Wie wir in Zukunft essen

Ein Roboter als Kellner und Quallen als Snack? Wo in Deutschland gerade an den Foodtrends von morgen gearbeitet wird

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Hand hält Unterwasser eine Qualle
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung/Jan Meier

Milch aus Hafer, Hackfleisch aus Soja, Schnitzel aus Erbsenprotein. Was vor zehn Jahren noch exotisch wirkte, ist heute Teil eines ganz normalen Einkaufs. Damit hört die Entwicklung in Sachen Essen aber noch lange nicht auf: Hunderte Start-ups tüfteln an neuen Produkten.

Auch in der Gastronomie ist einiges in Bewegung. Corona schwächte die Branche, Restaurants suchen verzweifelt nach Personal. Kann ein akkubetriebener Kollege aushelfen? Von Kochrobotern bis zu Fisch aus der Petrischale – wir stellen fünf Ideen vor, die das Essen in der Zukunft weiter verändern können.

Insekten und Würmer zum Knabbern aus Süddeutschland

Die klassische Landwirtschaft kommt zunehmend an ihre Grenzen. Sie benötigt riesige Mengen an Platz und Frischwasser, beides wird in Zukunft knapper. Forscher:innen und Lebensmittel-Start-ups suchen deshalb nach bislang unangezapften Proteinquellen, die ressourcenschonender produziert werden können. Eine davon fliegt überall um uns herum und kriecht unter unseren Füßen in der Erde.

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Schnürpflingen, eine kleine Gemeinde in Baden-Württemberg, ist schon lange einer der größten Standorte Europas für Insektenzucht; bislang wurden die Tierchen allerdings nur als Futtermittel gezüchtet. Marco Schebesta sah mehr in den summenden, brummenden, sich windenden Tierchen. In gefriergetrocknetem Zustand besitzen Insekten einen höheren Proteinanteil als Rind, Pute oder Schweinefleisch. Aufgrund ihres natürlichen Schwarmverhaltens gilt in ihrem Fall die Massentierhaltung als artgerecht. Sie sind platzsparend und brauchen kaum Wasser. Nachdem die Futtermittelhersteller insolvent gingen, baute Schebesta seinen Betrieb auf dem Gelände auf. „Six Feet to Eat“ wurde die erste deutsche Firma, die Insekten für unseren Verzehr aufbereitet. „Man kann jegliche bekannte Gerichte hinsichtlich der Nährstoffe mit Insektenprodukten aufwerten“, erzählt er. Außerdem ergebe sich in der Haltung ein effizienter Kreislauf: „Die Insekten wandeln Reste, die in der Lebensmittelproduktion anfallen, in Protein um, das der Mensch verzehren kann. Der Insektenkot wird als Dünger für die Landwirtschaft verwendet.“ Naschen die Mitarbeiter:innen die Insekten auch selbst? Schebesta erzählt, beim Team seien vor allem die Chips beliebt, denn: Von Beinchen und Fühlern ist bei diesem Produkt nichts mehr zu sehen.

Tipp:

In Berlin sind Nicole Sartirani und Diego Castro mit ihrem Projekt MikroKosmos in der Mission unterwegs, den Menschen Insekten als Zutat näherzubringen. Jeden Mittwoch zeigen sie in einem Gemeinschaftsgarten auf der Hermannstraße wie man seine eigenen Mehlwürmer zum Essen hält. Man findet sie auch regelmäßig beim Street Food Thursday in der Markthalle Neun, wo sie ihre mit Sechsbeinern verfeinerten Gerichte anbieten.

Gesunder Glibber

Auch in unseren Ozeanen wird nach neuen Proteinquellen gefahndet. Essen aus dem Meer braucht kein Süßwasser, keine Landflächen und keinen Dünger. Viele Fischarten sind allerdings stark überfischt. Zudem steigen die Wassertemperaturen aufgrund des Klimawandels und die Meerespopulation verändert sich. Einige Arten kommen damit nicht klar, andere dagegen fühlen sich wohl im Warmen und profitieren von dem neu gewonnenen Platz. Letzteres trifft auf Quallen zu, was sie als Nahrungsmittel der Zukunft in den Blick der Wissenschaft gerückt hat.

Am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung arbeitet Holger Kühnhold für den Verband food4future daran, die Mangrovenqualle als Proteinquelle zu nutzen. Sie lebt symbiotisch mit Mikroorganismen zusammen, die Fotosynthese betreiben und dadurch Nährstoffe produzieren. Die Menge der Nährstoffe hängt von verschiedenen Bedingungen ab, zum Beispiel von der Lichteinstrahlung. Kühnhold tüftelt an diesen Faktoren, damit in Zukunft möglichst nahrhafte Quallen in Laboren gezüchtet werden können. Er warnt allerdings auch davor, bei der Quallenzucht in die gleichen Fallen wie bei der Fleischindustrie zu tappen: „Es erweckt den Anschein als müssten wir alles, was wir nicht mehr an Fleisch produzieren, sofort durch Quallen ersetzen. Aber wir müssen natürlich auch unseren Konsum hinterfragen“, sagt er.

