"Wenn ich das Cap absetze, fehlt etwas an meinem ­berühmten Gesicht"

Mark Forster ist einer, der vielen gefallen möchte: Er schreibt Songs, die Millionen im Radio mitsummen, coacht Talente in „The Voice“, und jetzt singt er für „die Maus“. Kann so einer überhaupt böse gucken? Im Interview mit DB MOBIL spricht der Popstar darüber, warum Mainstream auch Freiheit bedeutet, was ihn mit Nirvana und den Beatles verbindet – und wann auch mal gut ist mit Nettsein.

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Foto: Nikita Teryoshin für DB MOBIL

So leer wirkt es fast gespenstisch, das „Studio of Wonders“ in Berlin. Ein Kulissenkabinett, in dem Besucher dafür zahlen, dass sie im Bällebad oder im Spiegelraum bunte Selfies machen können, für ihren Instagram-Kanal. Eine Sphäre von heiler Welt und guter Laune, wie geschaffen für Mark Forster. Immer lustig, immer nahbar, so kommt der Popstar rüber, ob auf Konzerten, in den TV-Shows von „The Voice“ oder auf Instagram, wo er mehr als eine Million Follower hat. Für unser ­Titelshooting wird das coronabedingt geschlossene Haus ausnahmsweise geöffnet.

„Ich habe noch nie ein Instagram-­Museum besucht“, sagt Forster, als er sich umguckt. „Und im Bällebad war ich das letzte Mal in einem Möbelhaus, als Kind.“ So lange ist es auch her, dass er regelmäßig „Die Sendung mit der Maus“ gesehen hat. Anfang März wird der berühmte ­Nager 50. So etwas ist ein Großereignis, zur Maus-Feier vor 25 Jahren sang Stefan Raab „Hier kommt die Maus“. Nun präsentiert Forster den neuen Geburtstagssong. Sein Privatleben hütet der 38-Jährige hingegen wie die Maus den Käse. Nachfragen zu seinem viel diskutierten Beziehungsstatus lehnt er ab, Berichte darüber lässt er von seinem Anwalt untersagen. So werden wir auch nicht erfahren, ob bei ihm womöglich bald wieder mehr Kinderfernsehen auf dem Programm steht. Schade. Schauen wir, ob sich der Sänger zu anderen Offenbarungen hinreißen lässt.

Ich mochte immer deutsche Lieder – als Achtjähriger war ich Fan von den Prinzen

Foto: Nikita Teryoshin für DB MOBIL
Foto: Nikita Teryoshin für DB MOBIL

Herr Forster, manche Ihrer Kollegen verachten alles, was mit Mainstream-Musik zu tun hat. Hatten Sie nie Angst vor Massengeschmack?

Mir ist wichtig, dass ich das mache, was ich mag. Wenn man in der Undergroundszene dabei sein will, wird es superkompliziert. Da gibt es ganz viele Regeln.

Welche?

Wenn ich etwa in der Grunge-Szene sein wollen würde, gäbe es bestimmte Erwartungen an mein Aussehen. Ich müsste wahrscheinlich lange Haare haben und eine bestimmte Schuhmarke tragen oder extra keine Marke, um dem Klischee zu entsprechen. Und das muss ich als Mark Forster nicht. Ich kann tun, was ich will, und aussehen, wie ich will. Offensichtlich mögen die Leute das.

Wo liegt der größte Unterschied zwischen Nirvana und Ihnen?

Grunge an sich ist auch Popmusik, nur mit harten Gitarren. Sonst hätte Nirvana nicht so viele Hits gehabt. Aber die Grunge-Attitüde ist eben nicht poppig. Dass ein Lied Strophen und einen Refrain hat und dass ich den Text verstehe – das finde ich gut. Das mochte ich schon bei den Beatles. Die habe ich immer lieber gehört als zum Beispiel die Stones, weil die Musik der Beatles poppiger und besser ist. Ich mochte auch schon immer deutschsprachige Lieder – als Achtjähriger war ich Fan von den Prinzen, als 13-, 14-Jähriger von Freundeskreis. Die haben gezeigt, dass man auch auf Deutsch cool sein kann. Wenn man bei mir alles runterbricht, ist meine Musik eine Mischung aus Freundeskreis und den Beatles: cool deutsch und schlau poppig.

Stört es Sie, wenn Sie in der Presse als „Schmusesänger“ oder Ihre Lieder als „eingängig“ bezeichnet werden?

