Ist es wichtig, mal nur mit einem Kind zu verreisen?

An dieser Stelle schreiben Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim abwechselnd rund ums Unterwegssein mit Kindern (und Mann). Heute fragt sich Katharina, ob es wichtig für Geschwisterkinder ist, dass sie sich im Urlaub auch mal wie Einzelkinder fühlen können

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Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim

Als ich mit unserem dritten Kind schwanger war, sagte ein Freund zu mir: „Im Fußball würde man sagen, jetzt wechselt ihr von Mann- auf Raumdeckung.“ Und weil mein Blick „Häää?“ rief, erklärte er es mir. In einer klassischen vierköpfigen Familie können die Eltern sich immer sehr gut aufteilen: Jeder nimmt ein Kind. Das hat – vor allem bei kleinen und müden Kindern, die zum Beispiel immer mal wieder getragen werden müssen – riesige Vorteile. Oder auch, wenn es mal Geschwisterzoff gibt: Dann kann sich je ein Elternteil ein Kind schnappen – und schon hat der Nachwuchs Exklusivzeit.

Doch das ändert sich fundamental mit Kind Nummer drei. Dieses „Du nimmst das eine, ich das andere“ funktioniert nicht mehr, ein Kind bleibt ja immer „übrig“. Was wiederum bei den Eltern schnell ein schlechtes Gewissen verursachen kann. Das Gefühl, nicht allen Kindern immer gerecht werden zu können, kennen wohl alle, die mehr als eines davon haben.

Ich weiß noch, wie ich im Wochenbett für unser zweites Kind bittere Tränen weinte, weil ich glaubte, die Große könnte sich nun weniger geliebt fühlen – weil ich eben nonstop mit dem Baby kuschelte. Und natürlich knallt uns auch jetzt regelmäßig eins der Kids ein „Das ist soooo unfair, nie habt ihr Zeit für mich, immer ist sie/er dran!“ um die Ohren. Autsch, das tut dann schon ein bisschen weh, denn ein Funken Wahrheit ist leider dran. Im Alltag mit mehreren Kindern hört sich das oft so an: „Wie war’s in der Schule? Habt ihr die Arbeit … Neeein, nicht auf den Schlüsseln rumkauen! Also, habt ihr die Arbeit zurück… Jaa, tolles Star-Wars-Schwert … Und wie ist die Arbeit ausgefallen? Ich hab doch gesagt, du sollst die Schlüssel aus dem Mund nehmen! Okay, bist du zufrieden mit deiner Note? Hörst du bitte auf, deinen Bruder mit Filzstift anzumalen? … Bitte entschuldige, was hast du über deine Note gesagt?“

Ich selbst bin mit vier Geschwistern aufgewachsen, hatte meine Eltern praktisch nie für mich allein. Als Kind habe ich mir oft gewünscht, ein Einzelkind zu sein, einfach weil ich es mir großartig vorstellte, die ganze Aufmerksamkeit meiner Eltern für mich zu haben. Das sehe ich heute anders – und doch weiß ich genau, wie gut sich die sehr seltene Exklusivzeit mit einem Elternteil anfühlte. Deshalb war es mir wichtig, dass auch meine Kinder regelmäßig einzeln mit meinem Mann oder mir Zeit verbringen. Im Alltag reicht es meist nur für einen Spaziergang zu zweit, bei dem man sich wirklich voll und ganz auf das Kind konzentrieren kann. Oder ein „Ausflug“ in die Autowaschanlage oder zum Wochenmarkt. Aber einmal im Jahr fahren wir Eltern mit nur einem Kind allein weg, übers Wochenende, immer im Wechsel.

Das ist dann Quality-Time komprimiert. Zeit, in der wir Dinge einfach mal erlauben, weil’s schön ist: das zweite Eis, die Kinderzeitung am Kiosk, das lange Aufbleiben mit Chips vor der Glotze. Wir schlafen eng aneinandergekuschelt in einem Bett, ich habe endlich die Zeit (und die Geduld!), mir alles über die Entwicklungsstufen von Pokémons oder den Cliquen-Knatsch in der Parallelklasse anzuhören. Wir erleben Dinge gemeinsam, die wir voll aufsaugen und über die nur wir zwei später lachen können.

Das tut den Kindern so gut – aber auch uns Eltern. Ich habe mich mehrmals dabei erwischt, wie ich mein Kind ansah und Seiten entdeckte, die ich lange nicht mehr wahrgenommen hatte. Die der Alltag einfach verschüttet hat oder für die ich selbst einfach blind geworden bin. Ich habe Geschichten gehört, die mich wirklich überrascht haben und die mich denken ließen: „Wow, wann ist der/die denn so groß geworden?“ Es sind Tage ohne Geschwisterzoff und Rivalität, sondern mit sehr, sehr viel guter Energie. Manchmal habe ich mich auch bei dem Gedanken ertappt, wie leicht alles ist, wenn man „nur“ ein Kind hat, weil man sich eben nicht ständig zerteilen muss.

Kurz: Diese Eltern-Kind-Tage sind Stationen zur Beziehungsaufladung. Wenn sie zu Ende gehen, bleiben da zwei Gefühle: ein bisschen Wehmut, weil wieder der Alltag vor der Tür steht – und Freude, weil wieder der Alltag mit den anderen Kindern vor der Tür steht. „Wärst du eigentlich gern ein Einzelkind?“, habe ich meinen Sohn nach unseren letzten Zweier-Tagen auf der Fahrt nach Hause gefragt und in der Erwartung seiner Antwort die Luft angehalten. „Nö, auf keinen Fall. Hätte ich ja keinen, den ich ärgern kann“, sagte er. Und als ich befreit auflachte, schob er schnell hinterher: „Aber unsere Wochenenden machen wir trotzdem weiterhin allein, ja?“ Da drückte ich seine Hand und sagte: „Das ist so was von versprochen!“

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