Wie können wir gleichberechtigter arbeiten und leben?

Equal Pay, Frauenförderung, Vereinbarkeit: Wir wollen mit Schauspielerin und Fair-Fashion-Aktivistin Marie Nasemann darüber reden, was in der Arbeitswelt besser laufen könnte

Datum: 08.03.2022
Lesezeit: 5 Minuten
Katrin Lautenbach

Marie Nasemann hat seit ihrer Teilnahme an „Germany‘s Next Topmodel“ eine vielfältige Karriere hingelegt. Neben ihrer Tätigkeit als Model und als Schauspielerin in Theater und Film gründete sie das Blog: „fairknallt.de“ und klärt darin über Nachhaltigkeit in der Mode auf. Zuletzt schrieb sie ein Sachbuch zu dem Thema, „Fairknallt - Mein grüner Kompromiss“. Als Frau und Mutter zweier kleiner Kinder kennt sie gleichzeitig aus eigener Erfahrung Vorurteile und auch Hürden, die sie im beruflichen Kontext überwinden musste. Seit Jahren macht sie sich deshalb in Initiativen, auf Panels und auch auf Instagram für das Thema Gleichberechtigung stark. Wir wollen in elf Fragen erfahren, was sie in dieser Zeit gelernt hat und wo es ihrer Meinung nach noch hapert.

Frau Nasemann, zum Weltfrauentag haben Sie auf Ihrem Instagram-Kanal einen Post über Gleichberechtigung veröffentlicht. Sie waren auch schon Teil mehrerer Kampagnen zum Thema. Wo sehen Sie persönlich den größten Handlungsbedarf in der heutigen Arbeitswelt?

Unternehmen müssen mehr mit der Zeit gehen. Eltern wollen Zeit mit ihren Kindern verbringen und trotzdem Karriere machen. Wir alle können sowieso nur ein paar Stunden am Tag konzentriert arbeiten. Wieso passen sich Unternehmen nicht mehr den Bedürfnissen von Menschen nach arbeitsfreier Zeit an? Zusätzlich gibt es einen großen Handlungsbedarf, was Kinderbetreuung angeht. Wir benötigen viel mehr Erzieher:innen, und diese müssen besser bezahlt werden. Außerdem braucht es mehr Frauen in Führungspositionen und natürlich gleiche Gehälter bei gleicher Arbeit.

Was wünschen Sie sich für den Diskurs, der in diesem Bereich geführt wird?

Ich wünsche mir mehr Verständnis dafür, dass eine Frauenquote keine Männerdiskriminierung ist. Menschen fördern Menschen, die ihnen ähnlich sind, sprich Männer die weiß sind, 50 Jahre alt und gerne Golf spielen, besetzen Stellen eher mit Männern, die weiß sind, 50 Jahre alt sind und gerne Golf spielen. Durch die Quote können die oft männlich besetzten Führungsebenen aufgebrochen werden, damit es endlich auch ganz oben mehr Frauen gibt.

Was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse, die Sie aus dem Austausch mit anderen ziehen konnten?

Ich finde es toll und wichtig, wie sich immer mehr Frauen zusammenschließen und Netzwerke gründen, um sich gegenseitig beruflich zu unterstützen. Außerdem habe ich gelernt, dass es nicht feministisch ist, wenn ich den Spieß umdrehe und sexistisch über Männer rede oder herrisch auftrete. Echter Feminismus bedeutet für mich, Menschen wertzuschätzen, mein Ego hintenanzustellen und mit Aufrichtigkeit, aber eben auch Hartnäckigkeit, das zu tun, was ich liebe.

Welche Klischees sollten dringend aus den Köpfen verschwinden?

Dass Frauen besser mit Kindern können. Mein Mann hat ein Jahr Elternzeit genommen und wir wissen aus eigener Erfahrung, Kinder haben zu dem Menschen mehr Bezug, der mehr Zeit mit ihnen verbringt. Und derjenige Elternteil weiß natürlich auch besser, welche Bedürfnisse das Kind hat.


Sie reden auch immer wieder über Care-Arbeit. Darunter fallen Aufgaben wie die Kinderbetreuung, Hausarbeit oder Pflege. Notwendige Tätigkeiten, die aber nicht entlohnt werden. Wie viel Luft ist da nach oben in Sachen Wertschätzung und Akzeptanz?

Mein Mann und ich wissen, die Care-Arbeit ist der anstrengendste Job von allen, wenn man nicht gerade in der Pflege arbeitet. In unserer Gesellschaft wird zum Beispiel Elternzeit oft noch als Auszeit oder Urlaub bezeichnet. Das zeigt schon, wie wenig die so wichtige Arbeit als Arbeit anerkannt wird.

Sie sind selbst Mutter. Was waren die größten Herausforderungen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Zum einen habe ich sogenanntes Mom-Shaming von anderen Müttern im Netz erfahren, als ich sieben Wochen nach der Geburt meines Sohnes für eine Fernsehserie vor der Kamera stand, was ich sehr enttäuschend fand. Zum anderen war und ist das Thema Corona und Kita natürlich sehr schwierig. Ständig fallen Betreuer:innen aus, es gibt keinen Ersatz und wir stehen vor der Frage, ob wir Jobs absagen und das Kind zu Hause betreuen oder ob wir es trotzdem hingeben und riskieren, dass es vielleicht nicht ausreichend betreut wird.

Welche Stärken, die Mütter in den Job mit einbringen können, werden aktuell oft unterschätzt?

Ich glaube, man lernt brutal gut zu multitasken. Wenn man so einen Familienalltag wuppt, ist man ständig am Jonglieren. Seit ich Mutter bin, kommt mir jeder berufliche Einsatz wie Urlaub vor.

Welche Soft Skills liegen Ihnen bei Personen, mit denen Sie länger zusammenarbeiten, am Herzen?

Ehrlichkeit ist mir extrem wichtig. Fehler passieren, das finde ich überhaupt nicht schlimm, aber es ist entscheidend, dass sie erkannt und benannt werden, damit man eine Chance hat, es zukünftig besser zu machen. Außerdem möchte ich ehrliches Feedback bekommen. Ich kann nicht mit Menschen arbeiten, die meine Arbeit ständig in den Himmel loben und null kritisch sind.

Nicht nur Skills, sondern auch Werte spielen in der modernen Arbeitswelt eine wichtige Rolle. Worauf achten Sie besonders, wenn Sie ein neues Jobangebot oder eine Kooperationsanfrage erhalten?

Glücklicherweise bin ich inzwischen in der Position, mir halbwegs aussuchen zu können, mit wem ich zusammenarbeiten möchte. Für mich kommen nur noch Unternehmen in Frage, die dieselben Werte vertreten wie ich. Nachhaltigkeit und Fairness sind mir enorm wichtig.

Gibt es schon neue Projekte, auf die Sie sich in Zukunft freuen?

Gerade habe ich die erste Hauptrolle in einem Arthouse-Kinofilm gespielt. Ich kann es nicht erwarten, ihn mit meinem Mann zusammen im Kino anzusehen. Dieser Film ist unser beider Erfolg, denn ohne seine Care-Arbeit wäre das Projekt nicht möglich gewesen.

Abschließend noch ein kleines Gedankenspiel: Wenn Sie eine Woche keine Termine hätten – wohin würden Sie innerhalb Deutschlands am liebsten reisen?

Dann würde ich ganz schlicht von Berlin nach Hamburg reisen. Ich liebe diese kurze, schnelle Strecke und würde meinen Hamburger Freund:innen, die ich alle ewig nicht gesehen habe, einen Besuch abstatten. Das wäre schön!

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