Wohin reisen wir, wenn es wieder möglich ist? (Teil 2)

An dieser Stelle schreiben abwechselnd Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim rund ums Unterwegssein mit Kindern (und Mann) – sofern das in diesen Zeiten möglich ist. Heute träumt Lisa Harmann von Reisen nach der Pandemie

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Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim

Neulich hat meine Freundin Katharina sich in dieser Kolumne Gedanken darüber gemacht, wohin sie nach Corona reisen würde. Dabei fiel mir auf, dass ich seit Monaten nur von einem Tag in den nächsten lebe, und dass ich bislang nicht eine Sekunde darüber nachgedacht habe, was danach sein könnte. Dabei geben uns genau solche Träume ja Kraft, Träume von der Zeit danach, von Normalität, vom Reisen.

Im ersten Lockdown war noch alles neu und wir wussten nicht, was uns erwartet. Wenn wir darauf zurückblicken, war das auch eine Art Reise . Eine ganz neue Situation, neue Gegebenheiten, Adrenalin.
Mittlerweile gehört der Ausnahmezustand jedoch schon fast zur Routine, es ist nicht mehr neu, die Länge der Zeit schlaucht. Und wie viele andere in meiner Umgebung sehne auch ich mich nach Abwechslung, die ganze Familie tut das. Ach, was wäre es schön, zu wissen, dass wir an Tag X wieder raus könnten, wieder reisen könnten, uns wieder raus ins Leben stürzen könnten.

Nachts liege ich derzeit oft wach und neulich habe ich in so einer Im-Bett-Wälz-Phase gedacht, dass sich nicht nur im Außen viel verändert hat, sondern auch im Inneren. Meine Wünsche verschieben sich.
Klar, ich würde vor allem gern mal wieder Arm in Arm mit Freunden tanzen, mal wieder auf einem Pferd über eine Wiese galoppieren. Früher war das irgendwie selbstverständlich, aber das alles geht halt so grad nicht mehr. Diese Wünsche bleiben. Was ich vor dem Lockdown mochte, werde ich auch danach zu schätzen wissen. Was sich aber wirklich verändert hat, ist meine Idee vom Reisen.

Ich träume nicht mehr von einem zweiwöchigen Urlaub, von einem einfachen Hin-und-weg. Im Moment ist die Erlebnissehnsucht so groß, dass ich am liebsten für ein ganzes Jahr in eine andere Stadt ziehen würde. Das wäre doch auch viel nachhaltiger, viel umweltfreundlicher. In dieser einen wachen Nacht kam mir Barcelona als Ziel in den Sinn.
Spanien. Lebensfreude, Straßencafés, Meer. Mal richtig abtauchen in diese Draußenkultur, sobald das wieder geht. Den Klang der spanischen Sprache in den Ohren, Churros, diese leckeren fettig-länglichen Gebäcke in Schokosauce tauchen, stundenlang Tapas essen bis die Sonne untergeht, neuen Menschen begegnen.

Nicht wild herumreisen und wieder abreisen, sondern mal wirklich in ein neues Lebensgefühl eintauchen, mit diesen Gedanken träume ich mich gerade gern in die Zeit, wenn die Pandemie nicht mehr unseren  Alltag bestimmt.  
Meiner Tochter, die im Sommer  in die Oberstufe kommt, geht es da lustigerweise ähnlich. Manchmal fällt der Apfel dann eben doch nicht weit vom Stamm. Sie würde gerne einen Schüleraustausch machen  – für sechs Monate. Natürlich lässt sich das pandemiebedingt gerade nicht wirklich gut planen, es ist ungewiss, ob das funktionieren kann, aber es geht hier ja gerade vor allem ums Träumen.

Sie stellt sich ein trubeliges Dorf in Lateinamerika vor, in dem sie zur Schule gehen und neue Freunde kennenlernen kann, während sie in eine ganz neue Lebenswirklichkeit abtauchen wird. Komplett anders als in Deutschland. Mit Schul-Uniform und einer anderen Sprache, weit weg von uns, die wir nun seit Monaten fast ihre einzigen Kontakte sind. Warum kleckern, wenn man auch vom Klotzen träumen darf 😉?

Auch unser zwölfjähriger Jüngster träumt groß – wenn auch er uns netterweise noch mitnehmen würde auf seinen Traumtrip. Er schaut mit seinem Zwillingsbruder (zwei Minuten älter) gern amerikanische Serien, darum erstaunt uns sein Wunsch schon kaum noch. Sie wünschen sich eine Rundreise durch Amerika, am liebsten  die ganzen Sommerferien lang. Mit Stationen in Los Angeles, New York, Miami, Chicago, Las Vegas und Boston. Er hat sogar schon Pläne gezeichnet, was er wann und wo sehen will und wie wir am besten von A nach B kommen. Wir waren noch nie mit den Kindern in den USA, aber seine Vorstellungen sind klar und deutlich.

Sein Bruder und der Papa sind da anspruchsloser. Der Bruder will unbedingt nochmal nach Dänemark. Wir waren vor ein paar Jahren mal da und hatten so tolles Wetter und eine kleine, total günstige Hütte am Strand – zwei Häuser weiter wohnte eine Familie, mit deren Sohn spielte er immer. Ach, und es gab eine Düne, von der man rutschen und auf der man so herrlich hüpfen konnte. Da mag er nochmal hin.

Der Papa träumt derweil von zwei Wochen Normandie in Frankreich. Aber bitte nicht mit uns allein, wie es sonst so oft in der Vergangenheit war, weil wir uns in den Ferien über exklusive Zeit zu fünft freuten. Dafür haben wir jetzt zu lang gemeinsam im Homeoffice und Homeschooling gesessen.

Nein, er träumt von einer Reise zusammen mit zwei befreundeten Familien, die Kinder im gleichen Alter haben. So hätten unsere Teenies eine gute Zeit zusammen – und wir dann gleich mit, weil wir mal wieder Input von anderen bekämen, uns mit anderen kaputtlachen könnten, den ganzen Alltagsdruck mal abschütteln und einfach zusammen sein könnten.

Nicht so weit weg von zu Hause, aber am Meer, mit „moules et frites“ und Abkühlung im Pool. Mit ein bisschen Kultur durch die Landungsstrände, aber eben auch mit viel Abschalten. Einfach mal raus aus allem, auf neue Gedanken kommen.

Und wenn ich mir das alles so ansehe, würde ich gern alles möglich machen. Das Jahr im Ausland, die Rundreise durch die USA, den Schüleraustausch und die zwei Wochen im Nachbarland mit anderen lieben Menschen. Wenn das doch nur irgendwann mal wieder möglich und planbar wäre. Bis dahin träumen wir uns einfach dahin – und baden uns in Vorfreude.

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