Die nachhaltigste Bundesgartenschau aller Zeiten

Das möchte die diesjährige Buga in Mannheim werden. Wie kann das einem Großevent gelingen, für das 2,1 Millionen Besucher:innen erwartet werden?

Von:
Datum: 11.04.2023
Lesezeit: 9 Minuten
Seilbahnstation
© Rendering: Doppelmayr Seilbahnen GmbH/MOJA Design
Organische Bauform: Station für die neue Seilbahn, die über 2,2 Kilometer den Luisenpark mit dem Spinelliareal verbindet

Sie graben sich in sandigen Boden, nisten unter der Erde, an Plätzen, an denen von oben die Sonne wärmt, und fliegen nur heraus, wenn sie hungrig nach Nektar suchen: Wildbienen. Auch in Mannheim leben sie – doch die bedrohte Art steht auf der roten Liste, so wie fast die Hälfte aller Wildbienenarten in Deutschland.

„Das war ein großes Thema in der Planung und bei der Bauausführung für die Bundesgartenschau“, sagt Philip Haggeney. Der Landschaftsarchitekt verantwortet die Baumaßnahmen im Spinelliareal, auf dem, zusammen mit dem rund zwei Kilometer Luftlinie entfernten Luisenpark, die diesjährige Bundesgartenschau (Buga 23) stattfindet. Um die Bienen zu erhalten und zu schützen, wurden neue Lebensräume sowie sogenannte „Trittsteine“ geschaffen, sagt er: zum Beispiel sandige Böden mit heimischen Ansaaten, in denen sie Nahrung und Nistmöglichkeiten finden.

Eigene Fotovoltaikanlage
Bereits seit 2015, also seit acht Jahren vor Beginn der Buga in Mannheim, plant Haggeney mit dem Landschaftsarchitekturbüro RMP Stephan Lenzen die Baumaßnahmen rund um das Gelände der ehemaligen Spinelli-Kaserne „Diese lange Zeit braucht man auch“, sagt er. Für Abstimmungen mit Naturverbänden zum Beispiel, mit Ämtern, zur Schaffung von Planungsgrundlagen, schlicht: „um ein gutes nachhaltiges Ergebnis zu erzielen.“

Genau genommen soll es sogar deutlich mehr als gut werden: Die Buga 23 hat das Ziel, die nachhaltigste Bundesgartenschau aller Zeiten zu werden – auf allen Ebenen. Vom Bau über die eingesetzten Pflanzen in den Schauhallen, die Extremwetter trotzen, die Verwendung von Ökostrom und eine eigene Fotovoltaikanlage, bis hin zu den Veranstaltungen, bei denen etwa Chöre unter dem Motto „Our voice for our planet“ singen und Nachwuchsbands auf einem Workshop über „Green Touring“ diskutieren. Als erste Buga möchte sie zudem klimaneutral werden.

© Rendering: RMP
Feldstecher: Eine zwölf Meter hohe Aussichtsplattform bietet Besucher:innen einen Blick über das Grünland des Spinelligeländes, den zentralen Buga-Park

Baumaßnahmen berücksichtigen seltene Arten
Erst mal zurück zu den Bienen und dem Bau. Die Buga ließ extern ein sogenanntes Bodenschutzkonzept erstellen, erklärt Haggeney: „Wenn Firmen draußen arbeiten, müssen sie wissen, wo sie mit Fahrzeugen fahren dürfen, Lagerflächen einrichten können und wie sie den Boden bearbeiten müssen, um keine Schadverdichtungen zu erzeugen und die Oberbodenstrukturen kaputt zu machen. Also haben wir die Baustelleneinrichtungen und Baustraßen genau geplant.“

In großen Teilen hätten sie den Bau an schützenswerte Biotope angepasst. Zum Beispiel für die Bienen-Ragwurz, die im angrenzenden Naturschutzgebiet Feudenheimer Au wächst. Diese Orchideenart mit ihren rosa Blättern ist selten und europaweit geschützt. Um sie nicht zu zerstören, wurden Fußwege und ein Radschnellweg möglichst an ihre Wuchsorte angepasst.

Vielleicht fliegen die Wildbienen nun vom sandigen Boden im Spinelliareal zu den Bienen-Ragwurz-Orchideen, um ihren Nektar zu naschen. So entsteht ein neuer Biotopverbund, erklärt Haggeney: Lebensräume werden miteinander vernetzt und ergänzt, was die Artenvielfalt fördert.

Buga 23 soll Mannheim langfristig nachhaltiger machen
Haggeney betont, dass die Baumaßnahmen für die Buga nicht nur eine kurzfristige Attraktion bewirken. Sie sollen Mannheim langfristig nachhaltiger machen – und das Leben der Menschen dadurch verbessern. Die Planung habe ohnehin gar nicht mit der Idee der Buga begonnen: „Wir haben erst eine Daueranlage, den Grünzug Nordost, geplant und dann die temporäre Veranstaltung integriert.“

Der Grünzug Nordost ist eine Frischluftschneise, die vom Spinelliareal bis in die Innenstadt führt. Früher standen auf dem Spinelligelände noch Kasernen des US-Militärs. Für die Buga wurden viele Flächen entsiegelt und begrünt. Die Mitte des Areals wurde dafür bewusst nicht mit Bäumen bepflanzt, sagt Haggeney. Eine „gähnende Leere“ herrsche da, in der sich Wiesen ausbreiten und trockener Sandrasen sprießt – und Eidechsen leben.

Der Vorteil dieser Leere: Die Luft kann frei zirkulieren und somit für Abkühlung sorgen. Das ist messbar, sagt Haggeney: Die Temperatur im Grünzug Nordost, dem Spinelliareal und den angrenzen Baugebieten senke sich um circa drei bis vier Grad Celsius. „In Bezug auf die Erderwärmung ist das ein großer Schnitt.”

