Gutes Gold: Schmuck aus fairem Handel

Designer Jan Spille und einige Mitstreiter:innen kämpfen für sauberen Glanz: mit fair gehandeltem Gold. Zu Besuch in einer der nachhaltigsten Schmieden Deutschlands

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Datum: 09.02.2023
Lesezeit: 10 Minuten
Jan Spille sitzt in seiner Hamburger Werkstatt
Kampf für sauberes Gold: Jan Spille verwendet in seiner Werkstatt fair gehandelte Materialien

Nur ihre roten Haare und ihre Stirn ragen über die Tischplatte, eine weiße Lampe strahlt von oben herab. Die Goldschmiedin Anna Mikulski sitzt auf einem Hocker und beugt sich über einen Ring, in den sie einen Edelstein einsetzen möchte. Mit einer Feile feilt sie rundherum, sie schmirgelt mit Schleifpapier und zieht einen Mikromotor samt Schlauch, der von der Decke hängt, zu sich heran. Auf ihm steckt ein Fräser. Sanft fährt sie mitten in den Ring, um ein Loch zu erzeugen. Es klingt wie beim Zahnarzt.
Mikulski umsorgt in der Werkstatt von „Jan Spille Schmuck“ ein Edelmetall, das die Menschheit seit Jahrtausenden begehrt. König:innen schmückten ihre Paläste damit, die alten Ägypter:innen opferten es Göttern und Göttinnen. Heute verlieben sich Menschen in Schmuckstücke aus Gold, sie schließen es als Barren in einen Tresor, verleiben es sich als dekadente Zierde auf Pralinen ein oder symbolisieren damit ihre Ehe. Doch was äußerlich glänzt, hat meistens einen schmutzigen Weg hinter sich, samt Ausbeutung und Umweltzerstörung.

Schmuckstück: das Atelier von Jan Spille in Hamburg-Altona

Während bei Kaffee, Kakao und Bananen immer mehr Deutsche zu Fairtrade-Produkten greifen, achten bei Gold nur wenige darauf. Von 2017 bis 2021 hat der Umsatz von Fairtrade-Gold in Deutschland sich zwar mehr als versechsfacht, allerdings auf nur knapp 284.000 Euro. Hinzu kommt fair abgebautes Gold des Fairmined-Siegels, das ähnliche Standards wie Fairtrade vorschreibt.

Trauringe sind das Symbol für die Liebe. Dazu passt konventionelles Gold und die damit verbundene soziale Ausbeutung, Kinderarbeit und Umweltzerstörung überhaupt nicht

Jan Spille, Goldschmied

Die Siegel Fairtrade und Fairmined existieren seit 2012. Schon vorher, seit 2003, kämpfte der Hamburger Goldschmied Jan Spille für fair gehandeltes Gold. „Niemand hat sich damals für das Thema interessiert“, erinnert er sich. Er selbst hat sich erstmals während seiner Ausbildung gefragt, woher das Material stammt, das er verarbeitet. Er protestierte damals gegen Atommüll, und: „Ich war Vegetarier, bin aus Klimaschutzgründen nicht geflogen. Ich hatte eindeutige soziale und ökologische Werte.“ Diesen Werten folgend, begann er in Zeitungen zum Abbau von Gold zu recherchieren, er traf Vertreter:innen von NGOs und startete verschiedene Kampagnen für Fairtrade Gold. Heute ist sein Terminkalender voller Beratungsgespräche über Trauringe, die seine Mitarbeiter:innen in der Werkstatt per Hand fertigen. Er sagt: „Trauringe sind das Symbol für die Liebe, und vielleicht möchte das Ehepaar später Kinder bekommen. Dazu passen konventionelles Gold und die damit verbundene soziale Ausbeutung, Kinderarbeit und Umweltzerstörung überhaupt nicht.“

Im hochgekrempelten blauen Hemd, weißen Sneakern und mit nach oben stehendem, schwarz-grauem Haar wartet der 47-Jährige zwischen Schmuckvitrinen in seinem Laden, während Anna Mikulski wenige Schritte entfernt an der Werkbank hämmert. Seine Fußspitzen zeigen leicht nach außen. Er schaut auf seine Armbanduhr. Gleich zwölf Uhr. In wenigen Augenblicken wird ein Paar kommen, um seine hier gefertigten Trauringe anzuprobieren. Sie werden mit ihnen bald vor dem Altar stehen, sie vielleicht tragen, während sie Pizza backen, Blumen einpflanzen, möglicherweise ihr erstes Kind im Arm halten – wahrscheinlich ein Leben lang.

