Dieser Baum spielt Single-Börse

Tinder, Parship und Knuddels können einpacken: In Schleswig-Holstein steht eine Eiche, die Singles auf ganz natürliche Weise vermittelt – und sogar Ehen stiftet

Von:
Eutin Braeutigamseiche
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Toter Briefkasten in lebendigem Baum: Über eine Leiter erreichen Partnersuchende das Astloch in drei Metern Höhe und können dort ihr Gesuch dalassen

Die Sache mit der Liebe, sie ist im Laufe der Zeit nicht einfacher geworden. Um sie zu finden, haben sich Menschen immer mal wieder verrückte Sachen einfallen lassen. Algorithmen und digitale Persönlichkeitstest sind Teil der modernen Partnersuche. Eins aber können wir Menschen uns trotz der Sehnsucht nach Berechenbarkeit des an sich Unberechenbaren offenbar nicht abgewöhnen: den Glauben an wundersame Zufälle oder das alles verändernde Schicksal, je nach Neigung. Wie sonst wäre es zu erklären, dass eine alte Eiche zum Hoffnungsträger einsamer Herzen avancierte?

„Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin“ lautet die Adresse des Baums, wohl der einzige Europas mit eigener Anschrift. Hier landen Kontaktgesuche von Singles; wer mag, kommt her, stöbert in den Briefen und schreibt bei Interesse zurück. Sinnlos? Von wegen, mehr als zehn Ehen sind so bereits gestiftet worden.

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Wer einen Brief in das Astloch geben möchte, kann das auch per Post tun. Die Adresse lautet: Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin

Alles begann mit Fräulein Orth, Dodauer Försterstochter, die Herrn Schütte-Felsche liebte, Sohn eines Schokoladenfabrikanten. Die Eltern waren, wie es sich für jede anständige Liebesgeschichte gehört, strikt gegen diese Verbindung. Was nichts daran änderte, dass dennoch eifrig Liebesbriefe hin und herwanderten, ein Astloch der Eiche diente als Briefkasten. Die Eltern ließen sich umstimmen, die zwei heirateten 1891 – unter der Eiche, natürlich. Kaum ein Tag vergeht seither, an dem keine Briefe in dem Astloch drei Meter über dem Boden landen, zu Spitzenzeiten sind es an die 50 Briefe täglich. Eingeworfen wurden sie 20 Jahre lang von Karl-Heinz Martens, der übrigens lange Zeit skeptisch war, was das romantische Gedöns anbelangte – bis er selbst eines Tages seine große Liebe mithilfe der Bräutigamseiche fand. Es mag altmodisch sein, in einen Wald zu fahren, in einen Baum zu greifen und in Partnergesuchen zu lesen – das Briefgeheimnis ist hier selbstverständlich aufgehoben. Aber jene Hoffnung auf Magie, mit der kein Algorithmus dieser Welt konkurrieren kann, sie ist immer noch da. Und das ist irgendwie beruhigend.

Verlieben werden Sie sich auf jeden Fall – zumindest in die Holsteinische Schweiz, wo die Bräutigamseiche steht. Mehr als 200 Seen gibt es in diesem Naturpark zwischen Lübeck und Kiel, dazu hügelige Landschaften, Schlösser und Herrenhäuser, Badestellen und die nahe Ostsee.

Wie hinkommen: 
Mit IC/RE nach Malente-Gremsmühlen, dann rund 1 Stunde zu Fuß, größtenteils durch den Wald.

Für wen: 
Wanderer, Waldbader, Romantiker und Technik-Skeptiker, die an Zufälle und Schicksal glauben.

Was es noch zu wissen gibt:
Am nahe gelegenen Forsthaus wurden Szenen der „Immenhof“-Filme gedreht.

Was man da auch tun kann:
Wenn ein Mädchen bei Vollmondschein schweigend und ohne zu lachen dreimal um den Baum geht und dabei an den Geliebten denkt, so wird sie noch innerhalb eines Jahres heiraten.

Infos
www.holsteinischeschweiz.de/braeutigamseiche
 

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