Zimmer mit grünem Ausblick

Immer mehr Hotels erkennen den Wert eines naturnahen Gartens und schaffen Outdoor-Oasen. Warum das so ist und welche Hotels in und um Deutschland gerade so richtig aufblühen

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Datum: 06.04.2023
Lesezeit: 8 Minuten
Ein Holzhaus im Garten, umgeben von Birken (links), ein See mit Steg (rechts)
© Gernot Nalbach, Hauke Dressler
Entspannung: Das sogenannte Wohlfühlhaus des Seehotels am Neuklostersee bietet Massagen und andere Verwöhnprogramme (Bild links); wenige Schritte entfernt führt der hoteleigene Steg in den See (Bild rechts)

Der schönste Raum des Seehotels am Neuklostersee ist einer ohne Wände: der Garten. Eine Allee aus Birken führt zu seinem Eingang, hinter hohen Hecken laden Tische und Stühle zum Ausruhen ein. Und wer sich in die entlegenste Ecke des Areals verläuft, findet im Schilf des Seeufers ein Himmelbett. Vom Kaffee im Strandkorb bis zum Abendessen unter Obstbäumen – alles hier signalisiert den Besucher:innen: Dein Leben sollte draußen stattfinden!

Immer mehr Hotels stecken viel Zeit und Mühe in die Gestaltung naturnaher Gärten. Diese sind quasi der neue Infinitypool – nicht nur, weil sie genauso fotogen sind. „Grünflächen sind nicht länger Beiwerk, sondern ein Raum für sich, in dem sich der Gast bewusst aufhält“, sagt der Landschaftsökologe Christian Baumgartner, der an der FH Graubünden „Nachhaltige Entwicklung im Tourismus“ lehrt. „Die Natur rückt näher ans Hotel heran.“ 

Nicht zuletzt bringt das wachsende Bewusstsein für den Klimawandel und das Artensterben neue Spielarten des Hotelgartens hervor. Natur wird so gestaltet, dass nicht nur der Mensch etwas davon hat. Naschgärten und Wildblumenwiesen locken Insekten und Vögel an. Kräuter- und Gemüsebeete versorgen die hauseigene Gastronomie mit. Nebenbei spendet eine üppige Vegetation Schatten, speichert CO₂ und sichert Böden gegen Erosion.

Die Natur fordert nichts, sie hat keinen Terminkalender

Anja Kirig, Zukunftsforscherin im Bereich Tourismus und Reise

Grün tut gut – das fühlt man nicht nur, das ist auch messbar: Puls und Blutdruck sinken in grüner Umgebung, Stresshormone werden abgebaut. Das erkläre auch die wachsende Sehnsucht nach Naturerlebnissen, sagt die Zukunftsforscherin Anja Kirig. Sie beschäftigt sich mit Trends vor allem in den Bereichen Tourismus und Reise. „Wir leben in einer komplexen, schnelllebigen Welt, die tagtäglich viel von uns fordert“, sagt sie. „Die Natur aber fordert nichts, sie hat keinen Terminkalender.“

Noch vor 250 Jahren flanierte nur der Adel in Gärten, wobei Gartenkunst nicht dem Erleben von Natur, sondern deren Zähmung diente – bis heute zu erkennen etwa im Versailler Schlosspark mit seinen streng geometrischen Parterres, künstlichen Grotten und Bassins. Seitdem hat sich das Konzept des Gartens vielfach gewandelt. In der Romantik bekamen viele barocke Parks künstlich-wilde Looks verpasst, schließlich wurde der Garten zum Spielplatz des Bürgertums und schrumpfte umso mehr, je größer und besiedelter die Städte wurden. Bis sich Formate wie der Kleingarten ausprägten, der in Pandemie-Zeiten einen neuerlichen Boom erlebt hat. Oder, ebenfalls zeitgemäß: Urban Gardening auf Brachen und sogar Verkehrsinseln.

Die Sehnsucht nach feuchter Erde und summenden Insekten ist Symptom eines Trends, den Kirig „Resonanztourismus“ nennt. Dahinter steht das Bedürfnis der Reisenden, mit ihrem Urlaubsort in eine persönliche Beziehung zu treten: „Früher ging es darum, sich dort kurzfristig zu erholen – Batterien aufzuladen und zurück in den Alltag“, so Kirig, „heute wollen wir nachhaltig erfahren und aus einem Urlaub nicht nur erholt, sondern mit einem Mehrwert zurückkehren.“ Und was könnte mehr Wert haben als Bilder, Düfte, Klänge und andere Sinneseindrücke, die man aus einem mit Bedacht angelegten Garten mitnimmt?

