Müssen wir den Kulturgeschmack der Kinder akzeptieren (und sie unseren)?

An dieser Stelle schreiben Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim abwechselnd über das Leben und Unterwegssein mit Kindern (und Mann). Heute befasst sich Katharina mit der Frage: Wie geht man mit dem (schwierigen) Kulturgeschmack unserer Kinder um?

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Juliane Dunkel

Neulich dröhnte laute Musik aus dem Zimmer meines achtjährigen Sohnes. Deutlich ZU laute Musik für meine Ohren, also öffnete ich die Tür – und dachte kurz, ich sei im Stadion gelandet. Mein Sohn trug sein komplettes Fußball-Outfit, schwenkte mit geschlossenen Augen seinen Fanschal und schmetterte inbrünstig den Song des Lieblingsvereins. Danach spielte er seine neue Playlist ab und zeigte mir, dass es über so gut wie jeden Fußballer einen eigenen Song gibt. Die Texte sind teilweise so dämlich, dass ich kaum hinhören konnte. „Gruselige Musik“, sagte ich. „Ich find‘s cool. Musst‘ ja nicht zuhören“, sagte mein Sohn und nickte Richtung Tür. Rausschmiss also. 

Dass Kinder und Eltern unterschiedliche Geschmäcker haben, ist absolut logisch. Dass Eltern oft nicht verstehen, was Kinder an gewissen Dingen gut finden, auch. „Warum sind diese Sammelkarten gerade so angesagt und wieso haust du dein gesamtes Taschengeld dafür auf den Kopf?“ Oder: „Warum müssen es ausgerechnet weiße Turnschuhe sein? Die sind doch nach 10 Minuten dreckig?“ Oder: „Warum schaust du dir stundenlang diese TikToks-Videos an, von Menschen, die du nicht einmal kennst?“ 

Kultur, das nur am Rande angemerkt, umfasst ja viel mehr Bereiche als nur Musik. Eigentlich bezeichnet es alles, was den Stil unseres Lebens beeinflusst – von Mode über Interior, Social Media, Filme oder Bücher bis hin zu Trend-Hobbys.

Müssen wir alles gutheißen, was unsere Kinder gut finden? Natürlich nicht. Aber es ist ratsam, sich dafür zu interessieren. Aus zwei einfachen Gründen: 

  1. Kinder merken, wenn wir wirklich an ihren Vorlieben teilhaben wollen. Statt, wie oben ausgeführt, Fragen mit negativem Unterton zu stellen, lieber neutral bleiben. „Warum gefällt dir dieser Song?“ Und: „Zeig mir doch mal, was dich an diesen TikTok-Videos so fasziniert.“ Generell merke ich immer wieder, wie wichtig es ist, den Kindern wirklich zuzuhören und ihnen so zu zeigen, dass ihre Meinung wichtig ist. 
  2. Natürlich konsumieren Kinder auch immer wieder Texte, Filme oder Videos, die noch nicht altersgerecht sind und sexistische, rassistische oder sonstige, nicht akzeptable, Botschaften transportieren. Dann ist es enorm wichtig, mit den Kindern zu sprechen und klarzumachen, dass einige Dinge eben nicht in Ordnung sind – und sie zu verbieten. 

Aber wir dürfen nicht vergessen: Kultur, besonders Musik, kann uns ganz weit wegbeamen, ins Fußballstadion zum Beispiel, oder in den letzten Urlaub. Außerdem weckt es etwas in uns. Es erzeugt Gefühle, hilft also manchmal sogar, die eigenen zu spüren und zu benennen. Zudem ist es ein wirksames Merkmal der Abgrenzung von den Eltern sowie ein Zeichen von Zugehörigkeit bei Freund:innen.

Umgekehrt ist es deshalb auch völlig okay, dass unsere Kinder nicht „Hurra“ rufen, wenn wir sie durch die x-te zeitgenössische Ausstellung schleifen oder sie im Urlaub zu Kirchenführungen überreden wollen. Ab und zu sollten sie sich schon aus ihrer Komfortzone heraus bewegen, um zu wissen, dass sich Kultur nicht nur im Smartphone abspielt. Aber sie dürfen unsere Geschmäcker genauso seltsam finden wie wir ihre. 

Generell ist es wahrscheinlich das Beste, das Ganze mit einer großen Portion Humor und Leichtigkeit zu sehen. Und dem Wissen, dass diese unterschiedlichen Geschmäcker schon immer existieren und auch für immer bestehen bleiben. Immer schön an den Satz denken:  

„Es ist alles eine Phase!“

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