Zug Richtung Zukunft

Die mobile Gesellschaft ist mehr und mehr auf den ÖPNV angewiesen. Wie muss ein Zug gebaut sein, um komfortabel möglichst viele Fahr­gäste zu befördern? Das erprobt die DB mit ausgeklügelten Designstudien

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Man kennt das: Morgens und abends sind die S-Bahnen voller als tagsüber. In den Zügen der Zukunft soll es trotzdem nicht mehr eng werden – dank flexibler Sitz- und Stehlandschaften sowie anderer raffinierter Innovationen, mit denen das Platzangebot an das jeweilige Fahrgastaufkommen in Haupt- und Nebenverkehrszeiten angepasst werden kann. Vor Kurzem hat DB Regio, die Nahverkehrstochter der Deutschen Bahn, mit dem IdeenzugCity gezeigt, wie die S-Bahnen von morgen aussehen können: mit Sitzplätzen, die sich ein- und ausfahren oder ineinanderschieben lassen, und umlaufenden LEDs im und am Zug, die Liniennummer und Richtung sowie Wagen­auslastung anzeigen. Großflächige LED-Folien signalisieren, wo Platz für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwagen ist. Allerdings: In den Bahnhöfen wird der Zug so bald nicht auftauchen, er hat nicht einmal Räder. Es handelt sich um ein lebensgroßes Modell eines S-Bahn-Mittelwagens.

2017 hatte DB Regio den Ideenzug der ersten Generation vorgestellt. Von außen ein normaler Doppelstockwagen für den Regionalverkehr, innen fantasievoll bestückt mit Schlafkojen, Sportecke, Kinder- und Familienbereich. Für die einzelnen Module gab es viel positives Feedback. Wie entstand das damalige Modell? Projektleiter Philipp Kühn erklärt die Idee: „Wir haben uns gefragt: Wie kann man die bis zu zwei Stunden, die Pendler jeden Tag in unseren Zügen verbringen, so gestalten, dass die Zeit nicht verloren ist?“ Das Ziel: eine offene Entwicklungsplattform zu bieten, um darüber mit Fahrgästen und Nahverkehrsunternehmen zu diskutieren.

Der neue IdeenzugCity folgt hingegen einer anderen Logik, denn S-Bahnen erfüllen andere Aufgaben als Regionalzüge. Die Reisezeiten sind kürzer, die Auslastung variiert stark – in Stoßzeiten sind die Bahnen oft voller, in Nebenverkehrszeiten dagegen häufig fast leer. Ein Ausbau der Infrastruktur aber dauert Jahrzehnte und kann daher nicht einziger Lösungsansatz sein. Wie also befördert man schon jetzt mehr Menschen von A nach B? „Am einfachsten wäre es, wenn die Züge ausschließlich Stehplätze hätten – aber dann würde wohl niemand Bahn fahren wollen“, sagt Kühn.

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Der IdeenzugCity stellt eine S-Bahn der Zukunft dar

Es müssen also S-Bahn-Konzepte her, die eine Anpassung über den Tag ermöglichen – und einschneidender sind als die für den Regionalverkehr. Für den IdeenzugCity wurden daher zwei Modi entwickelt: für hohen Komfort und für größtmögliche Kapazität. Ein Beispiel: Im Komfortmodus besteht der Universal Train, eines der Module, aus mehreren Sitzgruppen. Zur Stoßzeit schiebt ein unsichtbarer Mechanismus einen Teil der Sitze zu einer Stehstütze in der Mitte der Bahn zusammen, der Rest wird an den Seitenwänden eingeklappt. Dadurch bietet der Bereich Platz für bis zu 40 Prozent mehr Reisende. Ein anderes Modul, FlexSitze, besteht aus zwei Vierersitzgruppen neben dem Einstieg. Im Kapazitätsmodus verschwindet der Sitz am Gang. So entsteht an der Tür ein Trichter, durch den der Fahrgaststrom schneller seitlich abfließt und so Gedränge verhindert.

Neben dem IdeenzugCity hat die DB kürzlich auch für den IdeenzugRegio von 2017 neue Module präsentiert. Ein WC mit separatem Urinal, Wickeltisch und Waschbecken zum Beispiel, um die Hygieneeinrichtungen im Zug zu verbessern, und klappbare Bänke für einen leichteren Fahrradtransport.

Gute Ausstattung, prima. Umso besser, wenn der Zug pünktlich und zuverlässig fährt. Auch hier setzt der IdeenzugCity an: Basis ist eine effizientere Fahrgastlenkung durch Licht und Displays im Innen- und Außenbereich des Zuges. Hinzu kommen kontaktlose Öffner für die Türen und ein breiter Einstieg, um den Fahrgastfluss zu optimieren. Ob es wirklich funktioniert, wird nun mit Testpersonen live am und im Modell getestet.

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Module aus dem IdeenzugRegio werden Ende 2022 im Betrieb erprobt

Bis das Gros der Ideen umgesetzt wird, wird es dennoch dauern: Die Module sind noch nicht serien- und schienenreif und auch bisher ohne Zulassung. Außerdem entscheiden nicht die Nahverkehrsunternehmen, wie ihre Züge aussehen, sondern Bundesländer und Verkehrsverbünde. Sie müssen die Features in Ausschreibungen für neue Züge aufnehmen, die so erst nach und nach damit ausgestattet werden können.

Auf dem Weg dahin sind die immobilen Testzüge unverzichtbar. „Durch Entwürfe auf Papier verändert sich noch nichts im Kopf“, sagt Kühn. „Man muss die Konzepte einmal als Modelle aufbauen, um die Möglichkeiten realistisch aufzuzeigen.“ Wie sie in der Praxis funktionieren, zeigen bald erste Pilotprojekte: Die Innenausstattung neuer S-Bahnen in Stuttgart und München ist bereits teilweise vom Ideenzug inspiriert. Und die Südostbayernbahn testet 2022 Module aus dem Ideenzug­Regio. So sollen in einem Doppelstockwagen Bürokabinen und neue Entspannungssitze installiert werden. Und Kühn ist überzeugt, weitere Innovationen umsetzen zu können: „Die Zeichen stehen auf nachhaltige Mobilität, die Chance zu wachsen ist für den ÖPNV so groß wie nie. Und deshalb haben wir Entwickler gerade richtig Rückenwind.“

Wer die Ideenzüge virtuell begehen will, kann das unter ideenzug-event.de/virtual-tour/ideenzug-hub tun.

 

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