Reisen in Zeiten des Klimawandels: Das steht im nachhaltigen Stadtführer

Ein grüner, digitaler Reiseführer mit Orten, die größtenteils unbekannt und schwer zu finden sind – auch, um unterschätzte Stadtteile aufzuwerten: Das ist die Vision der Erfinder des Ecohoppers

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Datum: 22.11.2023
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Mann schaut aufs Smartphone, im Hintergrund der Kölner Dom
© Getty Images
Smartphone statt Stadtplan: Die App Ecohopper verspricht Geheimtipps für nachhaltige Orte in Köln

Ein Restaurant für ägyptisches Streetfood, eine vegane Eisdiele, ein Öko-Baumarkt, ein Spielplatz und eine Siebdruckmanufaktur: klingt ja spannend. Wie kommt man da nur hin? All diese Orte findet man beim Scrollen in der App Ecohopper in Köln. Rote Marker für die einzelnen Punkte bedecken die Stadtkarte – insgesamt sind es rund 600 nachhaltige Orte, die das Start-up-Team zusammengetragen hat. Seit dem Sommer 2021 gibt es die App für Köln und mittlerweile auch für über zehn andere Städte in Deutschland.

Wir möchten der grüne Tripadvisor sein

Olivér Szabó, Ecohopper-Gründer

Nachhaltigkeit ist dabei nur ein Ansatz. Ein weiteres Ziel ist, Orte in Nebenstraßen abzubilden. „Wir wollen die Plattform sein, mit der man Unbekanntes findet“, sagt Olivér Szabó (45), Gründer und Ideengeber des Ecohoppers. Und dabei denkt er groß, sehr groß sogar: „Wir möchten der grüne Tripadvisor sein.“ Zur Einordnung: Die US-Firma Tripadvisor gilt als weltweit größter Anbieter von Reise-Bewertungen, mit mehreren hundert Millionen Nutzer:innen im Monat.

Ein digitaler, grüner Reiseführer, der verschiedene Orte einer Stadt abbildet – von Imbiss über Manufakturen bis hin zu Grünflächen – existiert in Deutschland bislang tatsächlich noch nicht. Zwar gibt es Apps und Webseiten, die jeweils Tipps etwa für vegane Restaurants oder nachhaltige Unterkünfte listen. Aber ein umfassender, nachhaltiger Reiseführer? Fehlanzeige. Das drang auch bis zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis vor, der den Ecohopper 2023 für den Bereich Touristik nominiert hat – ein schöner Erfolg, auch, wenn das Kölner Team es nicht in die Endrunde schaffte.

© EcoHopper
Das Team des Ecohoppers: Judith Frericks (ganz links, Event und Social Media Marketing), Natalia Taranta (PR, Marketing und Kommunikation), Olivér Szabó (Gründer) und Ralph Dickerhof (Presse und Medien)

Gründungsgeschichte: Vom Stadtspaziergang zur App

Anfangs ging Szabó selbst durch Kölns Straßen und suchte grüne Orte abseits der bekannten Veedel (kölsch für: Stadtviertel). Rund eineinhalb Jahre habe er sich Zeit genommen, erzählt er.

Um zu beschreiben, wie er zu der Idee kam, muss er ausholen: Während des Studiums arbeitete er nebenher bei einer Eventlocation in Köln und stieg dort später bis zum Prokuristen auf. Über die Jahre fiel ihm auf, dass im Herbst immer mehr und heftigere Stürme tobten, zum Beispiel flog einmal ein Vorzelt weg, sagt er, Äste stürzten hinab. Und die Saison für Beachvolleyball, für das die Eventlocation Plätze anbot, ging aufgrund der wärmeren Temperaturen nicht mehr nur bis Mitte September, sondern bis Mitte Oktober.

„Mir wurde klar: Der Klimawandel ist längst hier“, sagt Szabó. Und: „Du musst etwas machen.“ Er hat drei Kinder, sagt er, und möchte sich nicht selbst vorwerfen, dass er nicht gehandelt hätte.

