Einmal Europa und zurück

Marco Kampp hat von Aarhus bis Rimini alles im Blick: Der Leiter Internationaler Fernverkehr bei der DB sorgt dafür, dass Europas Städte näher zusammenrücken – durch immer bessere Zugverbindungen

Von:
Lesezeit: 5 Minuten
Arnaldo Abba Legnazzi
Auf den Gleisen Europas zu Hause: DB-Manager Marco Kampp im Februar 2020 auf dem Bahnhof von Verona

Wer Marco Kampp per Videocall anruft, erspäht im Bücherregal hinter ihm außer einer Büste von Galileo Galilei auch Bongotrommeln. Und sie stehen da nicht nur zur Zierde. „Musikalisch bin ich als Bassist und Gitarrist unterwegs“, sagt Kampp, „aber Bongos sind hilfreich, wenn man mal den richtigen Takt angeben muss.“ Takt und Rhythmus – das prägt auch Kampps beruflichen Alltag: Der 46-Jährige ist Leiter Internationaler Fernverkehr bei der DB. Er und sein 25-köpfiges Team kümmern sich darum, deutsche Städte mit Direktzügen, schnellen Verbindungen und günstigen Umsteigemöglichkeiten mit dem europäischen Ausland zu verknüpfen. Klingt so banal. Ist höllisch kompliziert.

Kleine Kostprobe: Bis 2017 die erste Direktzugverbindung von Frankfurt am Main via Basel nach Mailand stand, musste Kampps Team eine Fülle von Fragen klären, etwa: Wie integrieren wir den grenzüberschreitenden Zug in die Fahrpläne dreier Länder? Welche sprachliche Voraussetzung muss das Personal an Bord erfüllen? Und auch: Wie bewerben wir die neue Verbindung?

Schon die kurze Aufzählung macht deutlich, wie vielfältig die Aufgaben sind – und dass man dafür nicht nur Fahrplan-Mathematiker:innen braucht. „Mein Team setzt sich aus Expert:innen für Verkehrswissenschaft, Tourismus und Betriebswirtschaft zusammen“, erläutert Kampp, der neben Englisch fließend Italienisch spricht. „Sie brauchen ein tiefes Verständnis für Verkehrsnetzwerke und eine hohe interkulturelle Kompetenz, weil wir naturgemäß intensiv mit internationalen Partner:innen zusammenarbeiten. Und sie alle sind begeisterte Europäer:innen, die das Reisen lieben!“

Kampp selbst begleitet der Gedanke des europäischen Miteinanders seit seinem Studium. Er hat Mathematik und Physik studiert – erst in Heidelberg, dann im englischen Cambridge, wo er auch seine Doktorarbeit schrieb. „Die Studierenden dort kamen aus aller Welt, und es war fabelhaft, sich nicht nur mit dem eigenen Fachbereich zu beschäftigen.“ So habe er gelernt, die Welt auch aus dem Blickwinkel anderer Disziplinen zu betrachten.

Kampp, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, lebt mit seiner Familie in Brixen, Südtirol, und war bis zum Ausbruch von Covid-19 nahezu pausenlos unterwegs: montags beispielsweise in Frankfurt am Main, dienstags in Paris, Rom oder Warschau, donnerstags in Verona zu der italienischen Niederlassung der DB, deren Geschäftsführer er auch ist. Zurzeit ist auch sein Wirkungskreis covidbedingt eingeschränkt, umso intensiver pflegt Kampp den persönlichen Austausch im Digitalen. „Viele Kolleg:innen in unserer Branche sind nur über Sekretariate und mit Terminanfragen zu erreichen“, sagt etwa Heike Luiten von den Niederländischen Bahnen, die mit Kampp zurzeit an einer schnelleren Verbindung Berlin–Amsterdam feilt. „Muss ich dagegen etwas mit Marco klären, genügt häufig eine Whatsapp.“

Die noch größere Herausforderung seiner täglichen Arbeit sei ohnehin nicht das Verständnis untereinander, sagt Kampp. „Es sind die Technik und die unterschiedlichen Systeme.“ Die Hemmnisse sind vielfältig: Während die Züge in Deutschland mit Wechselstrom fahren, ist in Italien Gleichstrom angelegt. Europaweit existieren allein 16 verschiedene Signalsysteme. Und selbst wenn die Züge längst grenzüberschreitend durch Europa rollen: Fürs Personal gilt das noch lange nicht. Aus arbeitsrechtlichen Gründen sind auf deutschen Gleisen in der Regel nur Zugbegleiter:innen der DB unterwegs, in der Schweiz das Personal der Schweizerischen Bundesbahnen und in Italien das der Staatsbahn FS.

Es gibt also noch viel zu tun für Kampp und sein Team, damit das Europa der Bahnen weiter zusammenwächst. Dass die EU 2021 zum „Europäischen Jahr der Schiene“ erklärt hat, um den Umstieg auf die Bahn als nachhaltiges und zukunftsweisendes Verkehrsmittel weiter zu fördern, freut natürlich auch den Europa-Verbinder Kampp. So ist es sein Traum, dass „sich die Grenzen im europäischen Bahnverkehr irgendwann auflösen und zum Beispiel der technisch notwendige Aufenthalt eines EuroCity am Brenner von heute 13 Minuten reduziert wird – auf null“. Oder anders gesagt: Bis der europäische Bahnverkehr den idealen Takt gefunden hat, muss Kampp die Bongos wohl noch ein paarmal aus dem Regal holen.

Schreiben Sie uns!

Der Artikel hat Ihnen gefallen, Sie haben eine Frage an die Autorin/den Autor, Kritik oder eine Idee, worüber wir einmal berichten sollten? Wir freuen uns über Ihre Nachricht.