Abfall von Gleis 5

Was passiert eigentlich mit einem Trinkpäckchen, das am Bahnhof weggeworfen wird? DB MOBIL hat sein Recycling-Abenteuer Station für Station verfolgt

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Dies ist eine Geschichte über das, was von einer langen Reise übrigbleibt. Sie beginnt an einem Mittwochmorgen um acht am Magdeburger Hauptbahnhof – an einem Abfallbehälter zwischen Gleis 5 und Gleis 6, direkt neben dem Stiefmütterchenbeet. Eine Frau wirft im Vorbeigehen ein Trinkpäckchen in den Eimer. Was für sie nur den Bruchteil einer Sekunde dauert, ist für den Getränkekarton der Beginn einer komplizierten Reise in die Nachwelt der Rohstoffe. Und ob sie zum Ziel führt oder nicht, hängt von der Antwort auf eine einzige Frage ab: Wird der Abfall korrekt getrennt?

Erster Akt:

MAGDEBURG HAUPTBAHNHOF, DER ABFALLBEHÄLTER

„Wir haben hier eine eilige Kundschaft“, sagt Karin Meyer, die Managerin des Magdeburger Hauptbahnhofs. „Die wollen schnell wieder die Hände frei haben und gucken nicht, was sie wo reinwerfen.“ Obwohl an den Öffnungen „Glas“, „Plastik“, „Papier“ oder „Restabfall“ stand, gab es eine Menge Fehleinwürfe – vieles landete dort, wo im Behälter eben noch Platz war. Weil das nicht nur in Magdeburg geschah, sondern überall in den Bahnhofswelten und Zügen, hat die DB ein neues Abfallkonzept eingeführt, das es den Kund:innen einfacher macht. Motto: Aus vier mach zwei – es gibt nur noch zwei Abfallfraktionen. Das soll die Abfalltrennung erleichtern.

Zweiter Akt:

DAS MÜLLTAXI

Der Vorarbeiter Eckhard Kieler kommt den Bahnsteig 6 entlang und schiebt dabei einen silbernen Wagen, auf dem „Mülltaxi“ steht. Dort hinein verlädt er die blauen und roten Müllsäcke, die er aus dem Behälter neben den Stiefmütterchen zieht. Blau für Papier, rot für den Abfall. Das Trinkpäckchen ist „rot“, denn es besteht nicht nur aus Pappe, sondern ist innen auch mit dem Kunststoff Polyethylen und mit Aluminium beschichtet. Ziel des neuen Abfallkonzepts ist es, möglichst viele Wertstoffe in den Stoffkreislauf zurückzuführen. Kieler tut dafür sein Bestes. Zweimal am Tag schafft der 59-Jährige die Säcke zu Containerpressen außerhalb des Bahnhofs, wo der Abfall wie in einem Müllwagen komprimiert wird. Sind die Pressen voll, ruft Kieler die Firma Stork Umweltdienste an, die Papier- und Abfallcontainer abholt. „Es ist schon oftmals anstrengend“, sagt Kieler über seinen Job. Der Kilometerzähler seiner Uhr zeige abends um die 14 Kilometer an. Dabei sind die Behälter im Moment wegen Corona relativ leer – es sind weniger Reisende unterwegs.

Dritter Akt:

MAGDEBURGER HAFEN, GELÄNDE DER RECYCLINGFIRMA

„Wo bleibt der Wagen?“, ruft Firmenchefin Kerstin Stork in ihr Telefon. „Ich warte an der Waage!“ Sie steht am Eingang zu einer der zehn Anlagen, in der der Abfall samt Lkw erst einmal gewogen wird. Durch das Wiegen wird dokumentiert, wie viel Material – das Kapital des Unternehmens – hereinkommt und wie viel zur weiteren Verwertung wieder herausgeht. Auf dem Areal türmen sich ringsum Berge von Erde, Kies und Asche – die Überbleibsel von Baustellen oder Straßen. Auf einer dunkelblauen Halle steht in haushohen weißen Lettern „STORK!“ Hinter ihren Wänden lagern umweltschädliche Abfälle, die für das Recycling aufbereitet werden. Das Unternehmen hat sich mit der Aufbereitung von Schlacken und Metallen einen Namen gemacht. Die Deutsche Bahn arbeitet schon seit 1995 mit Stork zusammen, um die gewaltigen Mengen zum Beispiel von Gleisschotter und Bahnschwellen recyceln zu lassen. Stork ist eine:r von 25 Recycling-Spezialist:innen, mit denen die Bahn zusammenarbeitet. Und mittlerweile landen auch die roten Abfallsäcke aus Zügen oder von Bahnhöfen in Sachsen-Anhalt und Sachsen hier.

