Essen zum Mitnehmen: Schüsselfertig

Essen und Trinken unterwegs werden ab diesem Monat noch nachhaltiger: Imbisse und Restaurants müssen ihrer Laufkundschaft nun Mehrweggeschirr anbieten. Wir stellen die wichtigsten Systeme vor und erklären, was To-go-Kunden wissen sollten

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Von außen betrachtet sind die Schüsseln wenig spektakulär. Sie bestehen aus dem einfachen Kunststoff Polypropylen, der auch für Gartenstühle verwendet wird. Mal sind sie grauweiß, mal türkis, haben ein Fassungsvermögen von bis zu 1,25 Litern und können damit von Pasta bis zum indischen Curry viele Gerichte aufnehmen. Das Besondere daran ist weder ihr Material noch ihr Design, sondern das, was zusammen mit den Speisen eingefüllt wird: das Versprechen auf ein durchdachtes Mehrwegsystem und damit einen nachhaltigeren Konsum.

Bis Ende 2022 füllte ein Großteil der Gastronomie die Speisen für unterwegs in Wegwerfboxen. Das soll sich nun ändern. Seit dem 1. Januar sind Restaurants, Bistros und Cafés gesetzlich dazu verpflichtet, für ihr Essen to go neben Einwegkunststoff- auch Mehrwegverpackungen anzubieten. Ausgenommen sind Cafés und Restaurants mit bis zu fünf Beschäftigten und einer Fläche von maximal 80 Quadratmetern, demnach viele Imbisse. Doch auch sie müssen ihrer Kundschaft jetzt ermöglichen, dass die ihre eigenen Mehrwegbehältnisse zum Befüllen mitbringen kann.

Die DB bietet im Bordbistro und im To-go-Bereich der Fernverkehrszüge als Mehrwegoption Teller, Schüsseln, Becher und Gläser aus Porzellan und Glas an – kostenfrei und ohne Pfand.

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Für Suppen, Salate oder Burger: Anbieter wie Rebowl oder Vytal bringen verschiedene Schalengrößen in Umlauf

Eine Schale kann 500-mal benutzt werden
Die gute Nachricht für alle Verbraucher:innen: Wer Mehrweg nutzen möchte, kann das künftig fast überall tun und damit zur Müllvermeidung beitragen. Denn die robusten Schalen haben gegenüber Einwegverpackungen einen großen Vorteil: Sie können bis zu 500-mal benutzt werden. Zuletzt wuchs der Abfallberg aus Wegwerftellern, -boxen und -schalen Jahr für Jahr. Bei der bisher jüngsten Erhebung für Deutschland, 2017 vom NABU in Auftrag gegeben, betrug er 163 088 Tonnen – seit 1994 ein Zuwachs um 173 Prozent. Zuletzt hat sich die Lage weiter verschärft, weil viele Gastronom:innen coronabedingt auf Mitnahmeangebote umstellten.

Die neue Verordnung werde den Wunsch nach umweltschonendem Konsum beflügeln, glaubt Florian Pachaly von Rebowl, dem deutschen Pionier auf dem Markt für Mehrwegschüsseln. „Aus Umfragen wissen wir: Die Nachfrage bei den Kund:innen ist da, aber es gab bisher nicht genug Restaurants und Imbisse, die auf Mehrweg umstellten.“ Von rund 120 000 Gastronomiebetrieben in Deutschland fallen nach Schätzung des Unternehmers rund 80 Prozent unter das veränderte Verpackungsgesetz. „Manche sind noch gar nicht darauf vorbereitet, da gibt es einen riesigen Nachholbedarf.“

Rebowl startete 2016 unter dem Namen Recup mit Mehrwegbechern, inzwischen hat das Start-up mit 80 Mitarbeitenden bundesweit mehr als 5000 Ausgabestellen für die Mehrwegschüsseln, neben Restaurants auch Tankstellenketten und Konzerne wie die Deutsche Bahn, die in ihren Mitarbeitenden-Restaurants wiederverwendbare Schalen und -becher anbieten.

