„Es soll bäm! machen“

Heller und schicker: Die DB gestaltet die Bahnhöfe neu. Sie sollen wieder zu Treffpunkten werden

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Datum: 27.05.2022
Lesezeit: 5 Minuten
Andreas Varnhorn

Der Weg in die Zukunft ist bunt. Er führt über eine Treppe vorbei an einem Wandgemälde in einen Empfangsbereich, der warmes Licht durch gelb-orange-grüne Fenster hineinlässt. An den Wänden weist ein Mosaik aus hell- und dunkelblauen Kacheln auf Ziele in der Umgebung hin, über dem Portal werden Reisende mit dem Satz „Schön, dass Sie da sind“ empfangen. Sofort ist klar, warum Sandra Schreiner diesen Ort für ein Treffen gewählt hat. Offenbach Marktplatz ist ein S-Bahnhof, der beeindruckt. „Es soll bäm! machen“, sagt die Innenarchitektin der DB, „die Reisenden sollen sich sofort willkommen fühlen.“

Der Eingang führt über Rolltreppen zum Bahnsteig, der ebenfalls aufgeräumt und hell wirkt. „Früher war es hier eher dunkel, man hatte den Reflex, schnell wegzukommen“, erinnert sich Schreiner. Heute erzeugen ringförmige Deckenstrahler unter einem weißen Deckengewölbe ein angenehmes Licht. Statt kalter Gitterbänke laden Holzmöbel zum Verweilen ein. Sitzinseln wurden installiert, zudem hölzerne Theken mit Taschenhaltern und USB-Anschlüssen.

Die Station, die 2020 neu eröffnet wurde, dient als Modell dafür, wie sich die DB den Bahnhof der Zukunft vorstellt. Überall in Deutschland sind Architekt:innen und Produktentwickler:innen gerade dabei, Stationen des Nah- und Fernverkehrs umzugestalten  – von Bahnhofsvorplätzen und Empfangsgebäuden bis zu Wegeleitsystemen. So sind in Offenbach alle Ausgänge mit großen Buchstaben gekennzeichnet, die in die Navigation von Google Maps integriert worden sind.

Die 48-jährige Schreiner gehört zum neu geschaffenen Design-Team, in dem interdisziplinär Architekt:innen, Designer:innen und Projektmanager:innen zusammenarbeiten. Gemeinsam mit den Regionalbereichen der DB entwickelt das Team individuelle Gestaltungskonzepte für Bahnhöfe und ihr Umfeld. Schreiner ist zuständig für den Regionalbereich Mitte mit der Vorzeigestation Offenbach. Hier wurde vieles umgesetzt, was Reisende in Befragungen immer wieder wünschten: „Sauberkeit“, „Sicherheit“, „Helligkeit“, gefolgt von „entspanntem Verweilen“.

DB AG/Axel Hartmann
Neue Farben und Formen in Saarlouis

Es seien viele Details, die das Wohlgefühl am Bahnsteig steigerten. Vor allem das neue Mobiliar in Offenbach, das ergaben Umfragen, werde von Reisenden geschätzt. „Viele wünschen sich das für andere Bahnhöfe“, sagt Schreiner, während sie sich einer Holztheke nähert, auf der Namen und Zeichen eingeritzt wurden. Das alte Design-Gesetz, nach dem die Form der Funktion zu folgen habe, muss an Bahnhöfen ergänzt werden um einen Aspekt: Ist das Material wirklich zukunftstauglich? „Wir beobachten das“, sagt Schreiner.

Manches ist noch in der Erprobungsphase, doch das große Bild hat sie klar vor Augen. „Wir wollen Bahnhöfe wieder zu dem machen, was sie früher einmal waren – zu Orten der Kommunikation.“ Dafür schafft die DB heute Sitzinseln mit USB-Anschluss oder mit Pflanzen gesäumte Arbeitspavillons. Auch solle die Gestaltung die Besonderheiten der Stadt aufgreifen, betont Inga Schlichting, Leiterin Produktmanagement und Smart Cities bei DB Station&Service. „Bahnhöfe sind auch immer Visitenkarten ihrer Stadt, hier knüpfen wir an und wollen den regionalen Charakter der Stationen stärken.“

Nicht weit entfernt vom Marktplatz zeigt die S-Bahn-Station Ledermuseum, wie das aussehen kann. Im Eingangsbereich stößt man auf ein Tableau von Kacheln, auf denen Begriffe wie „wasserabweisend“ oder „hautnah“ stehen. Ein QR-Code darunter führt zu den dazu passenden Materialien, die im Museum zu sehen sind. In Mainz, einer Fahrradstadt, zieren Velomotive die Bahnhofswände. In Saarlouis nutzte man das Motiv der Sonne in Anspielung an den Namensgeber, Sonnenkönig Ludwig XIV., für die Gestaltung von Wänden und Fußböden.

DB AG
Koordiniert hat die Gestaltung im Regionalbereich Mitte Sandra Schreiner

Um den Komfort im Bahnhof zu steigern und Bahnfahren noch attraktiver zu machen, denkt die Deutsche Bahn in viele Richtungen. Zum Beispiel an die Möglichkeit, Spielzonen für Kinder einzurichten, an begrünte Ruhezonen und Marktstationen, wo regionale Anbieter:innen frische, nachhaltig erzeugte Produkte als Bowls und Salate bereitstellen.

„Es ist spannend, was gerade passiert“, sagt Schreiner. Vor ein paar Jahren noch hat die Mainzerin als Innenarchitektin Hotellobbys und die VIP-Logen des Bundesligisten Mainz 05 eingerichtet. 2017 wechselte sie zur DB, um in einem Team von Architekt:innen und Designer:innen am großen Rad zu drehen. „Mich hat die Vielseitigkeit gereizt“, sagt sie, „ich mag es, Projekte zu steuern, und bin gerne auf der Baustelle, um selbst auch mit anzupacken.“ Und anzupacken gibt es weiterhin einiges: Zu ihren nächsten Baustellen gehören die Hauptbahnhöfe Kassel und Marburg.

Erschienen in DB MOBIL Ausgabe 06/22

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