 

Tipps für Hotelgärten

1. Seehotel am Neuklostersee

© Gernot Nalbach
Füße hoch! Wie diese Liegesitze auf der Terrasse, bietet das Wohlfühlhaus auch in seinem Inneren Entspannung, etwa durch Massagen und Bäder

Monet verehrte Seerosen, van Gogh huldigte den Sonnenblumen: Die großen Maler ließen sich gern von Gärten inspirieren. Das Seehotel am Neuklostersee empfängt in einer Szenerie wie aus Max Liebermanns Werken. Dahinter steckt das Architektenpaar Johanne und Gernot Nalbach. Sie übernahmen in den Neunzigern den alten „Birkenhof“ und ergänzten das Gutsgelände behutsam um einige neue Elemente, darunter das Wohlfühlhaus für Massagen und andere Verwöhnprogramme. „Und wie auf Liebermanns ‚Birkenallee‘ haben wir unsere Birken auch mitten auf den Weg gepflanzt“, erzählt Johanne Nalbach. 

Mit den jungen Bäumen lebt aber nicht nur der Name des ehemaligen Bauernhofs weiter. Ein Pomologe entdeckte zwischen Restaurantterrasse und Seeufer 26 verschiedene Apfelbaumsorten – die ebenso erhalten blieben wie die uralten Pappeln und Weiden. Auch die Brennnesseln neben dem Schafsgehege dürfen bis heute wachsen, wie sie wollen. „Sie sehen etwas unordentlich aus, aber ihretwegen haben wir wundervolle Schmetterlinge im Garten“, so Nalbach. Kein Zweifel: Monet und seine Impressionisten-Kolleg:innen hätten ihre Freude gehabt.

Ort: Zurow, Mecklenburg-Vorpommern
Nächstgelegene Bahnhöfe: Wismar, Blankenberg (Mecklenburg); von dort jeweils mit dem Bus
Landschaft: Sternberger Seenlandschaft
Gartentyp: zwischen Bauerngarten und Freilichtmuseum
Besonderheit: ein eigener Zugang zum See

 

2. Hotel Scheunenwirtin auf der Ostalb

© Matthias Haupt
Ein Landhaus nur für sich: das Ferienhaus „KitzLein“ bietet Platz für bis zu 12 Personen (links). Kräuterküche: Wirtin Renate Lieb kocht gern mit Zutaten aus dem Garten (rechts)

Im Hotel Scheunenwirtin ist vieles noch beim Alten – und genau damit ist Besitzerin Renate Lieb auf der Höhe der Zeit. Auf dem ausgedehnten Hofgut, seit Jahrhunderten in Familienbesitz, pflegt sie bewusst bäuerliche Traditionen und Techniken. Und sie will vermitteln, wie man im Rhythmus der Jahreszeiten lebt, wie man Hof- und Nutztieren mit Respekt begegnet – und Brote backt, die zu den besten in der Region zählen. 

Ein wenig modernisiert hat Lieb den Bauernhof ihrer Familie natürlich schon – und damit ein Paradies für Landlustige geschaffen. Vier restaurierte Holzhäuser mit Platz für je bis zu zwölf Personen liegen eingebettet zwischen Streuobstwiese, Feuerstelle, Gemüsebeet und Kräutergarten. Im alten Kuhstall und in der Scheune werden Hochzeiten und Geburtstage gefeiert. Statt gestutzter Rasenkanten säumen Löwenzahn und Klee die Wege, ein Bienenvolk hat hier sein Zuhause gefunden, ebenso Hühner alter Rassen, die der Scheunenwirtin um die Beine staksen, wenn sie Salatpflanzen setzt oder Rosmarin erntet. Einiges aus dem Nutzgarten verwendet Lieb im Hofrestaurant. Für ihre Bioküche frischt sie gern die Rezepte ihrer Großmutter auf, gekocht wird nur mit saisonalen und regionalen Produkten – und häufig am offenen Feuer. Ganz wie früher.

Ort: Bartholomä, Baden-Württemberg
Nächstgelegene Bahnhöfe: Aalen, Mögglingen; vor dort jeweils mit dem Bus
Landschaft: malerische Ostalb
Gartentyp: kulinarisch – von Streuobstwiese bis Kräutergarten
Besonderheit: Bauernhof wie zu alten Zeiten

 

3. Hotel Daniel in Wien

© Hotel Daniel Vienna
Camping inmitten von Wien: Dieser Trailer steht im Vorgarten des Hotels Daniel

Er glänzt, als wäre er fabrikneu, dabei ist der Silver Streak Clipper 70 Jahre alt. Der Wohnwagen parkt im Zentrum der österreichischen Hauptstadt, neben einer sechsspurigen Straße, und gehört zum Hotel Daniel. Dessen Direktor Dieter Bischoff hat selbst in dem Trailer Probe geschlafen, sein Fazit: „Für ein bis zwei Nächte ist es schön gemütlich.“ Den vorbeirauschenden Verkehr kann man allerdings trotz Schalldämmung nicht ausschalten. In seinen Ohren aber habe das Motorbrummen wie Meeresrauschen geklungen, schwärmt Bischoff, und durch die Dachluke sieht man mit Glück die Sterne.

