Fünf Gründerinnen, eine Mission: Die Welt verbessern!

Sie stellen Nahrungsmittel aus Mehlwürmern her, reformieren ganze Branchen, helfen Frauen in die finanzielle Unabhängigkeit. DB MOBIL stellt fünf Gründerinnen vor, die zum Vorbild taugen

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Datum: 01.03.2023
Lesezeit: 8 Minuten
© Lindera GmbH, THE CLIMATE CHOICE, Digital Neibor/Alina Neumann, PR

„DigitALL: Innovation and technology for gender equality“. So lautet das von der UN vergebene Motto des diesjährigen Internationalen Weltfrauentages am 8. März. Ein guter Anlass, um einen Blick hinter die Kulissen der Start-ups und Technikbranche zu werfen. Laut des Female Founder Monitors lag die Zahl von Gründerinnen in Deutschland im Jahr 2022 bei gerade einmal 20 Prozent – immerhin ein leichter Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. Zeit zu zeigen, was Gründerinnen alles auf dem Kasten haben. DB MOBIL sprach mit fünf von ihnen.

Raijana Schiemann rettet die Umwelt mit Wirbellosen
„Ein Wurm alleine fühlt sich nicht wohl“, erklärt die Biologin, während sie mit dem Taschenrechner nachrechnet, wie viele Würmer in ihrer Firma Inova-Protein zu Hause sind: Es sind mehrere Millionen. 2020 gründete die 29-Jährige gemeinsam mit Christian Baudisch und Ahmed Hussein das Unternehmen, das sich auf ein proteinreiches Lebens- und Futtermittel der Zukunft spezialisiert hat: den Mehlwurm.

Welchen Weg muss man einschlagen, um später einmal Wurmmehl oder Insektenöl herzustellen? „Wie die Dinge in der Natur funktionieren, hat mich schon immer fasziniert. Es laufen hochkomplexe Vorgänge ab. Und doch ist alles fragil.“ Nach dem Biologiestudium in Greifswald wuchs in Schiemann der Wunsch, ihr Wissen für den Menschen nutzbar zu machen. Nächste Station: Aquakultur-Master in Rostock. In dem kleinen wirtschaftlichen Studiengang fand sie sich als einzige Frau unter den zehn Studierenden. Eine Erfahrung, die sie zum Nachdenken über Feminismus anregte. „Ich hatte immer eine Extrastellung, obwohl das überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Es ging schließlich nur ums Lernen. Irgendwann habe ich gemerkt, es liegt nicht an mir, es liegt am System.“ Inova-Protein ist nicht nur ein Beitrag, den Planeten zu entlasten, sondern auch ein Versuch, dieses System zu durchbrechen – mit der Unterstützung von vielen Millionen Würmern.

© INOVA Protein
Auf den Wurm gekommen: Biologin Raijana Schiemann

Investorin Daria Saharova
Als sie 2001 aus Riga nach München kam, war Daria Saharova vor allem eines: verwirrt. Darüber, dass in Deutschland zu diesem Zeitpunkt kaum jemand über den 8. März sprach. In Riga sei das anders gewesen, dort bekämen schon kleine Mädchen am Weltfrauentag Blumensträuße überreicht, erzählt sie im Gespräch mit DB MOBIL.

Als Tochter einer Balletttänzerin wuchs Saharova buchstäblich hinter den Kulissen eines Theaters auf. Für sie und ihre Familie ein Zufluchtsort mitten in der harten post-sowjetischen Realität, in der man immer im „Survival-Modus“ gewesen sei.

Heute investiert sie als Mitgründerin von World Fund Millionen Euros in Climate-Tech und damit beispielsweise in hochkomplexe Technologien wie Quantencomputer, Fertigungssatelliten im Weltall oder nachhaltige Batterien. Ihre Bühne ist der Verhandlungstisch, an dem sie die ungleiche Behandlung zwischen Frauen und Männern oft frustriert. „Es ist eine Welt, in der Männer anhand ihres Potenzials und Frauen anhand von Erfahrungen bewertet werden. Das Vertrauen in das weibliche Können fällt geringer aus.“ Umso wichtiger sei es, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Durch das Feiern des Weltfrauentages.

Und durch sich selbst: „Die Unterschiede sind nun mal da. Entweder ich ignoriere sie oder ich spreche offen darüber mit Arbeitskolleg:innen, mit meinem Umfeld. Für manche ist es ein nerviges ‚feministisches Getue‘. Dann nerve ich diese Leute halt, aber ich möchte auf Probleme aufmerksam machen. Aufmerksamkeit ist der erste Schritt in Richtung Veränderung.“

© PR
Investorin Daria Saharova

Diana Heinrichs bringt die Digitalisierung in die Gesundheitsbranche
„Wir müssen in Deutschland verstehen, dass die Gesundheitsbranche einer der wenigen Bereiche ist, der digital noch nicht besetzt ist. Und das ist eine Jahrhundertchance“, sagt Diana Heinrichs, CEO und CO-Gründerin von Lindera. Sie und ihr Führungsteam, das aus sechs Frauen und einem Mann besteht, haben diese Chance genutzt. Durch die Entwicklung einer Sturzpräventionsapp leistet das Unternehmen einen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems. Die App erkennt mithilfe einer 3-D-Gangbildanalyse und eines Fragebogens Stolperfallen und gibt Tipps, wie man sie umgehen kann.