© BUGA 23/Daniel Lukac
Architektonisches Highlight: Die umgebaute U-Halle, eine ehemalige Lagerhalle, dient als Veranstaltungsort im Spinelliareal der Buga

Veranstaltungen streben Nachhaltigkeit an
Um ihre nachhaltigen Bestrebungen nachzuweisen, hat die Buga 23 sich insgesamt durch das Umwelt­management­system EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) zertifizieren lassen, ein freiwilliges Instrument der Europäischen Union. Es überprüft etwa den Stromverbrauch und das Abfallaufkommen – auch während der Veranstaltungen.

„In Bezug auf Nachhaltigkeit sind wir eines der strengsten Kulturfestivals Deutschlands“, sagt Fabian Burstein. Er leitet den Bereich Kultur und Veranstaltungen der Buga 23. „Plakativ heißt das zum Beispiel: Wir vermeiden Müll, unser Catering ist biologisch und regional, wir veranstalten Co-Produktionen mit vielen regionalen Akteuren, um den CO2-Fußabdruck der Anreise zu reduzieren und verwenden Ökostrom.“ Allerdings weist er zugleich darauf hin: „Wir haben in der Szene noch nicht definiert, was Nachhaltigkeit überhaupt meint.“

Um diese Diskussion voranzubringen, organisiert er mit seinem Team das „Green Touring Festival“. Nachwuchsbands können sich dafür bewerben, und wenn sie angenommen werden, erhalten sie vor ihrem Auftritt ein Webinar zum Thema Green Touring. „Mit solchen Formaten wollen wir dazu beitragen, eine Definition zu finden und Anhaltspunkte für weitere Diskussionen liefern.“

Kunst und Kultur sind ein unglaublich schöner Rahmen, um das Thema Nachhaltigkeit intuitiv zu vermitteln, ohne zu belehren.

Fabian Burstein, Leitung Kunst und Kultur der Buga 23

Etwa 5000 Veranstaltungen finden auf der Buga 23 statt. Sie alle spielen mit dem Thema Nachhaltigkeit, sagt Burstein. Da ist zum Beispiel die Theatervorstellung „Pigs“, die den Fleischkonsum und die Zukunft von Schweinen verhandelt. Chöre singen unter dem Motto „Our voice for our planet“. Und der DJ Dominik Eulberg, der Tier- und Naturgeräusche in seine Songs integriert, legt auf, nachdem er zum Thema Diversitätsverlust gesprochen hat.
Außerdem treten bekannte Künstler:innnen auf, wie der Popsänger Joris, der in Mannheim studiert hat. Burstein sagt: „Kunst und Kultur sind ein unglaublich schöner Rahmen, um das Thema Nachhaltigkeit intuitiv zu vermitteln, ohne zu belehren.“

Ob die Buga 23 aber wirklich die nachhaltigste aller Zeiten wird? Das steht erst fest, wenn sie im Oktober zu Ende ist und CO2-Ausstoß, Stromverbrauch & Co. gemessen werden können – und man merkt, ob die Wildbienen nach wie vor nisten und die Bienen-Ragwurz weiterhin sprießt.

Anreise, Tickets, Veranstaltungen: Informationen zur Buga 23

Die Buga 23 beschäftigt sich mit vier Leitthemen: Klima, Energie, Umwelt und Nahrungssicherung. Dabei betrachtet sie sich auch als Experimentierfeld, das Ideen anstoßen möchte. Zum Beispiel baut das Landwirtschaftliche Technologiezentrum in einer Ausstellung verschiedene, zukunftsfähige Sorten von Getreide, Hülsenfrüchten und Ackerfrüchten an.

Öffnungszeiten
Vom 14. April bis 8. Oktober 2023 ist die Buga 23 täglich geöffnet, mit Einlasszeiten von 9 bis 19 Uhr. Nach Einbruch der Dunkelheit sollen Besucher:innen das Gelände verlassen.

Tickets
Tagesticket für Erwachsene: 28 Euro, für junge Erwachsene (15 bis 24 Jahre): 11 Euro, Kinder und Jugendliche bis einschließlich 14 Jahre frei.
Dauerkarte für Erwachsene: 145 Euro, für junge Erwachsene (15 bis 24 Jahre): 65 Euro.
Buga-Tickets können online oder in einer der Vorverkaufsstellen in Mannheim und Umgebung erworben werden.

Veranstaltungen
Rund 5000 Veranstaltungen finden während der Buga 23 statt: Konzerte von bekannten Sängern wie Joris genauso wie von regionalen Newcomer:innen, Auftritte von Comedians wie Bülent Ceylan, Improtheater und eigene Produktionen, Fotoausstellungen, Workshops rund um nachhaltigen Gartenbau und für Kinder sowie vieles mehr. Das gesamte Programm ist online in einem Veranstaltungskalender aufgeführt.

Anreise
Bei Tages- und Zweitageskarten ist der ÖPNV im gesamten VRN-Gebiet inkludiert.
Vom Hauptbahnhof Mannheim fährt die Straßenbahn-Sonderlinie „Buga-Express“ zum Spinelligelände. Der Luisenpark ist von dort mit einer eigens gebauten Seilbahn zu erreichen (Fahrtdauer: ca. 8 Minuten).

Schreiben Sie uns!

Der Artikel hat Ihnen gefallen, Sie haben eine Frage an die Autorin/den Autor, Kritik oder eine Idee, worüber wir einmal berichten sollten? Wir freuen uns über Ihre Nachricht.