Also kündigte er – und gründete eine eigene Agentur mit Fokus auf nachhaltige Veranstaltungen. Außerdem bot er in Kölns Veedeln kostenlose Führungen zu nachhaltigen Orten an. „Aber das war zu klein“, sagt er. Manchmal seien nur fünf Leute gekommen. So kam er auf die Idee zu der App. In einem Kölner Co-Working-Space lernte er den Datenanalysten Marcel Graus kennen und erzählte ihm davon. Graus stieg ein und baute die App technisch auf.

Kriterien für die Orte im Ecohopper

Szabós Heimat Köln war die erste Stadt, die im Ecohopper erschlossen wurde. Mittlerweile ist die App auch für Berlin, München, Hamburg, Freiburg, Stuttgart, Leipzig, Bonn, Dortmund, Düsseldorf und Essen verfügbar; weitere Städte sind in Planung. Darunter auch einigeaußerhalb von Deutschland, wie Kopenhagen und Amsterdam. In jeder Stadt stellen Menschen vor Ort, die in der nachhaltigen Szene vernetzt sind und sich auskennen, den digitalen Reiseführer zusammen.

Wenn wir eins nicht wollen, ist es Greenwashing

Judith Frericks, Ecohopper-Mitarbeiterin

In Köln überprüft mittlerweile Judith Frericks (24) die Einträge. Sie schaut beispielsweise, ob die Öffnungszeiten der kuratierten Orte noch aktuell sind, ob sie die Kriterien des Ecohoppers weiterhin erfüllen, und sie behält im Blick, was neu eröffnet hat und womöglich im Ecohopper ergänzt werden kann. Das entscheide sie aber nicht allein, sondern gemeinsam mit einer Kollegin. Manchmal schaue auch Szabó am Ende nochmal. Sie spricht aus, was viele Branchen mittlerweile umtreibt: „Wenn wir eins nicht wollen, ist es Greenwashing.“

© privat
Sozialer Betrieb: Das Café „Wo ist Tom?“ schafft Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung

Für die Orte, die in den Ecohopper aufgenommen werden, gibt es deshalb feste Kriterien. „Das Wichtigste ist der Zweck des Unternehmens, der muss nachhaltig sein. Das haben wir auch mit Prozentangaben festgelegt“, erklärt Judith Frericks. 

Werden zum Beispiel Lebensmittel verkauft, müssen diese zu mindestens 80 Prozent Bio und ökologisch sein. Second-Hand muss zu mindestens 90 Prozent das Angebot eines Geschäfts ausmachen. Lokales Handwerk wird ebenfalls berücksichtigt, zum Beispiel Töpfereien. Und auch soziales Engagement. Beispielsweise gibt es in Köln das Café „Wo ist Tom?“, das Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung schafft.

Hinzu kommen Orte und Projekte, die Upcycling oder das Leihen und Tauschen von Gegenständen anbieten, wie Repair Cafés. Es sollen damit „konsumfreie“ Räume gezeigt werden, sagt Frericks, in denen es um Alternativen zum herkömmlichen Shoppen geht. In einem Eventkalender sieht man beispielsweise, wann und wo Kleidertauschpartys stattfinden, oder eine Pflanzen-Tauschbörse. 

Frericks ergänzt, dass zu den konsumfreien Orten auch Urban-Gardening-Projekte, Spielplätze und öffentliche Sportplätze zählen – durch die man in der Stadt zumindest ein wenig in der Natur sein kann.

In Nebenstraßen die Stadt neu kennenlernen

Hauptberuflich arbeitet Frericks als Veranstaltungskauffrau im Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn, den Ecohopper unterstützt sie als Nebenjob. Und profitiert davon auch privat, sagt sie: „Ich bin erst vor zwei Jahren nach Köln gezogen und habe die Stadt so auf meine Art kennengelernt. Ohne den Ecohopper wäre ich wahrscheinlich in vielen Veedeln noch nicht gewesen, weil man natürlich Vorurteile hat oder nicht genau weiß, was man dort überhaupt findet.“ So seien Kalk und Mülheim zwei Kölner Stadtteile, die viele unterschätzen.

