Da ist jede Menge Luft nach oben

Gelungener Wandel im Ruhrgebiet: Im Industriedenkmal geht die Ausstellungsfläche ganz hoch hinaus

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Datum: 09.07.2021
Lesezeit: 2 Minuten
Thomas Machoczek

Sogar die Erde passt locker rein: Der Gasometer in Oberhausen ist so gewaltig, dass unser Heimatplanet schon darin schwebte – als Satellitenfoto-Projektion auf einem 20 Meter breiten Ballon. Besucher:innen konnten die Erdkugel 2016/17 so erstmals wie aus dem All betrachten. Und wer noch weiter hinaufblickte, bestaunte ganz oben, in 100 Meter Höhe, das perfekte Mandala an der runden Decke.

Nicht, dass es als solches geschaffen worden war. Es handelt sich schlicht um die – längst geputzte – Druckgasscheibe, die einst dafür sorgte, dass der Riese am Rhein-Herne-Kanal nicht außer Kontrolle geriet: Die rund 1200 Tonnen schwere Konstruktion trieb auf dem Gas, das Europas größter Scheibengasbehälter zwischenspeicherte. Die Innenwände waren mit Öl überzogen, so dass sie sich auf und ab bewegen konnte – bis in 95 Meter Höhe, dann war die maximale Füllmenge von knapp 350.000 Kubikmeter Gas erreicht.

Es klingt wie aus einer anderen Zeit, und doch war erst 1988 damit Schluss, als die Schwerindustrie im Ruhrgebiet langsam verschwand und der Strukturwandel begann. Der Gasometer startete in ein zweites, spektakuläres Leben als Europas höchste Ausstellungshalle. Seit 2019 war sie für Sanierungsarbeiten geschlossen, im Frühjahr 2021 ging es wieder los: Die Schau „Das zerbrechliche Paradies“ feiert unter anderem mit preisgekrönten Fotos und Videos die Schönheit der Erde – und stellt Projekte vor, die sie zu retten versuchen. Auch eine Fahrt mit dem gläsernen Innenaufzug bis zum Dach, wo man an sonnigen Tagen überprüfen kann, wie blau der Himmel zumindest über dem Ruhrgebiet sein kann, ist nun wieder möglich.  

Von der Aussichtsplattform geht der Panoramablick weit ins Ruhrgebiet, den einstigen Kohlenpott. Dessen Abwässer flossen 150 Jahre lang in die Emscher, die fußläufig vom Gasometer durch Oberhausen fließt. Abwasserkanäle sorgen inzwischen dafür, dass der Rhein-Nebenfluss sich wieder zu einem naturnahen Gewässer wandelt: raus aus dem Betonbett, zurück in einen natürlichen Lauf, an dessen Ufer heute schon Weideröschen und Sumpf-Vergissmeinnicht zurückgekehrt sind, ganz von allein. 2027 soll die Renaturierung abgeschlossen sein.

Entlang der Emscher verläuft der 225 Kilometer lange Emscher Park Radweg. Er erschließt auch viele Stätten der „Route der Industriekultur“, zu denen neben dem Gasometer auch die Zeche Zollverein in Essen gehört sowie der Landschaftspark Duisburg-Nord, wo ein kleinerer Gasometer mit Wasser geflutet wurde – als Trainingsbecken samt künstlichem Riff für Taucher.

Wie hinkommen
Mit dem ICE nach Oberhausen. Von dort fünf Minuten mit Bus/Straßenbahn zur „Neuen Mitte Oberhausen“.
Aktuelle Informationen finden Sie unter www.bahn.de.

Für wen
Für Weitblicksuchende, Fans von Industriedenkmälern und Change-Prozessen. Und für all jene, die unter einem mächtigen Mandala meditieren möchten.

Mitbringen
Etwas Zeit. In der 2021-Ausstellung kann man mit Faultieren in einem Video die Wipfel des Urwalds erklimmen – das dauert. 

Besser nicht
Alles auf einmal entdecken wollen. Das „Revier“ lohnt viele Besuche.

Infos
www.gasometer.de

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