Als der Laster kommt, steckt Kerstin Stork zufrieden die Hände in die Hosentaschen. Und erklärt: „Alle Abfälle werden verwertet, entweder stofflich oder – falls keiner Wertstofffraktion zusortierbar – energetisch.“

Vierter Akt:

DIE SORTIERHALLE

Hier beginnt eine grobe Auslese von Stoffen, die wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden. Ein Mitarbeiter mit weißem Overall, Helm und Schutzhandschuhen sortiert die sichtbaren, größeren Stücke aus. Glas legt er extra, Pappe und Kartons schafft er an die Seite, Kunststoffplanen und Folien türmt er zu eigenen Haufen auf. Kleinere Teile, die noch sortierfähig sind, gehen von Stork zu regionalen Partner:innen. Die holen rund 85 Prozent Wertstoffe aus der Menge heraus. Es gibt aber auch Säcke, die zu feucht sind, als dass daraus noch etwas fürs Recycling zu gewinnen wäre. Sie landen im Restmüllcontainer. Der wird später in ein Heizkraftwerk in der Region gebracht, sein Inhalt „thermisch verwertet“, also verbrannt, um Energie zu erzeugen, was immerhin fossile Brennstoffe schont. Und das Trinkpäckchen? „Mit dem Aluminium holen wir uns etwas zurück“, erklärt Stork. Die übrigen zurückgewonnenen Wertstoffe werden sortiert zur weiteren Verwertung an Partner:innen abgegeben.

Fünfter Akt:

DIE METALLAUFBEREITUNG

Kerstin Stork führt zurück zur Hauptzentrale. Dort lagern überwiegend Rost- und Kesselaschen aus der Hausmüllverbrennung. Daraus gewinnen Stork und ihre Leute etwas mit Ewigkeitswert: Metalle. Manchmal auch solche, die man gar nicht erwartet. „Mich fasziniert immer wieder, dass sogar Eheringe ihren Weg zu uns finden“, sagt Kerstin Stork. „In der erloschenen Asche sind Ringe perfekt zu erkennen. Versehen oder Absicht, wer weiß das schon.“

Zwischen Betonmauern aus Steinen, die XXL-Legosteinen gleichen, die Storks Unternehmen aus recycelten Baustoffen herstellt, sind Metallreste aufgehäuft. Rostiges Eisen lagert hier und Nicht-Eisen-Metalle in einem stumpfen Weiß, aus denen in mehrstufigen Verfahren metallische Rohstoffe herausgefiltert werden. Auch der wiederverwertbare Teil des Trinkpäckchens steckt irgendwo darin: das Aluminium. Um es aus der Asche zu gewinnen, muss es von den anderen Metallen getrennt und von mineralischen Resten – also Schmutz – befreit werden. In der Halle rattern Laufbänder, rotieren Trommeln, surren Wirbelstromabscheider, bis am Ende zu 95 Prozent gereinigtes Recycling-Aluminium herausfällt.

Sechster Akt:

GUTE WEITERFAHRT

Was bleibt also von unserem Trinkpäckchen? Der Karton und die Kunststoffbeschichtung drehen keine weitere Runde im Stoffkreislauf. Das Aluminium hingegen tritt zusammen mit den anderen Metallresten seine Reise ins Recycling an. Der überwiegende Teil des recycelten Aluminiums wird in der Stahlproduktion verwendet: Es wird zugesetzt, um den Stahl vor Versprödung und Rissen zu schützen – die sinnvolle Verwendung eines zurückgewonnenen Wertstoffs

SAUBER GETRENNT:
DAS NEUE ABFALLKONZEPT DER DB

Jährlich fallen an den Bahnhöfen und in den Zügen der DB rund 60 000 Tonnen Abfall an. Mit der Umstellung auf die neue Zweifach-Abfalltrennung trennen Reisende künftig nur noch gemischte Abfälle (zum Beispiel Kaffeebecher, Glasflaschen oder Lunch-Boxen) und Papier. Der Effekt: Wiederverwertbare Ressourcen können nun schneller und in größerem Umfang recycelt werden. Das Ziel in konkreten Zahlen:
Künftig stehen 85 Prozent der Abfälle als sauber getrennte Wertstoffe für das Recycling zur Verfügung.

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