Interview: Was tun gegen schwere Beine auf Reisen?

Müde und geschwollene Beine, Krampfadern, Schmerzen: Viele Menschen klagen über diese Beschwerden. Welche Ursachen dahinterstecken und wie Sie unterwegs vorbeugen, erklärt eine Venenärztin

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Datum: 20.07.2023
Lesezeit: 4 Minuten
Illustration: Menschen in Bewegung
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Wenn nach einer langen Fahrt die Schuhe drücken und die Beine sich schwer anfühlen, sind meist die Venen schuld. Kerstin Schick arbeitet als Gefäßchirurgin und Phlebologin, also Expertin für Erkrankungen der Venen, in München. Sie ist unter anderem Vorsitzende im Berufsverband der Phlebologen e.V. und veröffentlichte kürzlich das Buch „Venusvenen“ (Lübbe), in dem es um Frauen und ihre Beine geht. Sie weiß, was wir unseren Venen Gutes tun können und wie wir müde Beine verhindern.

Wir sprechen um 18 Uhr miteinander, am Ende eines sehr warmen Sommertages. Haben auch Sie als Phlebologin schwere Beine? 

Kerstin Schick: Meine Beine sind nur ganz selten etwas geschwollen. Aber zum Glück habe ich den Vorteil, dass ich zum einen keine Krampfadern habe und zum anderen mein berufliches Arbeitsumfeld so gestaltet ist, dass ich viel in Bewegung bin. Ich laufe von Sprechzimmer zu Sprechzimmer, stehe auf, setze mich wieder hin. Klar, wenn ich eine Ultraschalluntersuchung mache, sitze ich kurz, aber danach stehe ich wieder auf. Und selbst am OP-Tisch stehe ich oder gehe auch mal. Anders als ein Großteil der Bevölkerung mit Bürojobs, die viel sitzen, im Homeoffice noch mehr.

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Weiß, wie man schwere Beine und Venenleiden verhindert und behandelt: Phlebologin Kerstin Schick

Was heißt überhaupt „schwere Beine“? 

Hat man gesunde Beine, spürt man sie meist den ganzen Tag nicht. Patient:innen mit schweren Beinen beschreiben das tatsächlich so, als zögen die Beine sie runter. Es fällt ihnen schwerer, sich zu bewegen, in den Tag zu kommen, die Beine schwellen gegen Abend auch an. Oft wird ein Schmerz in den Beinen beschrieben. Dahinter können sich medizinisch verursachte Ödeme verbergen, zum Beispiel durch ein Problem am Herzen. Auch Krampfadern, oberflächliche Venen, in denen sich das Blut staut, können schwere Beine machen. Frauen klagen oft vor ihrer Menstruation über Wassereinlagerungen, auch in den Beinen, die vom erhöhten Östrogenspiegel kommen. Egal ob vorerkrankt oder nicht: Generell ist viel und langes Sitzen problematisch. 

Warum ist Sitzen so schlecht für die Venen? 

Normalerweise regulieren wir den Rückfluss von den Beinen Richtung Herz mit der Muskelpumpe in den Waden. Bewegen wir uns, arbeitet die ganz automatisch, zieht sich zusammen, und das Blut fließt zurück. Wer viel sitzt, bei dem arbeitet die Muskelpumpe natürlich weniger. Auf Dauer tut das den Venen nicht gut, und man neigt eher zu müden Beinen. Auch junge Menschen können davon betroffen sein.

Hilft da Aufstehen? Oder muss man herumlaufen? 

Aufstehen hilft durchaus, weil dann zumindest die Becken-Achse wieder frei ist. Wenn wir sitzen, haben wir einen echten Knick im Becken beziehungsweise in der Beckenvene. Arterien, die den Sauerstoff in unsere Zellen transportieren, sind stabiler und lassen sich nicht so schnell zusammendrücken. Venen sind flexibler, deshalb kann es eher zu einem Rückstau des Blutes kommen.

Und warum plagen uns schwere Beine besonders im Sommer?

Durch die Hitze weiten sich die Gefäße und der Blutfluss verlangsamt sich. Das kann man auch in der Sauna beobachten. Die meisten bemerken den Effekt aber erst abends, wenn die Beine bereits geschwollen sind. 

In der Bahn kann man aufstehen, zum Bistro laufen, und tut damit seinen Beinen etwas Gutes

Kerstin Schick

Auf Reisen sitzt man ja auch sehr viel und lange. Und teilweise kann man gar nicht aufstehen. Was kann man da tun? 

Im Flugzeug oder bei Busreisen ist der Effekt ja sehr viel extremer: Da sitzt man lange und sehr eng, in Bussen mögen die Leute womöglich nicht einmal etwas trinken, weil die Bustoiletten nur im Notfall genutzt werden sollen. So etwas fördert schwere Beine und dicke Füße enorm und kann auch Thrombosen begünstigen. In der Bahn hingegen ist der Sitzabstand größer, man kann aufstehen, durch den Wagen oder bis zum Bistro laufen und tut damit seinen Beinen und Venen etwas Gutes. 

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Kann man ihnen denn auch im Sitzen etwas Gutes tun? 

Auf jeden Fall. Das A und O ist es, die Muskeln in Bewegung zu halten. Sie pressen das Blut schließlich wieder zurück Richtung Herz. Zum Beispiel an die Vorderkante des Sitzes rutschen, die Fersen aufstellen und dann die Zehen immer wieder heranziehen und loslassen, wie beim Kuppeln im Auto. Oder die Füße kreisen lassen. Beim Stehen kann man sich auch immer wieder auf die Zehenspitzen stellen. 

Auf Langstreckenflügen ziehen Menschen oft medizinische Kompressionsstrümpfe an. Sind die auch für Bus und Bahn sinnvoll? 

Kompressionsstrümpfe sind immer sinnvoll, die können alle Leute tragen, außer, man hat arterielle Probleme, dann sollte man mit einem Arzt Rücksprache halten. Keine Angst, die Beine gewöhnen sich auch nicht an die Kompressionstherapie. Man muss nicht fürchten, dass sie weniger arbeiten, wenn man keine Kompressionsstrümpfe trägt. Nicht medizinische Kompressionsstrümpfe haben auch weicheres Material und bloß eine leichte Kompression, die sind auch angenehmer zu tragen. Für den Sommer, gerade dann, wenn man ungern Strümpfe trägt, empfehle ich, die Kompressionsstrümpfe ein wenig zu befeuchten. Das kühlt die Beine zusätzlich. 

Egal, wo man sitzt, steht oder geht: Viel trinken hilft immer viel. 

4 Tipps von Phlebologin Kerstin Schick für lange Zugfahrten

  1. Bewegung: Am besten regelmäßig aufstehen und herumlaufen, damit die Wadenmuskeln arbeiten. Auch stehen und auf die Zehenspitzen stellen hilft

  2. Am Platz regelmäßig auf die Vorderkante des Sitzes rutschen und Füße kreisen oder Fersen aufstellen und Zehen anziehen und lösen

  3. Viel trinken!

  4. Strümpfe tragen, die eine Kompression, also das Zusammenpressen der Muskulatur und Venen fördern.

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