Faires Gold als Nischenphänomen

Handgeschmiedet: In der Werkstatt von Jan Spille gießt eine Mitarbeiterin einen Ring (Bild rechts). Später wird er mit Bohraufsätzen, Fräsern und Polierbürsten bearbeitet (Bild links)

Tausende Kilometer weiter weg steigen Menschen unter die Erde oder graben in ihr, um Goldbröckchen zu finden. „Da sind Menschen, die auf eigene Faust im Boden nach Gold buddeln, und Kinder, die mit anpacken müssen. Dann das Quecksilber, das mit dem Gold vermischt wird. Beides wird über der offenen Flamme verbrannt, sodass alle drum herum den Dampf einatmen“, erzählt Florian Harkort mit tiefer, überraschend besonnener Stimme am Telefon. So wie Jan Spille der erste Fairtrade-zertifizierte Goldschmied in Deutschland ist, ist Harkort mit dem Unternehmen „Fairever“ der erste zertifizierte Händler. Von seinem Büro in Leipzig aus beliefert er rund 500 Goldschmiede und Juweliere. Faires Gold sei noch immer ein Nischenphänomen, bestätigt er. „Der Marktanteil von fair gehandeltem Gold liegt vielleicht bei 0,1 Prozent. Das ist quasi nur mit der Lupe erkennbar.“
Auch er musste diesen Markt erst finden – und stieß nur durch Zufall darauf. Seine eben geschilderten Eindrücke der Goldschürfcamps stammen aus dem Jahr 2008. Damals hatte er gerade sein Studium in Agrarökonomie abgeschlossen und flogt für seinen ersten Job als Entwicklungshelfer nach Äthiopien. Dort sollte er sich mit der Lebensmittelwertschöpfungskette auseinandersetzen. In seiner Freizeit reiste er durch das Land – und sah „rechts und links neben den Straßen“ Goldschürfcamps. Er war derart schockiert, dass ihn die Bilder nicht mehr losgelassen haben.

Der Marktanteil von fair gehandeltem Gold liegt vielleicht bei 0,1 Prozent

Florian Harkort, Goldhändler

Quecksilber ist hochgiftig. Viele Goldsucher:innen nutzen es dennoch, um das Gold vom Erz zu lösen. Kurzfristig sind die Folgen für die Gesundheit nicht spürbar. „Doch das Quecksilber macht die Menschen über die Jahre hinweg kaputt“, sagt Harkort. Über die Lunge gelangt es ins Blut, von dort ins Gehirn, es frisst sich in Leber und Nieren. Schleichend entwickeln sich Kopfschmerzen, manche können nicht schlafen, andere hören schlechter, zittern, im schlimmsten Fall sterben sie. Die Menschen vor Ort wissen meistens nicht, dass das Quecksilber schuld daran ist, und selbst wenn, kennen sie oft keine Alternativen, so Harkort: „Sie brauchen das Gold, um sich Essen leisten zu können.“

Wahre Schätze: Jan Spille zeigt Goldnuggets, die mit Kies vermischt sind

Laut der Alliance for Responsible Mining (ARM), die den Fairmined-Standard herausgibt, verschafft ein Kilogramm Gold 50 Minenarbeiter:innen im Kleinbergbau Arbeit für ein Jahr. Insgesamt, schätzt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), arbeiten weltweit 20 Millionen Menschen im Gold-Kleinbergbau. Zählt man ihre Familien hinzu und diejenigen, die indirekt ihren Lebensunterhalt damit verdienen, sind etwa 100 Millionen Menschen vom Kleinbergbau abhängig – mehr, als in Deutschland leben.