Wenn wir bei den Beatles bleiben: Da war auch nicht alles nett, was über sie geschrieben wurde. Viel klärt die Zeit, der Blick auf dieselbe Sache verändert sich mit den Jahren. Deshalb spielen solche Schlagzeilen oder Zuschreibungen für mich keine
große Rolle. Wenn die Leute meine Musik wirklich nachhaltig gerne mögen, ist das nicht so falsch. Denn ich weiß ja, wie ich sie mache: aus voller Überzeugung, mit viel Mühe und echtem Gefühl. Ich teile mir oft Überschriften mit Helene Fischer, die musikalisch sicherlich nicht viel mit mir zu tun hat. Das ist aber nicht schlimm. Das liest sich halt gut.

Viele Musiker hatten wilde Phasen in der Jugend. Wie sah das bei Ihnen aus?

Ich habe ein paar Kleinigkeiten gemacht – mal was geklaut oder mal jemanden verarscht, klar. Aber ich bin nicht nachhaltig scheiße gewesen, und ich finde das auch nicht schlimm. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die wilde Zeiten durchlebt und ausgelebt haben, manchmal die cooleren Leute sind als die, die sich nie freigelassen oder frei gefühlt haben oder mal gefallen sind.

Wer zum Beispiel?

Sido. Der ist spannend, cool, ein guter Freund von mir. Meine Jugend verlief aber anders als seine, und ich war nie rebellisch.

Wären Sie das denn gern gewesen?

Die Frage nach einer wilden Zeit, die will natürlich etwas. Entweder die Antwort: Ja, ich war ganz wild, als ich 18 war, da ging es mir ganz schlecht und ich war krass drauf, so Felix-Lobrecht-mäßig in Neukölln oder Sido-mäßig im Märkischen Viertel. Oder das Gegenteil: Nein, ich war ein Musterschüler und auch noch gut im Fußball. Aber beides spiegelt meist das wahre Leben nicht so richtig.

Foto: Nikita Teryoshin für DB MOBIL
Foto: Nikita Teryoshin für DB MOBIL

Sondern?

In den allermeisten Fällen besteht diese wilde Phase nicht in Drogenhandel oder Ähnlichem, sondern ist komplizierter und viel weniger plakativ. Natürlich gab es auch in meinem Leben dunkle Phasen, in denen es mir schlecht ging, aber das ist nichts, worüber ich sprechen möchte. Das Einzige, das ich da nennen kann, geschah während meines Jura-Studiums: Ich merkte, dass es mir keinen Spaß mehr brachte, weil ich eigentlich viel lieber ein berühmter Musiker werden wollte. Einer, der viele Lieder rausbringt, die im Radio laufen, einer, dessen Konzerte ausverkauft sind. Diesen Wunsch haben aber superviele, und mir war klar, dass das eher nichts wird.

Warum waren Sie davon überzeugt, dass Sie scheitern?

Weil es in der Regel nichts wird. Mit ganz viel Glück und Zufall und natürlich etwas Talent führt es manchmal dazu, dass der Wunsch Wirklichkeit wird, aber in den allermeisten Fällen passiert das eben nicht. Diese Gedanken haben mich damals ein bisschen in eine Krise getrieben. Ich bin dann auf die Bremse getreten und zwei Monate wandern gegangen, auf dem Jakobsweg.

Was haben Sie auf dieser Reise erlebt?

Die Zeit vergeht langsamer, wenn man nicht Auto oder Bahn fährt. Wenn man zu Fuß geht, und das auch noch monatelang, wenn man sich jedes Haus und jeden Baum anguckt, ist das toll, man gewöhnt sich an das Tempo. Und dadurch steigt man aus dem Zug aus, in dem man Platz nimmt, wenn man aus der Kita in die Grundschule kommt. Der fährt zu diesem Zeitpunkt los, und irgendwie geht die Fahrt nie zu Ende. Man muss sich große Mühe geben, um diesen Zug anzuhalten. Und der Jakobsweg war so ein Stopp für mich.

Und dann?

Ich dachte mir: Wenn man schon mal am Bahnhof steht, kann man ja auch überlegen, ob man woanders hinfährt als geplant. Ich war quasi auf dem Weg nach Hannover und habe gedacht, fuck it, ich fahre jetzt nach Paris. Und es hat sich herausgestellt, dass Paris zwar weiter weg ist, aber viel schöner.

Interessantes Gleichnis. Wofür steht Hannover, wofür Paris?

Hannover war das Studium, Paris die Musik. Und mein Paris hat sich sogar als die Champs-Élysées entpuppt. Aber ich hätte natürlich auch in einem Ghetto landen können. Da hatte ich Glück. Deshalb kann ich heute sagen, dass der Jakobsweg mich dazu gebracht hat, Musiker zu werden. Hätte das nicht geklappt, hätte ich, um im Bild zu bleiben, in Paris noch einmal umsteigen müssen und wäre woanders gelandet.

