Welche Reisen fanden wir als Kinder total blöd?

An dieser Stelle schreiben Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim abwechselnd rund ums Unterwegssein mit Kindern (und Mann). Heute fragt sich Katharina, welche Urlaube und Reisen sie als Kind nicht leiden konnte – und sie bis heute geprägt haben

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Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim

Noch heute bekomme ich einen Würgereiz, wenn ich Zitronentee sehe oder rieche. Das liegt daran, dass ich in drei Sommerferien meiner Kindheit jeweils 14 Tage lang ausschließlich Zitronentee getrunken habe, obwohl ich ihn schon damals nicht mochte. Es waren die Sommer, in denen meine Mutter mich in ein Jugendzeltlager gesteckt hat. Ich schlief in stickigen Zelten, machte Bekanntschaft mit unzähligen Ameisen, auch die zwei Plumpsklos für 60 Kinder sind mir in unguter Erinnerung. Und eben der Zitronentee. Diese Sorte, bei der heißes Wasser auf Granulat geschüttet wird, was die ganze Sache für mich noch ekliger machte.

Meine Mutter war der festen Überzeugung, dass ich dort zwei wunderbare Wochen verleben würde, inmitten der Natur, mit vielen anderen Kindern, Nachtwanderungen und Abenteuern. Viele Kinder mochten diese zwei Wochen sicher sehr, mal raus und weg von daheim. Ich hingegen hasste es von Sekunde eins an so sehr, dass ich mir im zarten Alter von acht Jahren schwor, niemals mehr freiwillig in einem Zelt zu schlafen, sobald ich endlich über mich selbst bestimmen konnte. Diesen Schwur habe ich bis heute nur einmal gebrochen, aber das war ein Notfall: Nach einer Dorfjugend-Party, als sich herausstellte, dass niemand mehr Auto fahren konnte, fand ich eine kurze Nacht im Zelt dann doch besser, als nachts durch den Wald zu laufen.

Die Geschichte mit dem Zeltlager zeigt herrlich, wie unterschiedlich Kinder und Erwachsene Urlaube und Reisen wahrnehmen. Für meine Kinder ist das Kriterium, das einen Urlaub in gut oder blöd einteilt, der Pool. Gibt es einen, sind sie happy. Gibt es keinen, sind sie es nicht. Kinder sind einfach wunderbar klar in ihren Vorstellungen.

Meine Mutter hat damals keine besondere Rücksicht darauf genommen, was wir Kinder toll oder nicht so toll fanden. Jedes Jahr an Pfingsten fuhren wir deshalb an einen anderen Ort in Deutschland: Dresden, Harz, Weinstraße, Bonn. Meine Mutter wollte uns zeigen, wie vielfältig Deutschland ist. Sie sagte immer: „Ihr könnt euch später gern die ganze Welt ansehen, aber es ist auch wichtig, sein eigenes Land zu kennen.“ Heute finde ich diesen Gedanken toll. Damals dachte ich: „Laaaaaaangweilig.“

Wir Kinder wollten wie unsere Klassenkameraden an die Costa del Sol oder nach Rimini. Stattdessen schlappten wir kaugummikauend und vollkommen desinteressiert durch den Dresdener Zwinger oder schleppten uns motzend über Wanderwege durch den Harz. Meine Mutter muss sich taub gestellt haben, unser ständiges Gemecker schien sie überhaupt nicht zu beeindrucken. Ich erinnere mich, dass sie immer von allem begeistert war.

Rückblickend waren wir ganz schön fies. Denn gerade diese Deutschlandreisen haben für jede Menge Erinnerungen gesorgt. Noch heute erzählen wir uns von dem Hotel, das Mama in Dresden gebucht hatte. Es hieß „Grüne Oase“ – und war wirklich vom Teppich bis zur Decke grün. Es wirkte, als habe jemand einen Eimer grüner Farbe über alles gekippt. So ein einheitliches und konsequentes Farbkonzept habe ich bis heute nie mehr gesehen. Noch nicht mal in Rimini oder an der Costa del Sol.

Ich erinnere mich auch, wie sehr ich mich mit meinen Geschwistern durch den gemeinsamen Hass auf Harz-Wanderungen verbunden gefühlt habe. Wir liefen grundsätzlich 100 Meter hinter meinen Eltern, und ich glaube wirklich: Nie war unsere Einigkeit größer. Geteiltes Leid ist halbes Leid, schon klar.

Ich glaube aber auch, dass keine Reise, kein Ausflug umsonst war – nicht einmal das Zitronentee-Zeltlager, denn natürlich brachte ich auch von da die eine oder andere lustige Anekdote mit nach Hause. Alles bleibt irgendwo hängen. Vieles kann man als Kind nicht erkennen, doch rückblickend fügen sich all diese Erinnerungen zu etwas ganz Großem zusammen, das man dann wohl Kindheit nennt.

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