Der konventionelle Goldabbau schädigt Mensch und Umwelt
Florian Harkort und eine seiner Mitarbeiterinnen reisen etwa jedes halbe Jahr zu Bergbaukollektiven. „Wir wollen uns mit eigenen Augen davon überzeugen, dass ein Fortschritt wahrnehmbar ist“, sagt er. Die zertifizierten Goldschürfer:innen erhalten einen fairen Lohn und Schutzkleidung, Kinderarbeit ist verboten. Außerdem zahlen die Organisationen von Fairtrade und Fairmined an die Bergbaukollektive Prämien, mit denen diese etwa den Bau von Krankenhäusern oder Schulen finanzieren. 
Hinzu kommt der Umweltschutz. Circa 100.000 Tonnen Quecksilber werden laut Fairtrade jedes Jahr in den Amazonas gekippt, weiteres landet in Seen und im Boden. Es vergiftet Trinkwasser und Fische. Umweltfreundlicher ist es, Gold an Flüssen aus den oberen Erdschichten zu waschen; es also dort auszugraben und mit Waschschüsseln und Waschrinnen von den anderen Sedimenten zu trennen. Das funktioniert aber nur, wenn das Gold groß genug ist. Ist es zu fein, rieselt es durch. Dann braucht es Quecksilber. Um die Umwelt möglichst zu schonen, sollte es jedoch zumindest im Kreislauf geführt und nicht in die Natur entsorgt werden, so schreiben es die Standards von Fairtrade und Fairmined vor.

An der Werkbank arbeitet Jan Spille nur noch selten. Stattdessen berät er Kund:innen zu fairem Gold – und fair gehandelten Edelsteinen

Es klingelt an der Ladentür von Jan Spille. Chiara und Arne (ihre Nachnamen möchten sie nicht nennen, Anm. der Redaktion) warten davor. Jan Spille bittet sie auf das niedrige, braune Vintage-Sofa. Arne greift nach Chiaras Hand. Vor etwa vier Wochen haben sie Farbe, Material, Oberfläche und Form ihrer Trauringe ausgesucht. In knapp fünf Monaten werden sie heiraten und sie sich gegenseitig anstecken. Jan Spille nimmt auf einem Hocker ihnen gegenüber Platz und stellt eine schwarze Schachtel auf den Tisch. Chiara und Arne verfolgen, wie Spille erst eine äußere Hülle abnimmt, danach an die Seite der Schachtel fasst und den Deckel öffnet: „Tataaa!“. „Oooooh“, entfährt es Chiara. „Schön“, sagt Arne, und Chiara meint: „Noch schöner, als ich sie mir vorgestellt habe.“ Arne nimmt die beiden kupferfarbenen Ringe heraus. Den kleineren reicht er Chiara, den anderen schiebt er auf seinen Ringfinger. Beide strecken ihre Finger aus, krümmen sie wieder, halten die Hand hoch und lächeln ihrem Ring zu. Die beiden werden etwa 15 Prozent mehr für ihre Fairtrade-Ringe bezahlen, aber das ist es ihnen wert. „Warum sollte man zu einem herkömmlichen Juwelier gehen, wenn man mit seinem Trauring auch Gutes tun kann?“, sagt Arne. Die Ringe passen ihnen.

Warum recyceltes Gold keine alleinige Lösung bietet

Aus aller Welt nach Hamburg: Auf einer Weltkarte an der Wand ist vermerkt, woher Gold und Edelsteine stammen

Sucht man im Internet nach nachhaltigem Schmuck, findet man neben fair gehandeltem Gold auch Marken, die auf recyceltes setzen. Auch Spille bietet es an. Für Harkort hingegen greift Recycling als Lösung zu kurz: „Recycling deckt nur etwa ein Viertel der weltweiten Nachfrage nach Gold ab. Der Rest muss nach wie vor neu abgebaut werden.“ Zudem sei der Recycling-Trend nicht neu: Da Gold derart wertvoll ist, wird es seit je wiederverwendet und nicht einfach weggeschmissen.
Dennoch sind Fairtrade und Fairmined auch für Harkort nicht die einzige Lösung gegen Missstände im Goldbergbau. Einige Goldschürfer:innen können es sich schlicht nicht leisten, einen Antrag zu stellen. Die Ansprüche sind hoch, für manche zu hoch. Die Arbeiter:innen müssen sich beispielsweise zunächst zu einem Kollektiv zusammenschließen, Schutzkleidung kaufen, alle Arbeitsprozesse dokumentieren. Das kostet Zeit und Geld. Harkort und auch Spille besuchen deshalb jedes Jahr Goldschürfer:innen, die noch nicht zertifiziert sind, tauschen sich mit ihnen aus und kaufen ihnen Gold ab.