Sie haben nach dem Jakobsweg zwar Jura geschmissen, aber mit BWL angefangen. Was hatte das mit Ihrem Traum zu tun?

Das habe ich aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus gemacht. Aber wichtig war die Erkenntnis, das Tempo rauszunehmen und nicht nur stur auf mein Ziel zuzulaufen. Ich habe damals ein Praktikum in einer TV-Produktionsfirma gemacht. Ich dachte, dass sich daraus eine andere Möglichkeit für mich ergeben könnte, Musik zu machen, zum Beispiel Lieder für Fernsehproduktionen einzuspielen und zu singen. Das habe ich dann auch eine Weile gemacht.

2010 bekamen Sie doch noch einen Plattenvertrag. Wodurch?

Dafür hat die Band Seeed gesorgt. Ich hatte zu der Zeit ein kleines Zimmer gemietet, in dem ich über vier, fünf Jahre Songs geschrieben und aufgenommen hatte – nur für mich selbst, ich dachte, aus einer Karriere wird nichts mehr. Dieses Zimmer lag auf derselben Etage wie der Probenraum von Seeed. Ich kannte die Jungs nur vom Flur, aber als jemand von der Plattenfirma zu denen kam, haben sie ihn zu mir rübergeschickt. Auf einmal saß der da, ich konnte ihm meine Lieder vorspielen, und danach hat er mich gefragt, ob ich nicht ein Album machen möchte.

Foto: Nikita Teryoshin für DB MOBIL
Foto: Nikita Teryoshin für DB MOBIL

Damals haben Sie auch Ihren Geburtsnamen durch Forster ersetzt. War Ćwiertnia nicht popstartauglich?

Überhaupt nicht. Der Name wird meist falsch ausgesprochen und auch geschrieben, er steht nicht mal richtig in meinem Abi-Zeugnis. Auch der Typ von der Plattenfirma konnte sich den nicht merken. Weil mein Studio in der Forster Straße war, hat er mich in seinem Handy unter „Mark Forster“ abgespeichert.

Ihre Mutter ist Polin. Stammt daher Ćwiertnia?

Nein, von meinem deutschen Vater, und wir wissen nicht, woher der Name kommt. Er klingt zwar polnisch, aber in Polen kennt den auch niemand. Meine Mutter hieß Grudzien mit Mädchennamen, das bedeutet Dezember.  

Die polnischstämmige Autorin Emilia Smechowski beklagt in ihrem Buch „Wir Strebermigranten“ eine Überanpassung polnischer Migranten und deren Kinder. Sie würden im Gegensatz zu anderen Migranten ihre Herkunft oft verstecken. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Ich weiß nicht, ob es stimmt, dass Polen ihre Herkunft eher verleugnen als andere. Allerdings ist es schon so, dass Polen vom Image her uncooler ist als Frankreich oder Italien. Deutschland im Übrigen auch. Natürlich ist es für einen Halbpolen deshalb ein anderes Gefühl als für einen Halbfranzosen. Aber ich habe meine Herkunft nie versteckt. Ich war von polnischen Büchern und polnischem Fernsehen und polnischen Leuten umgeben, ich war an Weihnachten und in den Ferien in Polen, bei meinen Großeltern und anderen Verwandten. Außerdem spreche ich fließend Polnisch, auch wenn meine Sprache klingt wie die eines braven Zwölfjährigen, weil ich nie in Polen gelebt habe. In meiner pfälzischen Heimat wusste eh jeder, woher ich komme, und als Mark Forster rede ich oft über meine polnische Mutter. Weil sie lustig ist und weil sie ein bisschen spinnt. Sie würde aber auch spinnen, wenn sie Griechin wäre oder Französin.

Was macht Ihre Mutter denn so, wenn sie spinnt?

Zum Beispiel habe ich ihr, als ich 2018 den Bambi bekam, den Preis geschenkt. Danach hat sie zu Hause mehrere Essen veranstaltet, bei denen sich die Gäste die Statue anschauen und sie anfassen konnten. Meine Mutter ist auch der Meinung, dass eigentlich sie diesen Bambi gewonnen hat – ich bin ja quasi ihr Eigentum, ergo gehören alle meine Preise auch ihr (lacht).

Viele Eltern träumen davon, dass ihr Kind so berühmt wird, wie Sie es heute sind. Wie häufig werden Sie angesprochen, weil Sie jemanden groß rausbringen sollen in den TV-Talentshows „The Voice of Germany“ und „The Voice Kids“?

Es melden sich viele Leute aus früheren Zeiten bei mir. Dass ich im Fernsehen zu sehen bin und viele Follower bei Instagram habe, wirkt auf andere wie ein Magnet. Aber auch wenn ich zum Bäcker oder in einen Späti gehe, wird mir öfter ein Video von der Tochter oder der Nichte gezeigt, die doch so schön singt. Die Leute denken, dass ich da was drehen kann.