Anlass für die Idee war die eigene Oma, die vor Heinrichs’ Augen immer älter wurde: „Meine Mutter hat sich um die Pflege meiner Oma gekümmert trotz Vollzeitjob und einer geringen Rente meiner Großmutter. Das lief erstaunlicherweise sehr gut. Wir haben uns gefragt, warum funktioniert Pflege bei uns, wenn doch offensichtlich Millionen andere Menschen Probleme haben?“ Die Antwort auf die Frage war so simpel wie wirkungsvoll: „Über Jahre hinweg haben wir schlicht und einfach Stürze verhindert.“ Ob Bewegungsmelder am Boden, die richtige Einstellung des Rollators oder regelmäßige Seh- und Hörtests – es gab ein Potpourri voller Möglichkeiten, das Sturzrisiko zu verhindern.

Was im Kleinen mit Heinrichs’ Oma begann, erleichtert heute nicht nur Klinik- und Pflegeheimpersonal den Arbeitsalltag, es bewahrt auch Senior:innen davor, in ihren eigenen vier Wänden ins Stolpern zu geraten.
 

© Lindera GmbH
Diana Heinrichs, CEO von Lindera

Fempreneur mit Herzensprojekten: Karolina Decker 
In Millisekunden sprudeln aus Karolina Decker die Zahlen der Gender Pay Gap heraus. Damit ist der Unterschied zwischen Gehältern von Männern und Frauen gemeint. Die ziehen nämlich oft das kürzere Bruttogehalt. Im vergangenen Jahr haben Frauen in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. 

Als CEO von fin:marie setzt Decker sich für die finanzielle Aufklärung von Frauen ein. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen beim Geldanlegen zu beraten. Die Entwicklungen ihrer Kundinnen hätten ihr gezeigt, dass Frauen sehr erfolgreiche Anlegerinnen sein können. „Sie fühlen sich leider nur oft von Anbietern nicht abgeholt und haben Angst, falsche Entscheidungen zu treffen.“ Dabei sind sie in puncto Rendite, also dem Gesamtertrag einer Geldanlage, mit 24,11 Prozent sogar besser als Männer mit 23,5 Prozent, wie eine Studie der ING Deutschland aus dem Jahr 2019 belegt. 

Die Welt des Geldes ist ihr Zuhause, ihr einziges Herzensprojekt ist fin:marie aber nicht. Als Mitgründerin der NGO Schulgold nimmt sie sich eines Themas an, das oft zu kurz kommt: finanzielle Bildung für Kinder in Schulen. Und schließlich ist sie selbst auch noch Mama von drei Kindern. Ein Leben mit Familie und Fulltime-Job? Eine Achterbahnfahrt, die man nur mit viel Planung und viel Disziplin meistern könne.

Beim Mountainbikefahren schaltet die Familie ab. Anders als im Job ist Decker für den Geschmack ihres Sohnes allerdings ein bisschen zu langsam unterwegs: „Er sagt immer ,Mama, du lahme Ente. Du hast so ein gutes Fahrrad, du kannst das auch schneller.“ Sie könne eben doch nicht alles, sagt sie und lacht.

© Digital Neibor/Alina Neumann
Zahlenmeisterin und CEO: Karolina Decker von fin:marie

Positive Energie durch Lara Obst
Im Taekwondo gibt es eine Übung, die sich Brettertest nennt. Mit ordentlich Wumms muss man ein Brett zerschlagen oder zertreten. Lara Obst hat sie bestanden. Und das ist noch lange nicht alles, was sie kann.

Als Mitgründerin von The Climate Choice unterstützen sie und ihr Team Unternehmen, nachhaltiger zu werden. Konkret geht es mithilfe einer Softwareplattform den Lieferketten an den Kragen. Dabei ist die alles entscheidende Frage: Wo und wie kann CO₂ gemeinsam mit Lieferant:innen reduziert und eingespart werden?

Obst ist Expertin für den Klimawandel, kennt die Hintergründe im Detail und weiß: „Es braucht viel Arbeit, um Klimahoffnung zu haben. Aber hoffen kann man durchaus, denn die Lösungen sind da. Sie müssen nur umgesetzt werden.“ Also packt sie es an. Manchmal könne es sein, dass man mit guten Ideen auf Granit stößt. In der Business-Welt sei nun mal nicht alles immer rosig, aber auch nicht alles ein geschlechterspezifisches Problem: „Ich empfinde einen Wandel des Entrepreneurships, in dem es viel um intrinsische Motivation geht. Man muss vor allem für eine Idee brennen. Erfolge oder Misserfolge, Lob oder Kritik, gute oder nicht so gute Ideen hängen dabei nicht in erster Linie vom Geschlecht ab. Es geht darum, authentisch zu sein. Unabhängig davon, ob ich eine Frau oder ein Mann bin.“
Sie schafft das. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass sie beim Netzwerken weniger strategisch vorgeht, sondern vielmehr menschlich: „Da bin ich eher die Person, die am Buffet steht und sich unterhält und nicht immer sofort zu den ,wichtigsten‘ Menschen hinrennt.“ Trotzdem ist ihr klar, dass Netzwerke für jede Führungskraft extrem wichtig sind, und organisiert deshalb selbst Frauen-Leadership-Gruppen über WhatsApp: „Wenn man erst mal weibliche Gründerinnen zum Netzwerken sucht, dann findet man sie auch.“

Die wilden Zeiten seien übrigens vorbei. Lara Obst geht es in ihrer Freizeit mittlerweile ruhiger an. In einem Auslandssemester in Neu-Delhi lernte sie ihre Vorliebe für Yoga kennen. Eine morgendliche Yogaroutine hat nun den Brettertest ersetzt. 

© THE CLIMATE CHOICE
Lara Obst, Mitgründerin von The Climate Choice

Mit der Strategie „Women@DB” will die DB noch weiblicher werden. Unter anderem sollen 30 Prozent der Führungspositionen künftig mit Frauen besetzt werden. Weitere Infos zum Thema Frauen in Führungspositionen finden Sie unter https://fairsharewl.org/de/.

 

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