Dürfen wir unsere Kinder im Urlaub zu Kunst und Kultur zwingen?

An dieser Stelle schreiben Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim abwechselnd rund ums Unterwegssein mit Kindern (und Mann). Heute fragt sich Lisa, ob man Kinder im Urlaub auch mal gegen ihren Willen ins Museum schleppen darf. Man weiß schließlich, dass es ihnen guttun wird

Von:
Juliane Dunkel

„Das ist doch wohl kein Urlaub hier! Zum Kotzen, ich fahr NIE wieder mit euch weg!“ Hui, unser Sohn war offenbar nicht ganz so begeistert von unserem Ferienprogramm. Wir hatten eine Rundreise geplant. Zusammen mit unseren drei Kindern. Zwei Wochen lang wollten wir Hotel- und Ferienwohnungs-Hopping betreiben, um möglichst viel zu erleben und von unserem Zielland zu sehen. Aber die Rechnung hatten wir ohne unsere sonst so süßen Präpubertierenden gemacht. Die interessierten sich nämlich vor allem für eins – nein, für zwei Dinge: fürs Liegen (Wachstum ist anstrengend!) und für die Internetverbindung („Gibt’s da WLAN?“). Klingt wie ein Klischee, war aber tatsächlich so.

Und es war nicht so, dass sie nach einer Woche täglichen Murrens mal aufgehört hätten, gegen uns Eltern zu arbeiten. Nein, sie wurden immer lauter in ihrem Protest. „Ich pack nicht schon wieder die Koffer!“ „Ich bleibe hier!“ „Ihr könnt euch eure Planungen sonst wohin schmieren, da kriegt man ja ’nen Burn-out.“ „Never ever mach ich diese Stadtführung mit!“ „Ins Museum schon mal GAR nicht!“ „Lasst uns einfach zurück!“ Ja, manchmal neigen sie zur Melodramatik, dachten wir und lächelten uns an. Reaktion: „Jetzt lacht nicht auch noch! Das ist nicht witzig!“

Urlaub nach ihrem Gusto, das wäre vor allem Nichtstun. Chillen, gelegentlich unterbrochen von ein bisschen Zocken und ein bisschen YouTube. Das durften sie natürlich zwischendurch mal, nur eben nicht 24 Stunden am Tag. Ja, in anderen Urlauben hatten sie mehr Chill-out-Zeit. Aber was bleibt davon dann bitte hängen? „Wo habt ihr Urlaub gemacht?“ „Na, im Internet …“ Natürlich übertreibe ich jetzt, aber von so einem Urlaub bleibt halt wirklich nichts hängen. Davon erzählen sie später nicht. Noch nicht einmal „Boah, in Dänemark hab ich nur im dunklen Zimmer gelegen und in einen Bildschirm geglotzt“. Nein. Nachhaltig ist etwas anderes.

Zwei Jahre ist unsere „megaanstrengende“ Rundreise nun her, bei der unsere Kinder so fluchten wie nie zuvor. Doch heute kommen Erinnerungen hoch. „Wisst ihr noch, wie heiß es bei der Stadtführung war? Und wie wir dann Segways nutzen durften, obwohl man das in unserem Alter in Deutschland gar nicht darf?“, höre ich sie sagen. AHA! War die Rundreise also doch nicht so schlimm? Im Nachhinein? Weil es vor Ort zwar etwas anstrengend war, aber nun doch nachwirkt?

„Sooo schlimm war’s eigentlich gar nicht …“, geben sie kleinlaut zu. Was mir zeigt, dass wir die liebe Jugend eben doch manchmal in ihr Glück schubsen sollten. Wir hatten damals nette Leute mit gleichaltrigen Kindern kennengelernt, sodass die Wanderungen eben nicht mehr so „super-lame“ waren wie erwartet. Wir hatten Berge erklommen, deren Besteigung am Ende doch ein bisschen Stolz übrig gelassen hat.

Und selbst an die Museen haben sie nicht mehr die schlimmsten Erinnerungen. Manche Objekte sind ihnen im Gedächtnis geblieben. Klar, auch das Eis danach, aber wir erzählen doch deutlich mehr über den zurückliegenden Museumsbesuch (damals: „ätzend!“), das Musicalstück („albern!“) oder den Marktplatz mit all den „weirden“ Produkten („Ekelhaft! Wer isst so was, bitte?!“) als über die Tage, die sie liegend und allein in der Ferienwohnung verbracht haben.
Niemals werden wir auf ihr „Keinen Bock“ mit „Komm schon, du wirst es mir später danken“ antworten. Und trotzdem macht sich ein kleines Lächeln in uns breit, wenn wir daran denken, dass wir ihrem Wunsch nach dem Nichtstun eben nicht an jedem Tag nachgeben. Weil die Erinnerungen nämlich irgendwann ganz von allein wieder hochkommen und zu gemeinsamen Erlebnissen werden. Zu Erlebnissen, die nicht in Vergessenheit geraten.

„Wisst ihr noch, damals?“, fragen wir dann. „Ihr habt nur geflucht. Und jetzt fahrt ihr selbst hin. Nicht mit uns, sondern mit euren Freund:innen. Aber ihr werdet ihnen Winkel zeigen und erklären können, die ihr in eurer Keinen-Bock-Phase nicht entdeckt hättet, wenn es nur nach euch gegangen wäre.“ Und ein bisschen Genugtuung ist dann schon auch dabei.

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