Und, können Sie?

Was die Menschen verkennen: Der Witz von „The Voice“ ist ja gerade, dass wir die Teilnehmer nicht schon vor der Show sehen. Das heißt, selbst wenn ich jemanden ganz toll fände, wäre diese Tochter oder Nichte sofort disqualifiziert, weil ich sie schon
gesehen habe. Ich würde daher, wenn ich Mark Forster über den Weg liefe, nie ein Talent preisen.

Der Öffentlichkeit präsentieren Sie sich stets als lustiger, netter Typ. Wann sind Sie ernst?

In meinen Songs, ich mache keine witzigen Lieder. Aber wenn ich vor einer Kamera stehe, selbst wenn es nur ein Handy ist, will ich lustig sein, etwas tun, das andere erheitert oder ihnen sonst wie Freude bereitet.

Foto: Nikita Teryoshin für DB MOBIL

In welchen Situationen fällt es Ihnen schwer, nett zu sein?

Beruflich nett zu sein ist für mich leicht. Wenn ich Interviews gebe, in der Jury von „The Voice“ oder in Talkshows sitze, ist das ja eine speziell geschaffene Situation. Und da bin ich nicht speziell nett, sondern verhalte mich so, wie man das von jedem Menschen erwarten kann: Ich bin kein Arschloch. Es wäre ­bedenklich, wenn ich darüber grübeln oder mich selbst dafür loben würde, dass ich in solchen Situationen keins bin.

Und wann sind Sie mal eins?

Es gelingt mir natürlich nicht immer, keins zu sein. Es passiert aber eher nicht in der Öffentlichkeit. Ich glaube, wenn man mich einen Monat lang 24 Stunden pro Tag begleiten würde, käme dabei wohl heraus, dass ich nicht immer nett bin. Zum Beispiel wenn ich Musik mache. Ich gebe mir dabei viel Mühe, und diese Mühe lässt mich schnell die Geduld verlieren – mit mir und mit anderen Musikern. Wenn man das zusammenrechnen würde, wäre das Ergebnis wohl: Am häufigsten bin ich ein Arschloch beim Arbeiten.

Schöner Chef!

(Lacht) Ja!

Schreien Sie dann rum?

Nein, ich werde nicht aggressiv oder pöble, aber ich motze so nörgelnd. Und mir wird gesagt, dass ich einen durchdringend ernsten Blick aufsetze, der wohl sehr nervig ist. Ich bezweifle natürlich, dass das stimmt.

Offen bleibt noch eine Frage, die vor allem männliche Redaktionsmitglieder beschäftigt: Tragen Sie immer dasselbe Cap?

Nein, nur immer dasselbe Modell. Ich habe einen Karton voller Käppis, und wenn sich eins abnutzt, ersetze ich es. Ich mag es nicht, wenn ein Käppi speckig ist oder einen Knick hat, da bin ich eigen. Die sollen immer gepflegt aussehen.

Die Kappe ist Ihr Markenzeichen. Werden Sie ohne erkannt?

Seltener. Ich mag diesen Effekt: Wenn ich das Cap absetze, fehlt etwas an meinem berühmten Gesicht. Mit Käppi werde ich aber oft netter behandelt. Manchmal pampt mich jemand an, wenn ich ohne vor ihm stehe, und wenn ich es am nächsten Tag trage, ist dieselbe Person auf einmal sehr freundlich zu mir.

VON MARK, MUSIK UND MÄUSEN

Geboren am 11. Januar 1984 in Kaiserslautern als Sohn eines Deutschen und einer gebürtigen Polin.

Bürgerlicher Name Mark Ćwiertnia

Sein Jurastudium bricht er ab, hält dann aber BWL bis zum Abschluss durch.

Als Praktikant fängt Mark Forster noch während des Studiums bei ­einer Berliner TV-Produktionsfirma an, schreibt Jingles und tritt in ersten Fernsehshows auf.

Erst mit 28 bekommt Forster einen Plattenvertrag – beim einst von den Fantastischen Vier gegründeten Label Four Music. Seitdem hat er mehr als fünf Millionen Tonträger verkauft. Sein nächstes Album soll im Juni erscheinen.

Zum 50. Geburtstag der „Sendung mit der Maus“ präsentiert Forster den Song „Ich frag die Maus“ – 25 Jahre nach Stefan ­Raabs Hit „Hier kommt die Maus“. Forster sagt, er habe dabei seine eigenen Erinnerungen an die Lach- und Sachgeschichten verarbeitet.

Dieses Interview erschien erstmals in DB MOBIL 03/2021.

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