wir Pakete mit Cookies und Cup-Cakes zusammengestellt und ausgeliefert“, erinnert sich Mulugeta.

Da das Liefergeschäft schlecht planbar war, begann er mit seinem Geschäftspartner nach einem Laden zu suchen. Von einem Kunden erfuhren sie, dass dieser das Lokal im Taunusturm aufgeben wollte. Die beiden sahen ihre Chance – und mieteten die Räume an.

Einen Markt in der Nische finden

Das erste Lokal, Elaine’s Deli, wird zur Blaupause für ihren künftigen Erfolg. Aus einer unentdeckten Fläche ein blühendes Geschäft machen, einen Markt in der Nische finden – das soll den Gastro-Gründern weitere fünf Male gelingen. Und all ihre Läden tragen den Namen und das dazu entworfene Konterfei von Elaine.

Der Name ist eine Anlehnung an die New Yorker Künstlerin Elaine Sturtevant, die am Ort des Delis Jahre zuvor eine Ausstellung eröffnete. Zudem war sie eine Freundin von einem der Mitbetreiber des Taunusturms. Der beobachtete, wie erfolgreich sich das Deli entwickelte und fragte die beiden Gastronomen, ob sie den unbebauten Junghof an der Junghofstraße in Frankfurt beleben könnten.

Frisch und gesund: Im Angebot von Elaine’s Deli (Foto links) finden sich viele vegetarische Gerichte wie zum Beispiel ein Sandwich mit Bio-Sauerteig-Brot (rechts)

Was den Junggastronomen vorschwebte, war ein Restaurant, das mit dem Thema „grün“ spielte. Die Sommer in Frankfurt sind heiß, da passte die Idee von einer grünen Oase auf Beton. Zusammen mit einem Architekturbüro entwickelten sie einen verglasten Bau, der wie ein Gewächshaus mit üppigen Pflanzen bestückt ist und trotz der Innenhof-Lage genug natürliches Licht empfängt. Nicht nur das räumliche Konzept wurde sofort angenommen, auch die französische Bistro-Küche mit asiatischer Note (zum Beispiel Miso-Lachs mit Pak-Choi-Gemüse) fand auf Anhieb viele Kund:innen. In diesem Jahr kürte das Stadtmagazin „Journal Frankfurt“ das Greenhouse zum besten Lunchlokal der Stadt.

Auch Rapper gehören zu den Stammgästen

Es war nicht das einzige Lokal, das die Gründer in dieser Zeit umtrieb. Immer mehr Projektentwickler kamen auf sie zu und hofften auf den Dornröschen-Effekt für brachliegende Flächen. Nach und nach eröffnete das Duo neue Läden unter dem Signum Elaine, verwandelte einen ungenutzten Raum in der Neckarstraße in die Espressobar „Elaine’s Room“, es folgten die Kaffee- und Snackbar „Elaine’s Takeaway“, die (Event-)Bar „Me, You & the Benjamins“ sowie das Kronjuwel in der Kette der Betriebe: das Fine-Dining-Lokal „Elaine’s Restaurant“ im Hotel The Flag im schicken Frankfurter Westend.

Liebt schöne Dinge und Orte: Luel Mulugeta (Foto links) trägt selbst gern Schmuck, sein Fine-Dining-Restaurant im Hotel The Flag präsentiert sich dagegen dezent elegant

Was alle sechs Locations miteinander verbindet? „Wir haben schöne Orte erschaffen, an denen sich alle frei und willkommen fühlen sollen“, sagt Mulugeta. „Man kann an vielen Plätzen lecker essen und tolle Weine trinken. Aber die persönliche Ansprache, das Wissen, man wird wiedererkannt, egal, ob mit einem Anzug oder casual gekleidet, das macht den Unterschied aus.“

Fünf ihrer Lokale befinden sich im Bankenviertel, doch den Inhabern ist es gelungen, die steife Businesswelt des Viertels mit dem Charme urbaner Weltläufigkeit aufzuladen. Und dabei sogar eine Prise Subkultur einzubringen.

So gehören Rapper:innen wie Reezy, Haftbefehl oder Loredana zu den Stammgäst:innen. Mit ihren Afterwork-Partys ziehen sie Musiker:innen und Fans von House- und Elektronik-Musik an. Die essen auch im Greenhouse und im höherpreisigen Restaurant, wo Erlesenes wie Steinbutt mit Cornflakes und gegrilltem Pfirsich oder Huhn mit Wasabi und gepickeltem Ingwer serviert wird.

Viel Laufkundschaft: Elaine’s Takeaway bietet eine große Auswahl an Snacks und Salaten bis hin zum Champagner. Ab und zu veranstaltet das Abholrestaurant auch Weinproben

Fine Dining trifft urbane Kultur

Elaine’s World steht damit auch für die Verbindung junger, urbaner Kultur mit der Welt des Fine Dining. So wie in Berlin zum Beispiel das Restaurant The Doc Ngo. In Frankfurt findet man zwar keine Graffitis an den Wänden, doch hier wie da gewinnt man mit einer erstklassigen Küche im legeren Umfeld junge Kund:innen. „Meine Generation hat ein hohes Qualitätsbewusstsein und ist bereit, mehr Geld für Kulinarik und Entertainment auszugeben“, beobachtet Mulugeta, der noch einen anderen Grund für die Nachfrage sieht. „Das Bedürfnis nach Markenästhetik und Luxus und die Lust, sich selbst zu feiern, gilt eben auch beim Thema Essen.“

Klein und fein: Die Espressobar Elaine’s Room ist in einem denkmalgeschützten Raum in den Neckarvillen im Bankenviertel untergebracht. Geheimtipp dort sind die Nussecken

Über seinem weißen Shirt baumelt eine Goldkette mit einem Ring, der das Logo – das Gesicht von Elaine – als Prägung zeigt. Das Konterfei der Glücksbringerin haben sich beide auf den Arm tätowieren lassen. Die Botschaft ist klar: Wir sind Elaine’s World. So ist es keine Seltenheit, dass die Inhaber bis heute selbst am Tresen stehen, im Restaurant Wein nachschenken und sich bei Gäst:innen erkundigen, wie zufrieden sie sind.

12 Stunden habe ihr Arbeitstag, mindestens, und wenn sie Freizeit haben, verbringen sie auch die gemeinsam. Im Stadion von Eintracht Frankfurt oder im Fitnessclub. Von Work-Life-Balance wollen die 32-Jährigen nichts hören. „Wir sind an sieben Tagen der Woche in allen Läden“, sagt Mulugeta. „Ich weiß, wie kitschig das klingt, aber für uns ist es nicht Arbeit, es ist unser Leben.“

Sechs in einer Welt

Elaine‘s World ist eine Kette von sechs unterschiedlichen Gastro-Betrieben in der Frankfurter Innenstadt. Ausgehend von Elaine’s Deli am Taunustor lassen sich drei Läden fußläufig erreichen. Dazu zählen Elaine’s Takeaway (Marienstraße 8), die Espressobar Elaine’s Room (Neckarstraße) und die Bar You, Me & The Benjamins (Mainzer Landstraße 1). Vom Hauptbahnhof sind es gut zehn Minuten zu Fuß bis zum Taunustor; das Restaurant Elaine’s Greenhouse (Junghofstraße 26) sowie Elaine’s Restaurant im Westend (Bockenheimer Landstraße 38) erreicht man ab Hbf per S-Bahn in zehn Minuten.

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