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Kurze Wege: Wer die Schüsseln zurückgeben will, soll das künftig in vielen Gastrobetrieben können

Wahl zwischen zwei Systemen: Pfand oder App
Basis des Geschäfts ist bei Rebowl ein simples Pfandystem: Die Betriebe zahlen eine monatliche Systemgebühr an das Münchner Unternehmen und verleihen die Schalen für fünf Euro Gebühr an ihre Kund:innen. Die bekommen das Pfand bei Rückgabe in einem Partnerbetrieb ausgezahlt. Anders funktioniert es bei Vytal, dem mit 5000 Ausgabestellen direkten Konkurrenten von Rebowl. Hier müssen sich Nutzer:innen per App registrieren, um das Essen bei den teilnehmenden Betrieben mitzunehmen. Durch das Scannen des QR-Codes auf der Schale wird der Behälter registriert. Solange man die Schale binnen 14 Tagen zurückgibt, entstehen für die Nutzer:innen keine Kosten. Wird die Frist versäumt, fällt eine Kaufgebühr von 10 Euro an.

Während Rebowl den Vorteil bietet, sich ohne App spontan vor Ort für Take-away entscheiden zu können, besteht die Gefahr, dass die einmal bezahlte Box irgendwann zu Hause vergessen wird und im Müll landet. Bei Vytal glaubt man dagegen, einen höheren Anreiz für die Rückgabe geschaffen zu haben. „Die Leute möchten nicht für etwas bezahlen, was sie vorher schon gratis genutzt haben, deshalb bringen 99 Prozent die Schalen wieder zurück“, sagt Mitgründer Tim Breker.

Ein Hemmschuh für die Verbreitung von Mehrweggefäßen sind bislang die Lieferdienste. Die wenigsten ermöglichen die Ausgabe und Rücknahme der Schüsseln. Eine Ausnahme bildet der Service von Gorillas, bei dem man benutztes Geschirr zurückgeben kann. Eine vergleichbare Möglichkeit erprobt Vytal gerade zusammen mit Lieferando, dem Marktführer für Online-Essenbestelldienste, in Köln.

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Platz da: Je besser die Schalen stapelbar sind, desto attraktiver sind sie für die Gastronomie und Lieferdienste

Neue Anbieter drängen ans Mehrwegbuffet
Mit der Mehrwegpflicht wächst auch die Konkurrenz für die beiden Platzhirsche. Mit Relevo drängt ein weiteres Start-up-Unternehmen in den Markt, parallel haben auch Supermarktketten wie Edeka ihr eigenes Mehrwegsystem für den Außer-Haus-Verzehr gestartet. Auch die DB hat bereits reagiert und bietet Speisen und Getränke künftig im Bordbistro und im To-go-Bereich in Gläsern und Porzellan an.

„Der Markt ist jung, noch ist nicht ausgemacht, wer und welches System sich am Ende durchsetzen werden“, sagt Thomas Prüver, Leiter des Start-up-Bereichs bei der Unternehmensberatung bei Ernst & Young. Vor allem die Marktführer Rebowl und Vytal machen gerade Dampf. Bezogen beide eine Zeitlang nahezu identische Schüsseln vom selben Hersteller, bringen sie nun eigene Produkte in Umlauf – leichter, besser zu stapeln und für größere Abnahmezahlen geeignet. Die Schlacht am Mehrwegbuffet ist in vollem Gange, beobachtet Prüver. „Die Frage ist, wer sich von der Konkurrenz abhebt. Wer hat die praktischere Schüssel, das einfachste System, die bessere Logistik beim Vertrieb der Schüsseln?“

Profitieren davon könnten am Ende wir alle. Denn wenn Mehrweg Mainstream wird, kommt das vor allem der Umwelt zugute.

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