Sollten wir nach der Schulzeit einfach mal reisen?

An dieser Stelle schreiben Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim abwechselnd rund ums Unterwegssein mit Kindern (und Mann). Heute fragt sich Katharina, ob nicht jeder Mensch nach der Schule erst mal in die Ferne schweifen sollte

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Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim

Vier Tage nach meinem Abi stieg ich in ein Flugzeug und flog nach Paris. Dort sollte ich sechs Wochen lang einen Sprachkurs machen und ab und zu auf die kleine Tochter der Bekannten meiner Eltern aufpassen, bei denen ich in dieser Zeit wohnte.

Ich hatte kein Handy, keine Kreditkarte und vor allem keine Ahnung von Großstädten.

Aufgewachsen bin ich nämlich in einer kleinen Stadt in Mittelfranken. Ein Kino, ein Freibad, zwei Eisdielen, eine Kneipe mit Billardtisch – das war’s an Highlights für die Jugend. Mein Abi habe ich dann in einem Dorf mit 400 Einwohnern gemacht, da gab es dann nicht mal mehr einen Billardtisch.

Ich weiß noch, dass ich am Pariser Flughafen stand und fassungslos auf den Fahrplan der öffentlichen Verkehrsmittel gestarrt habe. All die bunten Linien, kreuz und quer, so riesig war also Paris! Krass. Es war, als hätte man mir ein Schild mit „Willkommen in der Metropole, du Landei“ um den Hals gehängt.

Rückblickend bewundere ich meine Mutter, dass sie mir diese sechs Wochen in Paris zugetraut hat. Da ich kein Handy hatte, rief ich höchstens einmal die Woche an. Was ich die restliche Zeit trieb, bekam keiner mit – Social Media gab es ja auch noch nicht.

Vielleicht ist genau das der Grund, warum diese sechs Wochen so magisch waren. Weil ich alles auf eigene Faust erkunden musste – ohne Google Maps, ohne Tipps von Facebook. Ich ließ mich tagelang durch die Gassen treiben, schlug mich mit den ersten Brocken Französisch durch, saß manchmal ewig auf einer Parkbank und machte … nichts. Nichts außer aufsaugen, abspeichern, genießen.

Im Sprachkurs fand ich schnell neue Freund:innen. Aus den USA, Schweden, Polen, Italien. Eine bunte Truppe, mit der ich ins Nachtleben der Stadt abtauchte. Wow, kann ich nur sagen. Lichter, Musik, riesige Klubs, Beats, Drinks, wunde Füße, Nach-Hause-Schleichen im Morgengrauen. Es war, als … als hätte jemand einen großen, schweren Vorhang beiseitegeschoben. Alles erschien leicht, aufregend, neu.

Und da diese Geschichte in Paris spielt, kam, was kommen musste. Inmitten einer wilden Party verliebte ich mich vom Fleck weg in einen jungen Sportjournalisten, Halb-Australier, Halb-Engländer. Und mit verlieben meine ich nicht: Schmetterlinge im Bauch. Ich meine: Hals über Kopf und bis zum Anschlag. Mit Nichts-mehr-anderes-brauchen-als-den-anderen. Hach, ganze vier Wochen lang.

Kurz vor dem Abschied sagte ich meinen Eltern, ich würde nach Australien durchbrennen – mit meinem neuen Freund. Ich sah mich schon mit Strohhut und immer braunen Beinen auf einer Farm Koalas züchten. Meine Eltern fanden das eher semi-gut, es folgten heftige Telefonate und der herzzerreißendste Abschied aller Zeiten. Die armen Stewardessen waren mit meinem Dauerschluchzen auf dem Heimflug völlig überfordert, und ich brauchte tatsächlich einige Wochen, um meinen Liebeskummer zu heilen.

Und da das alles vor Facebook und Co. stattfand, blieben der Australier und ich auch nicht in Kontakt. Nur ein paar Schnappschüsse von ihm finden sich neben Eintrittskarten von Museen und Klubs in meinem Tagebuch.

Bis heute bin ich diesen sechs Wochen dankbar. Sie haben mich ins Erwachsensein katapultiert. In Paris habe ich so viel erlebt, so viel gelernt. Mein Horizont wurde geradezu aufgerissen, und ich konnte danach nicht mehr zurück in die Kleinstadt. Ich war neugierig auf andere Städte, auf Leute in meinem Alter aus anderen Ländern. Paris war mein Glücksfall, mein Türöffner. Und wird für immer die Stadt meiner ersten ganz großen Liebe sein …

Mit der Bahn durch Europa

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