Rund um den Trailer wachsen Tomaten, Wein und Kräuter. Die Mitarbeitenden des Hotels kümmern sich darum, gießen, zupfen Unkraut, doch „nicht jeder kann das von einer Nutzpflanze unterscheiden“, so Bischoff mild. Regelmäßig kommt daher ein Gärtner und sät Samen für neues Biogemüse aus. Um alle Gäste damit zu verköstigen, reiche die Ernte nicht, sagt Bischoff. Aber der Garten solle ja auch vor allem ein Signal für mehr Grün in der Stadt sein.

Ort: Wien, Österreich 
Nächstgelegener Bahnhof: Wien Hauptbahnhof, von dort nur 10 Minuten Fußweg
Landschaft: Hauptstadtkulisse 
Gartentyp: Urban Gardening
Besonderheit: ein Airstream-Wohnwagen zum Übernachten im Vorgarten

 

4. 48° Nord im Elsass

© Florent Michel, Luo Studio
Ungewöhnliche Unterkunft: die „Hyttes“ auf einem wilden Hang im Elsass (Bild links). Landschaftsarchitekt Emil Leroy-Jönsson entwarf das Hotel, den Garten lässt er von Landwirt Guillaume Legrand betreuen (Bild rechts)

Wie überdimensionierte Kisten stehen diese „Hyttes“ am Hang eines Naturschutzgebiets im Elsass. Der Landschaftsarchitekt Emil Leroy-Jönsson ließ sich dafür von Hütten inspirieren, die sich typischerweise in Norwegen und Schweden an Berghängen verstecken. Vor etwa 15 Jahren übernachtete er in einer davon, lernte so die Nähe zur Wildnis schätzen. Die möchte er den Gästen des 48° Nord näherbringen – auf zivilisierte und komfortable Weise. Die Hütten aus Kastanienholz stehen auf Stelzen, unter ihnen und drum herum sprießen Gras und Wildkräuter. „Wir Landschaftsarchitekten versuchen, möglichst wenig zu gärtnern. Wir wollen die Natur eher leiten und die Biodiversität fördern.“

Einmal im Jahr lässt Leroy-Jönsson allerdings die Bäume beschneiden, damit der Hang nicht zuwuchert – das wäre ein Problem für geschützte Fledermäuse, die hier leben. „Sie jagen am Übergang zwischen der Lichtung und dem angrenzenden Wald, deshalb müssen wir hier eingreifen.“

Ort: Breitenbach, Frankreich 
Nächstgelegener Bahnhof: Sélestat bei Straßburg, von dort mit dem Rufbus
Landschaft: Ausläufer der Vogesen 
Gartentyp: wilde Waldlichtung
Besonderheit: Wohnen in ökologischen Tiny Houses

 

5. Schloss Wartegg am Bodensee

© kurzschuss photography gmbh/Damian Imhof
Herausragend: Schloss Wartegg ist von einem Parkgelände umringt

Wie es sich für so ein herrschaftliches Gebäude gehört, umgibt Schloss Wartegg ein riesiger Park. Im vergangenen Jahrhundert flanierte die letzte österreichische Kaiserin Zita entlang von Wasserläufen und über Wiesen hinunter zum Bodensee. Heute ist die Anlage für alle zugänglich. Ihr eigentliches Herz ist nicht etwa einer der majestätischen Mammutbäume oder ein prächtiger Rosengarten, den es durchaus gibt. Es ist der Gemüsegarten – ein Biotop vegetabiler Raritäten, ein Freilichtmuseum auf 2500 Quadratmetern.

Als Biohotel zieht Schloss Wartegg vor allem alte und seltene, teils gefährdete Pflanzen, zum Beispiel eine wilde Artischockenart namens Kardy, und süßlich schmeckende Haferwurzeln. Die Chefköche Simon Romer und Thorsten Reichertz kredenzen damit im hauseigenen Drei-Sterne-Restaurant saisonal wechselnde Gerichte. Sogar Pfeffer ernten sie dafür im Garten: Die roten Kugeln des pikanten Szechuanpfeffers können sie bequem vom Strauch pflücken.