Fisch aus dem Labor

Bluu GmbH/Wim Jansen

Auch das Lübecker Unternehmen Bluu Seafood will Meeresproteine in unkonventioneller Weise auftischen. Für ihre Idee müssen keine Schwärme im Netz zucken, die Biomasse wird im Labor gezüchtet. Fleisch aus der Petrischale ist schon lange Thema in der Lebensmittelforschung, jetzt gibt es auch kultivierten Fisch. Dafür werden einem Fisch einmalig Stammzellen entnommen. Im sogenannten Bioreaktor können diese sich dann unter optimalen Bedingungen vermehren. Aus den Fischzellen hat das Start-up bereits panierte Fischstäbchen und Bällchen zubereitet. Nur auf die Zulassung wartet man noch.

Elektro-Kellner eilt zur Hilfe

Nicht nur das Essen selbst wird sich verändern. Auch die Orte, an denen wir es serviert bekommen, stehen vor einem Wandel. Seit der Pandemie fehlt der Gastronomie immer mehr Personal. Einige Restaurants setzen deshalb auf eine ungewöhnliche Aushilfe.

Humanizing Technologies

Flink gleitet Bellabot auf einer runden Plattform zwischen den Tischen hindurch, so kann man es im Video beobachten. Ihr schmaler, hohler Körper hält vier Tablette. Wie in südostasiatischen Designs üblich, soll auch hier Technik mit Niedlichkeit vereint werden. Deshalb ist an der Vorderseite des Servierroboters ein kleiner Bildschirm angebracht, von dem ein fröhlich minimalistisches Katzengesicht in die Runde schaut. Wenn man die spitzen Kunststoff-Ohren streichelt, zwinkert es oder verzieht das Mäulchen zu einem euphorischen Miauen. Bella kann aber mehr, als nur Streicheleinheiten entgegenzunehmen. Bis zu 40 Kilo Gewicht transportiert sie hin und her. In der Küche laden die Servicekräfte die Teller auf, wählen auf dem Bildschirm den richtigen Tisch aus und schon fährt Bella los zur hungrigen Kundschaft. Ersetzen soll sie die menschlichen Mitarbeiter:innen aber nicht, nur entlasten. Das Schleppen der Gerichte kostet Zeit und ist körperlich anstrengend, Bella spürt davon natürlich nichts. Während sie mit sorglosem Katzengrinsen durch die Gänge fährt, kann das Personal entspannter mit den Gäst:innen interagieren. 

Tipp:

Von Bella bedienen lassen kann man sich zum Beispiel im Hafenrestaurant Grömitz, genauso wie im Asiatischen Grillhaus ShaoKao in München. Im Nakoyashi, einem japanischen Restaurant in Köln, liefert ein ähnlicher Roboter das Essen zum Tisch.

Mittagessen aus dem Automaten

In Zukunft soll nicht nur das Tellertragen automatisiert werden. Das Berliner Unternehmen Aitme hat eine ganze Roboterkantine konzipiert. Aitme Co-Gründer Julian Stoß erzählt, die Idee dafür sei aus seinen Erfahrungen bei einem Lieferdienst entstanden. Viele Firmen säßen außerhalb des Stadtkerns in Gewerbegebieten und somit auch außerhalb des Lieferkreises. Um eine Lösung für flexible Verpflegung vor Ort bieten zu können, war für Stoß klar: „Wenn wir das Essen in die Firmen bringen wollen, müssen wir die Küche auch gleich mitbringen.“ „Robo“ passt deshalb in eine Kabine, die am gewünschten Standort aufgebaut werden kann. Dafür braucht es nur Strom und Wasseranschluss.

Zwei Roboterarme bereiten hinter einer Scheibe in sechs Töpfen die Speisen zu. Bestellt wird zuvor per App. Der rechte Arm greift einen Topf und lässt die Zutaten hineinfallen. Die müssen die Betreiber:innen vorher bereitstellen, Gemüse schneiden kann Robo noch nicht. Er setzt den Topf jetzt wieder auf seine Vorrichtung, wo er sich automatisch erhitzt und dreht, um alles gut durchzumischen. Schließlich nimmt der linke Arm eine Pappschale, der rechte kippt den Topfinhalt hinein. Jetzt wird das fertige Gericht in eine Kammer geschoben, aus der die Kund:innen es sich heraus holen können. 

Aitme

Drei Kochroboter sind momentan aktiv im Einsatz. Noch steht ihnen ein Mensch zur Seite. Nötig für den Ablauf sei der aber nicht, erklärt Stoß. „Das ist eher aus Servicegründen, technologisch läuft die Anlage von ganz allein.“ Davon könnten auch Betriebe wie Krankenhäuser profitieren: Wenn nach Ende der Nachtschicht der Magen knurrt, serviert der Roboter noch eine warme Mahlzeit. Irgendwann kommt das Konzept vielleicht auch an Bahnhöfen zum Einsatz, überall dort, wo rund um die Uhr viel los ist und die Menschen es eilig haben, kann sich Stoß die Anlage vorstellen.

Tipp:

In Simpli-Office in Potsdam, einem Coworking Space, kann man vorbeischauen und eine vollautomatische Mahlzeit probieren. Von 11 Uhr vormittags bis etwa 20 Uhr ist Robo dort in Betrieb.

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