Schnüffeln für den Artenschutz

Hundenasen sind extrem sensibel. Das macht sich die DB zunutze: Sie lässt Spürhunde nach bedrohten Fledermäusen, Nattern und Eidechsen suchen, um deren Biotope zu erhalten. Ein Besuch beim Training

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Foto: DB AG/Patrick Kuschfeld
Auf Gerüche konditioniert werden die DB-Artenspürhunde zum Beispiel an der sogenannten Scentbox, die mit Kot-, Haut- oder Fellresten der aufzuspürenden Tiere bestückt wird

Finya zieht ihre Kreise enger. Die Nase am Boden, dreht die Jagdhündin kleine Pirouetten. Ihre Pfoten wirbeln umeinander, ihr Schopf wippt auf und ab – sie hat etwas entdeckt. Ein grellroter Kiesel liegt auf ihrer Bahn. Finya wird ruhiger, setzt sich und schaut konzentriert auf ihren Fund. „Feiiin!“, ruft Ausbilderin Kathleen Spittel-Schnell. Der Springer Spaniel hat den richtigen Kiesel angezeigt – zur Belohnung gibt’s einen Spielzeugknochen.   

Biologin Spittel-Schnell spricht von „anzeigen“, wenn ein Hund seine Entdeckung für sie sichtbar macht. „Finyas Hundeaugen können gar nicht erkennen, dass sich der Kiesel farblich vom Schotter abhebt“, erklärt sie. Riechen kann sie ihn dafür weitaus besser als der Mensch. Spittel-Schnell, die in Thüringen lebt, arbeitet in einem fünfköpfigen Team von Referent:innen für Artenkartierung bei der Deutschen Bahn. Und sie zählt zu den Menschen, die zwischen Beruf und Berufung nicht unterscheiden. Die 30-Jährige nimmt ihre Arbeit täglich mit heim, in den Urlaub, hat sie regelrecht ins Herz geschlossen: Finya, die zu Beginn ihres Trainings bei Spittel-Schnell lebte, ebenso wie die Retriever Eskil und Fenna, die die Trainerin stets begleiten. Alle drei sind Spürhunde – sie sollen Tierarten aufstöbern, deren Lebensräume von DB-Bauprojekten berührt werden könnten, zum Beispiel Mopsfledermäuse, Zauneidechsen, Schlingnattern und Gelbbauchunken.  

Foto: DB AG/Patrick Kuschfeld
Trio mit zwei Supernasen: Kathleen Spittel-Schnell mit den Retrievern Fenna und Eskil, von deren Geruchssinn ganze Bauvorhaben abhängen können

Kathleen Spittel-Schnell und ihr Team – zu dem sechs Hunde gehören – zählen zu den 50 000 Mitarbeitenden der DB Netz AG, die Europas größtes Schienennetz betreut. Es umfasst 33 000 Kilometer – und soll weiter ausgebaut und erneuert werden, denn die Bahn spielt für die Erreichung der deutschen Klimaschutzziele eine wichtige Rolle. Damit Fernreisende und Pendler:innen künftig klimaschonender reisen und im Güterverkehr jährlich 13 Millionen Lkw-Touren vermieden werden, nehmen Bund, Länder und die DB bis 2030 nicht weniger als 170 Milliarden Euro in die Hand.  

Doch eine klimafreundlichere Wirtschaft mit dem Naturschutz in Einklang zu bringen bedarf einiger Anstrengung. Windkraftunternehmen zum Beispiel müssen Lösungen finden, wie Vögel vor Windrädern geschützt werden können. Und wer die Verkehrsinfrastruktur umweltfreundlicher gestalten will, macht mitunter die Erfahrung, dass die Entdeckung einer Fledermauskolonie ein Bauvorhaben um Jahre verzögern kann. Die nachtaktiven Insektenfresser zählen in Deutschland zu den bedrohten Arten.   

Die DB hat deshalb bei all ihren Aktivitäten stets die größtmögliche Schonung von Pflanzen und Tieren, die auf oder entlang von Bahnanlagen leben, im Blick. Sie berücksichtigt Naturschutz schon bei der Planung. Bei unvermeidbaren Eingriffen in den Naturhaushalt leistet die Deutsche Bahn Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen – jährlich einige Tausend. Seit 2010 hat sie mehr als 38 000 solcher Maßnahmen umgesetzt. Könnten etwa Fledermäuse von der Streckenführung einer neuen Trasse betroffen sein, finanziert die DB beispielsweise Fledermaushotels als Ausgleich.  

Foto: DB AG/Patrick Kuschfeld
Such die Zauneidechse! Spaniel-Hündin Finya beim Training auf Bahngelände

Die Artenschutzhunde der Bahn verdanken ihre Ausbildung Michael Schmitt, ebenfalls Biologe und Teamleiter Artenkartierung und Umwelt- und Immissionsschutz bei der DB. „Der Einfall mit den Spürhunden kam mir, als ich in Südtirol einen Kollegen beobachtete, der mithilfe seines Hundes im steilen Gelände Brutplätze von Vögeln erforschte“, so der 48-Jährige. Er machte sich bei Polizei, Zoll, Bundeswehr und einem Verein für den Einsatz von Artenspürhunden schlau, erstellte ein Konzept, reichte seinen Vorschlag bei einem DB-Ideenwettbewerb ein. Und brachte es so weit, dass man ihn schließlich fragte: „Michael, was brauchst du dafür?“  

Neun Menschen, sechs Hunde, war seine Antwort. Nun ziehen Biolog:innen, Kartierer:innen und Digitalexpert:innen an einem Strang. Was die Hunde aufspüren, wird auf einer zentralen Datenplattform zusammengetragen, die nach und nach Ergebnisse aus ganz Deutschland abbilden soll. Vorerst trainieren die Hunde noch – 2022 wird es aber ernst. An der Leine ihrer menschlichen Partnerin sucht Finya nach dem nächsten Zielobjekt. Die sind so klein, weil geringes Gewicht auch heißt: wenig Geruch. Das ist gut fürs Training, denn Finya und ihre Artgenossen sollen ja auch die flüchtige Note einer Natternhaut erhaschen.  

Doch wie behält die Hündin ihre Konzentration? Spittel-Schnell betont, man müsse sich auf Hunde einlassen, um sich auf sie verlassen zu können. „Sie sollen Funde sicher anzeigen und sich nicht unter Druck gesetzt fühlen.“ Dafür geht die Hundeführerin auf Eigenheiten ihrer Schützlinge ein, kennt jede ihrer Vorlieben: Während Finya sich eben über Spielzeug als Anerkennung freut, wird Retriever Fenna mit Futter belohnt.   

Es gibt im Leben der Trainerin auch Hunde, die keine „Kollegen“ sind. Sky zum Beispiel, ebenfalls ein Retriever, aber keine Jagdhundzüchtung, sondern eher Familienhund. Ist die Biologin im Einsatz, wartet die „Plüschkugel“, wie Spittel-Schnell sie nennt, geduldig auf ihre Rückkehr – zu Hause auf der Couch. Was Eskil und Fenna wohl von ihrem Tag berichten? 

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