Verborgen im Hinterhof: Treppenwitz ohne Ende

Kunst im öffentlichen Raum, Überraschungseffekt inklusive: In München hat der Künstler Ólafur Elíasson eine fabelhafte Treppe errichtet

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bortnikau / Adobe Stock

Manch öffentliche Kunst in München bleibt selbst Einheimischen verborgen, selbst wenn sie täglich an den Werken vorbeilaufen. Ein solches Objekt der Beiläufigkeit dürfte die Installation „Umschreibung“ von Ólafur Elíasson eigentlich nicht sein. 2004 schuf der dänisch-isländische Künstler sein Werk, eine „endlose“ Treppe, im Münchner Stadtteil Schwanthalerhöhe. Fest installiert im jederzeit frei zugänglichen Innenhof der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, steht das eigenwillige, etwa drei Stockwerke hohe Konstrukt. Von der Straße aus betrachtet, verbirgt der Bürobau den obersten Punkt der Installation.

Dem distanziert-flüchtigen Blick ist das Werk so kaum als eine endlose Schleife zu erkennen und lässt im besten Fall eine kunstvoll geschwungene Treppe vermuten. Um das Kunstwerk in seiner Gesamtheit würdigen zu können, bleibt die Stippvisite ins Atrium des Baus. Bemerkenswert ist, wie die Struktur am unteren Punkt ausbalanciert ist und das Konstrukt filigran trägt. Das Faszinierende daran ist, wie die Treppe den Betrachter immer wieder herausfordert, neue Positionen und Perspektiven einzunehmen. Scheinbar mühelos verzahnen sich zwei Wendeltreppen ineinander und bilden eine Doppelspirale.

Wie das endlose Auf und Ab im Leben winden sich die Stufen ganz nach oben und sogleich wieder herunter. Fast schon philosophisch, aber vor allem: ziemlich schön anzusehen. Zur Planung der Arbeit projizierte Elíasson eine Doppelhelix auf die Oberfläche einer Kugel. Die Stufenhöhen variieren leicht, um die gekrümmte Form der Treppenhäuser auszugleichen. Das dürfte das Laufen auf der Treppe erschweren, wenn es denn erlaubt wäre. Doch ein Hinweisschild untersagt das Betreten des Kunstwerks.

In München ist der dänisch-isländische Künstler mit weiteren Werken im öffentlichen Raum vertreten: das „Wirbelwerk“ im Lenbachhaus, das „Bühnenfenster“ der Bayerischen Staatsoper, die „Sphere“ in den Fünf Höfen und die „Mooswand“ an der Fassade der Munich Re (Münchener Rückversicherung). Wahrnehmung, Wirklichkeit und Bewusstsein spielen in den Werken Ólafur Elíassons, der in Kopenhagen und Berlin lebt, eine tragende Rolle. Die meisten seiner Installationen beschäftigen sich mit physikalischen Phänomenen in der Natur, wie Licht, Wasser oder Bewegung, und folgen einem Leitgedanken: „You only see things when you move“ – man sieht Dinge nur, wenn man sich bewegt. „Umschreibung“ verkörpert diesen Gedanken ganz wunderbar. Das Leitmotiv dürfen Besucher:innen des Kunstobjekts als eine willkommene Offerte verstehen, das umliegende Viertel mit seinen Altbauten, verwinkelten Hinterhöfen, kleinen Boutiquen, Delis und liebevollen Cafés zu erkunden.

Wie hinkommen:
Mit der DB nach München. Vom Hautbahnhof mit den U-Bahn-Linien U4/U5 bis zur Haltestelle „Schwanthalerhöhe“ oder mit einem Leihfahrrad bis zur Ganghoferstraße 29.
Aktuelle Informationen finden Sie unter www.bahn.de.

Für wen:
Kunstinteressierte, Liebhaber:innen von Stadtspaziergängen, Instagram-Motivjäger:innen.

Mitbringen:
Zeit, um das Viertel mit seinen vielen kleinen Läden und Cafés rund um die Schwanthalerhöhe zu entdecken.

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