Darf man Kinder auf Reisen nonstop vor das Tablet setzen?

An dieser Stelle schreiben Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim abwechselnd rund ums Unterwegssein mit Kindern (und Mann). Heute fragt sich Katharina, ob es okay ist, wenn man Kinder unterwegs von elektronischen Helferlein beschäftigen lässt

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Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim

„Nein! Geht gar nicht!“ Das ist die glasklare Antwort auf die oben gestellte Frage. Jedenfalls, wenn man Menschen ohne Nachwuchs fragt. Und auch ich hätte vor ein paar Jahren noch entrüstet die Augenbrauen hochgezogen, wenn ich Kinder im Zug gesehen hätte, die eine Serie nach der anderen schauen. Heute dagegen würde ich der Mutter verständnisvoll zunicken, denn ich weiß sehr gut, dass das Reisen mit den Kleinen manchmal einfach sehr anstrengend sein kann.

Natürlich bin auch ich mit festen Vorsätzen in die Mutterschaft gestartet. Ich wollte nicht an Windelpopos riechen, weiterhin gut gestylt auf Partys gehen, die Kinder im ersten Jahr zuckerfrei ernähren und konsequent sein, was das Einschlafen allein angeht.

Beim ersten Kind war ich echt tapfer und habe viele meiner Vorsätze durchgehalten – auch, weil ich immer den Druck von außen spürte: „Das macht man nicht.“ „Das ist schlecht für die Entwicklung der Kinder.“ „Die Kinder sollten aber …“ „Eine gute Mutter kriegt es hin, dass …“ Es schien, als wüsste alle Welt, wie sich Eltern zu verhalten haben.

Natürlich gab es auch klare Vorstellungen darüber, wie Familien auf Reisen funktionieren sollten: Die Mama ist hervorragend dafür vorbereitet, es gibt gesunde Snacks in Alu-Dosen, und beim ersten Anflug von Langeweile zaubert sie allerlei Beschäftigungsideen aus der Handtasche, zum Beispiel Spiele (aber bitte ohne laut klackernde Würfel). Oder noch besser: Sie liest ihren Kindern im Flüsterton Bücher vor.

Vor meiner ersten längeren Bahnreise mit zwei meiner Kinder hatte ich vorher Unsummen für Rätselhefte, Stickerbücher und Proviant ausgegeben. Ich hatte mir wirklich vorgenommen, eine vorbildliche Reisende zu sein. Mit Kindern, die alle Mitreisenden entzückend finden würden, weil sie still, unauffällig und höflich waren.

Leider ging das gründlich schief. Die Kinder wollten statt Apfelschnitzen lieber Schokoriegel aus dem Bordrestaurant, sie stritten sich darüber, wer am Fenster sitzen durfte, und die Stickerbücher waren nach fünf Minuten vollgeklebt. Der Kleine wollte nicht auf seinem Platz bleiben, sondern lieber den Gang auf und ab wetzen, was bedeutete, dass ich immer drei Schritte hinter ihm hertraben musste, während die Große motzte, dass ich ihr deshalb nicht vorlesen konnte. Und ich? Ich begann zu schwitzen, weil ich realisierte: „Das werden vier verdammt lange Stunden!“ Als wir endlich ankamen, war ich nervlich völlig fertig und den Tränen nahe.

Heute würde ich so eine Reise ganz anders angehen. Denn ich finde, dass jede Mutter und jeder Vater das Recht hat, es sich in solchen Situationen so einfach wie möglich zu machen. Niemand bekommt eine Tapferkeitsmedaille dafür, dass sie oder er eine Reise pädagogisch besonders wertvoll gestaltet hat. Wir sollten auch hier unseren Anspruch an Perfektion in die Tonne treten und Ausnahmesituationen als das betrachten, was sie sind: spezielle Herausforderungen, die wir einfach meistern müssen. Wie wir das im Detail hinkriegen, ist dabei weniger wichtig.

Denn kein Kind wird einen Schaden davontragen, wenn es auf einer Zugfahrt zwei Stunden am Stück seine Lieblingsserie guckt. Es macht uns auch nicht zu schlechteren Eltern, mal den leichteren Weg zu wählen und das Tablet zur Beschäftigung der Kinder einsetzen. Klar, vielleicht erntet man blöde Blicke und dumme Sprüche dafür („Das gibt aber viereckige Augen!“). Aber vielleicht hat die Mama mit dem Baby und dem Kleinkind schon seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen und ist einfach am Limit. Vielleicht hat der Vater gerade berufliche Sorgen, die ihn gedanklich beschäftigen. Vielleicht ist die Mutter völlig überarbeitet und braucht mal zwei Stunden Zugfahrt und ein gutes Buch, um ein bisschen Kraft zu tanken. Gute Eltern zu sein bedeutet auch, für sich und seine eigenen Bedürfnisse einzustehen.

Und so kann die Antwort auf die Eingangsfrage doch nur lauten: Ja, es ist völlig okay, auf Reisen „Paw Patrol“ in Dauerschleife laufen zu lassen. Wie es auch okay ist, im Kinderabteil drei Stunden Mau-Mau zu spielen oder zwanzigmal durch den ganzen Zug zu laufen, weil das Kleinkind das will. Alles ist okay, wenn es sich in diesem Moment passend anfühlt und die Familie entspannt. Also: weg mit dem schlechten Gewissen, zurücklehnen und einfach mal locker bleiben.

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