© Paula Gierhardt
Fertigt im Kölner Atelier Leuchten aus Holz: das Unternehmen Gofurnit

Genau das ist auch ein Ziel des Ecohoppers, sagt Gründer Szabó: Orte aufzuwerten, die in strukturell schwächeren Stadtteilen liegen. Und dazu anzuregen, in Nebenstraßen zu gehen. Egal, ob während einer Reise als Tourist:in – oder als Einheimische:r.

Geld verdiene er mit dem Ecohopper bislang nicht, sagt Szabó. Die Entwicklung hat er durch Förderungen und Sponsorings und durch ein Ecohopping-Festival in Köln gestemmt. Als Nächstes plant er nun, weitere Sponsor:innen oder auch Investor:innen zu finden. Für ihn ist es ein Herzensprojekt, sein persönlicher Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel – und eine Inspiration für andere, mit kleinen Veränderungen Städte nachhaltiger zu erkunden.

Judith Frericks’ Lieblingsorte im Kölner Ecohopper
Rund 600 Adressen sind im Ecohopper für Köln gelistet – sie sollen sowohl Einheimische als auch Tourist:innen inspirieren, Köln auf nachhaltige Weise zu erkunden und unbekannte Orte zu entdecken. 

In der App gibt es zudem Rallyes durch Köln, die als vorgefertigte Routen durch die Veedel führen und dabei Hintergründe vermitteln. Auf Anfrage bietet Ecohopper-Gründer Olivér Szabó außerdem Führungen zu Kölns nachhaltigen Orten an (E-Mail-Kontakt auf der Webseite des Ecohoppers).

Eine kleine, kuratierte Auswahl an Tipps für nachhaltige Orte in Köln hat Judith Frericks mit DB MOBIL geteilt. Sie mag besonders gern vegane Restaurants und handwerkliche Betriebe.

Café „Wo ist Tom?“
Der Verein Lebenshilfe Köln schafft mit dem Café „Wo ist Tom?“ Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Es gibt zum Beispiel Frühstück, Pfannkuchen, Quesadillas und eine wechselnde Wochenkarte sowie hausgemachte Kuchen.

Bunte Burger
Bunt steht für biologisch, unkonventionell, nachhaltig, tierfrei. Nach diesem Prinzip bietet das Restaurant Bunte Burger in Ehrenfeld vegane Burger mit hausgemachten Patties an. Nach Möglichkeit stammen die Zutaten aus der Region. 

Stadtwaldholz
Möbel aus Holz, das fast vor der Haustür wächst: Das ist das Prinzip von Stadtwaldholz. Das Holz suchen die Architektin Sabine Röser und der Tischler Wilfried Nißing im Kölner Forst aus, wenn die Stämme im Winter gefällt werden. Gefertigt wird nach Maß und in Handarbeit, von Gartenbänken bis zu Küchen. Im Showroom kann man sich eine Auswahl ansehen.

Gofurnit
Aus Holzfurnierstreifen werden im Kölner Atelier Gofurnit von einem Designer und zwei Tischlern Leuchten per Hand gefertigt. Im Showroom kann man sie sowie Gegenstände, die andere Kölner Künster:innen herstellen, anschauen und kaufen, genauso wie im Online-Shop. Das Holz ist FSC-zertifiziert.

Econativ
Ein baubiologischer Baumarkt: Econativ bietet Produkte an, mit denen man sein Zuhause klimafreundlich sanieren, renovieren und modernisieren kann. Zum Beispiel Naturfarben für Wände, Naturdämmstoffe und Putz aus Lehm. Das Team rund um Gründer Thomas Steinke berät auf Wunsch im Laden und auch vor Ort. 

Dankebitte
Brot ohne Konservierungsstoffe und stattdessen aus natürlichen Zutaten in Bio-Qualität: Dafür bietet Dankebitte Brotmischungen zum Selberbacken an. Hergestellt werden sie von Gründerin Andrea Hadrian und ihrem Lebenspartner Marc Materne in einer Manufaktur in Köln, kaufen kann man sie im Online-Shop.

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