Ort: Rorschacherberg, Schweiz
Nächstgelegener Bahnhof: S-Bahnhof Staad bei St. Gallen, von dort ca. 2 Kilometer Fußweg
Landschaft: Schlosspark am Bodensee
Gartentyp: Englischer Landschaftsgarten
Besonderheit: 2500 m² Gemüsegarten für eine Sterneküche

 

6. Theiner’s Biogarten bei Meran

© Emi Massmer Emotions
Hotelier und Landwirt: Ingo Theiner führt sowohl das Hotel (Bild links) als auch den Biohof nebenan, auf dem er unter anderem Äpfel erntet (Bild rechts)

Der Begriff Garten ist für das Biohotel „theiner’s garten“ eigentlich verniedlichend, denn es umfasst sogar einen Bio-Bauernhof. Gäste können dort unter Apfelbäumen, Zwetschgen, Marillen, Birnen, Pfirsichen, aber auch exotischen Sorten wie Indianer-Bananen spazieren. „Manche gehen auch joggen“, sagt Gastgeber Ingo Theiner. Auf dem Hoteldach sprießen zudem Tomaten, Zucchini, Auberginen, Rucola, Spinat und Kräuter, die in der Küche verarbeitet werden. „Es ist unglaublich, was man auf 100 Quadratmetern ernten kann“, sagt Theiner. Je nach Saison landet das Obst und Gemüse direkt auf dem Tisch.

Die Idee für das Hotel entwickelten Ingo Theiners Eltern, Walter und Myriam Theiner, als sie selbst auf Reisen waren. Die beiden führten in den 1980er-Jahren einen biologischen Handel und waren dafür viel unterwegs. Nachhaltige Hotels fanden sie damals nicht – also beschlossen sie, gemeinsam mit ihren Kindern Armin, Heike und Ingo, selbst eines zu eröffnen. Das Konzept der nachhaltigen Landwirtschaft übertrugen sie dabei auf die Hotellerie.

Es gehe ums „Ganzheitliche“, erklärt Theiner: „Damit es der Pflanze gut geht und sie langfristig Ertrag bringt, muss auch der Boden gut sein. Das kann man auf uns Menschen anwenden: Wenn es der Seele gut geht, haben wir langfristig Erfolg.“ Erholung bieten etwa eine Biosauna im Garten, die nach Rosmarin, Zitronenmelisse und Thymian duftet, und ein anschließendes Bad im Pool, mit Blick auf die Südtiroler Berge.

Ort: Gargazon, Südtirol, Italien 
Nächstgelegener Bahnhof: Gargazon bei Bozen, von dort zwei Haltestellen mit dem Bus oder 20 Minuten zu Fuß 
Landschaft: Alpen
Gartentyp: Obstwiesen und mediterraner Garten
Besonderheit: Biologischer Hof

 

7. Biohotel Sturm in der Rhön

© Julius Schulze Dieckhoff
Oase im Hotelgarten: der Naturbadeteich des Biohotels Sturm ist bis zu 3,80 Meter tief

Terrassentür auf, ein paar Schritte durchs weiche Gras, dann ein Sprung in den Schwimmteich: „Das fühlt sich noch besser an als eine Dusche. Die Haut ist danach richtig schön weich“, sagt Inhaber Matthias Schulze Dieckhoff. Genau wie die Gäste erfrische sich auch das Team des Biohotels Sturm gern im Naturbadeteich, berichtet er. Das Wasser wird durch zwei Bachläufe und Pumpen ständig umgewälzt und ist dadurch selbst im Hochsommer angenehm kühl.

Die eigens angestellte Bio-Gärtnerin und der Bio-Landwirt versorgen Seerosen sowie Schilf und Wasserminze am Ufer. Libellen fliegen umher, Frösche quaken, „im Sommer veranstalten sie ein richtiges Froschkonzert“, sagt Schulze Dieckhoff. Seit 2022 bietet ein Neubau nun Doppelzimmer mit einer privaten Terrasse, von der aus man den Teich und die Frösche überblicken kann. 

In einem Naschgarten wachsen Erd-, Brom- und Stachelbeeren, an den Bäumen Äpfel, Birnen und Pfirsiche. Pflücken jederzeit erlaubt! Wer Tipps für den eigenen Garten oder Balkon daheim haben möchte, kann von Juni bis Oktober mit der Bio-Gärtnerin eine Führung durch den Hotelgarten unternehmen.

Ort: Mellrichstadt, Franken
Nächstgelegener Bahnhof: Mellrichstadt, von dort ca. 20 Minuten zu Fuß
Landschaft: Mittelgebirge
Gartentyp: Parkähnliche Anlage
Besonderheit: Schwimmteich

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