Geordnet: In Spilles Werkstatt ist alles beschriftet und sortiert, zum Beispiel die Schmelzschalen im Regal (Bild links). Funkelnd: handgeschmiedeter Ring (Bild rechts)

Unter Glaskästen, auf weißen Sockeln, funkeln in Jan Spilles Atelier die Ringe. In Gelbgold, Kupfer, Silber oder gestreift, manche matt, manche glänzend. Zwar liegen in einer Vitrine auch Ketten und Armbänder, doch Trauringe machen das Hauptgeschäft von Jan Spille aus. Wer will, kann sich Edelsteine auf sie setzen lassen, von der Goldschmiedin Anna Mikulski – und genau diese Edelsteine sind die nächste Mission von Jan Spille. Er hätte gern, dass ein fairer Standard für Edelsteine entsteht.

Gold erleben in Deutschland

Ateliers

Jan Spille Schmuck
Im Hamburger Stadtteil Altona bietet Jan Spille nach Terminabsprache Beratung zu Ringen und Schmuck an. Jedes Schmuckstück fertigt sein Team nach individuellen Wünschen per Hand. Neben Fairtrade und Fairmined führt Spille auch Gold, das in der Elbe gewonnen wurde, sowie recyceltes Gold.
https://www.janspille.de/

Grüngold Meistergoldschmiede
In der Tübinger Werkstatt entsteht seit 2013 Schmuck, der mit Edelsteinen verziert wird. Dabei achten die Mitarbeitenden nicht nur auf fairen Handel, sondern auch auf Klimaneutralität. Im Onlineshop gibt es eine Auswahl zu kaufen, zudem berät das Team zu individuellen Schmuckstücken.
https://www.gruengold.net/

Goldaffairs
Ketten, Armbänder, Ohrschmuck und Ringe, die aus fair gehandeltem Gold gefertigt sind, glänzen in dem Karlsruher Geschäft. Das Sortiment ist auch online bestellbar, und auf Wunsch werden ebenfalls individuelle Stücke gefertigt. Die Schmuckdesignerin Wiebke Goos gründete Goldaffairs 2011 und führt es mittlerweile gemeinsam mit ihrem Mann Jan Goos.
https://www.galerie-goldaffairs.de/

Aurhen ecofair
In den 90er-Jahren arbeitete Jutta Werling-Durejka als Geografin an der Universität La Paz in Bolivien und besuchte dabei einige Minen. Seither engagiert sie sich für fairen Schmuck und verkauft ihn in ihrem Atelier in Überlingen am Bodensee. Ihr Sohn hat das Geschäft mittlerweile um ökofaire Perlen aus Tahiti ergänzt.
https://aurhen.de/

 

Museen

Deutsches Goldmuseum
Die Geschichte, Geologie und Gewinnung von Gold in Thüringen, Deutschland und aller Welt macht das Goldmuseum in Schalkau erlebbar. Kinder und Erwachsene können das Goldwaschen hier auch selbst ausprobieren. Von April bis November täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet, außerhalb der Saison auf Anfrage.
http://www.goldmuseum.de/museum/museum.htm

Goldbergbaumuseum Goldkronach
Rund um den oberfränkischen Ort Goldkronach wurde einst Gold abgebaut. Über die Blütezeit im 14. und 15. Jahrhundert und die letzten Versuche im 20. Jahrhundert informiert das Museum. Von April bis November an Sonn- und Feiertagen von 13.00 bis 17.00 Uhr geöffnet, außerdem auf Anfrage.
https://goldbergbaumuseum.de/museumsgarten/

Vogtländisches Goldmuseum und Naturalienkabinett
Sven Kreher ist leidenschaftlicher Goldsucher. Um seine Faszination zu teilen, eröffnete er gemeinsam mit seiner Frau in seinem Haus ein Museum. Funde aus dem Vogtland, ganz Deutschland und aller Welt lassen sich hier bestaunen. Von Mai bis September bietet das Museum zudem Goldwaschvorführungen und Goldwaschlehrgänge in der Göltzsch an. Geöffnet nach Vereinbarung.
http://www.vogtlandgold.de/

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