Starke Signale

Die ICE der neuesten Generation befördern fast 1000 Fahrgäste. Denen möchte die DB Reiseinformationen in Echtzeit und schnelles Internet garantieren – und baut dafür leistungsfähige Computernetzwerke ein

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Julia Göbel
Foto: DB AG
Digitalisierung bei Tempo 300, das ist ihr Ziel: Julia Göbel, 40, Projekleiterin DB Fernverkehr

Der Zug, der die Zukunft an Bord hat, steht in einer Werkshalle in Berlin-Rummelsburg. Stromabnehmer, Frontscheibe, Scheibenwischer – alles muss ein letztes Mal geprüft werden, bevor der neue ICE den Betrieb aufnehmen kann. Auch die Technik auf dem Dach. Julia Göbel geht mit dem Abnahmeteam der DB auf einer vier Meter hohen Bühne am Zug entlang. Auf der Höhe eines rechteckigen Kastens bleibt sie stehen. „Das sind die Antennen, die schnelles WLAN in die Züge bringen“, sagt die Projektleiterin „ITonICE“ von DB Fernverkehr. Nun gilt es, noch einmal zu prüfen, ob die Vorrichtungen luft- und wasserdicht mit der Außenhaut verschweißt wurden.

So unscheinbar die Boxen aussehen – sie sind Teil einer Technologie, mit der die DB ihre Flotte zu fahrenden Rechenzentren macht. ITonICE heißt die neue Infrastruktur, die für mehr Komfort und Kapazität bei der Datenübertragung steht. Julia Göbel leitet den Umbau der IT mit einem 30-köpfigen Team. Geht es nach der Wirtschaftsingenieurin, soll die Vision vom vernetzten, rollenden Büro endgültig Wirklichkeit werden.

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Besser surfen: Neue Antennen leiten mehr Signale von außen in die ICE-Züge

Zunächst wird der „XXL“ auf diese Art aufgerüstet. Der längste ICE der DB-Flotte bietet mit 13 Wagen und einer Länge von 374 Metern fünfmal mehr Sitzplätze als ein Mittelstreckenflugzeug. 918 Personen sollen versorgt werden mit aktuellen Informationen zu ihrer Fahrt und schnellem Internet am Platz. Seit Dezember 2021 sind 20 Züge der Baureihe im Einsatz und fahren beispielsweise auf der Linie München–Köln. 30 weitere werden bis 2023 mit neuer Technik den Betrieb aufnehmen, parallel dazu rüstet die DB ältere Baureihen um, zum Beispiel bei der Modernisierung des ICE 1.

Bislang regelte der Hersteller die gesamte IT – ob es um essenzielle Funktionen wie das Beschleunigen, Bremsen und Türenschließen oder um die Anzeige der Abfahrtszeit ging. Der Haken: Ist das System einmal installiert, kann die Bahn selbst keine Anpassungen vornehmen, wie Göbel beispielhaft erläutert: „Wir möchten auf dem Monitor anzeigen lassen, wenn ein Zug vor dem vorgesehenen Bahnhof endet. Da diese Information vom eingebauten System nicht bereitgestellt wird, müssen wir die Anpassung bei jedem einzelnen Hersteller bestellen.“

Das kostet Zeit und ist umständlich. Also verlegt die DB eigene Kabel und bringt damit ihre IT in die Züge. Genau genommen sind es zwei Kabelstränge unter dem Fußboden, die die Daten von Wagen zu Wagen übertragen. Die neu installierten Computer, Schalter und Kabel sind so gebaut, dass sie sämtliche Fahrgast-Services schneller als bisher bereitstellen. Dazu gehören vor allem Reiseinformationen, etwa über Anschlüsse, Verspätungen oder Gleise, die bei kurzfristigen Änderungen in Echtzeit auf den Displays in den Wagen erscheinen.

Alles wird immer vernetzter, da ist es wichtig, dass unsere Fahrgäste alle relevanten Informationen zur Reise im Blick haben.

Julia Göbel, Projekleiterin DB Fernverkehr

Auch das neue Design der Infomonitore integriert sich nach dem Systemwechsel nahtlos in die anderen digitalen Kommunikationskanäle der DB. So können Fahrgäste schnell und einfach erkennen, von welchem Gleis welcher Anschlusszug fährt oder wie viel Zeit zum Umsteigen bleibt. Hierfür hat das Team vom Digitalen Produktmanagement intensiv mit Designer:innen und Kund:innen Prototypen getestet, um die beste Darstellung zu finden.

Insgesamt waren es an die 40 Lieferanten, darunter Entwicklungsteams, Hardware- und Software-Hersteller, die Göbel zusammen mit Kolleg:innen koordinierte. „Ich mag große Herausforderungen“, sagt die 40-Jährige. „Alles wird immer vernetzter, da ist es wichtig, dass unsere Fahrgäste alle relevanten Informationen zur Reise im Blick haben.“

Was viele Fahrgäste freuen dürfte: Zur neuen Architektur gehört auch ein verbessertes Internet, das über das bekannte Zug-WLAN angeboten wird. Die bisher vier Antennen pro Zug ersetzte die DB durch die doppelte Anzahl leistungsstärkerer Sender und Empfänger auf dem Dach. Gleichzeitig erhöhte man die Zahl der Innenantennen und Schnittstellen in den Wagen. „Es kommt mehr rein, und es wird besser verteilt“, sagt Göbel. Jedoch hänge die Qualität des Internets nicht allein von den Bestrebungen der DB ab. „Wie viele Funkmasten an den Strecken stehen und mit welcher Leistung sie senden, liegt in den Händen der Netzbetreiber.“

Was in ihrer Macht steht, setzt die DB jetzt in wachsendem Tempo um. Zwar dient der geplante Ausbau des Werks in Rummelsburg im Südosten Berlins in erster Linie dem Ziel, mehr Kapazitäten für die Instandhaltung zu schaffen. Doch auch die IT-Aufrüstung der Züge nimmt damit noch mehr Fahrt auf.

Das neue IT-System gilt als wichtiger Schritt zur Digitalisierung der Fernverkehrsflotte. Neben den ICE 4 mit 13 Wagen erhalten demnächst die siebenteiligen Züge eine Aufrüstung. Danach folgen die mit zwölf Wagen. Bis 2025 soll ein Großteil der Flotte damit ausgestattet sein. Spätestens dann werden Berufspendler:innen im ICE nicht mehr sagen: „Ich fahre ins Büro.“ Sondern: „Ich fahre im Büro.“

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