Ab wann dürfen Kinder alleine reisen?

An dieser Stelle schreiben Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim abwechselnd rund ums Unterwegssein mit Kindern (und Mann). Heute fragt sich Lisa, ab wann Kinder alleine reisen können – beziehungsweise ab wann Eltern dafür bereit sind

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Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim

„Ich habe keinen Bock, auf euch zu warten“, sagte unsere 13-jährige Tochter mit Blick auf unsere Reise zu den Schwiegereltern, die 200 Kilometer entfernt von uns wohnen. Die Planung war mal wieder kompliziert geworden, weil ich am nächsten Morgen noch Termine wahrnehmen musste und unsere zwei Söhne am Nachmittag nicht beim letzten Training vor einem wichtigen Spiel am nächsten Wochenende fehlen konnten. Wir würden deshalb erst am nächsten Abend losfahren können.

„Ich fahr einfach schon mit dem Zug vor“, beschloss unsere Große daher und ließ uns Eltern mit Fragezeichen auf der Stirn zurück. Konnten wir das erlauben? Hmm, joah, warum nicht, dachte ich. Der Papa zögerte. Sein Mädchen! Sie war doch grad noch ein Baby gewesen!

Natürlich traute er ihr das zu, er traute ihr als Vater im Grunde alles zu, sie war schließlich die Beste, Größte, Tollste – seine Tochter! Trotzdem tigerte er erst einmal durchs Zimmer wie damals, als der Schwangerschaftstest bestätigte, dass dieses Wunderwesen, das da nun fordernd im Raum stand, auf dem Weg zu uns war.

Nun wollte sie sich also allein auf den Weg von uns weg machen. Nur sie, ihr Smartphone mit den Airpods und ein kleiner Rucksack. „Okay“, sagten wir. „Wenn du dir das zutraust, trauen wir dir das auch zu.“

Am nächsten Tag ging’s los. Der Papa bestand darauf, sie zum Bahnhof zu bringen. Ich war so stolz, ich hätte sie die ganze Zeit drücken können, aber das ging natürlich nicht, sie ist ja 13, und drücken ist so was von ultrapeinlich. Die beiden fuhren zu früh los, er kaufte ihr noch ein Getränk am Bahnhof und etwas zu essen. „Hast du auch wirklich alles?“ „Jahaaa.“ Genervter Blick.

Denn es ist ja so: Beim Alleinreisen mit der Bahn müssen die Kinder von sich aus schauen, dass sie am richtigen Bahnhof aussteigen. Da kann bei Eltern schon mal das Kopfkino losgehen: Was, wenn sie falsch aussteigt, wenn jemand ihren Platz will oder wenn es Schwierigkeiten mit dem Ticket gibt …? Andererseits nimmt sie seit Jahren den Linienbus zur Schule und wieder zurück, fährt neuerdings in die Stadt mit den Freundinnen. Sie würde das schon packen. Aber was war mit uns?

Rein rechtlich waren wir auf der sicheren Seite. Prinzipiell dürfen Eltern ihre Kinder ab sechs Jahren allein mit dem Zug auf Reisen schicken. Für eben jene kleinen Weltenbummler zwischen sechs und 14 Jahren gibt es den Service „Kids on Tour“, bei dem geschultes Personal der Bahnhofsmission die Kinder begleitet. Das kam für uns und unsere Große aber nicht in Betracht. „Chillt mal!“, wäre wohl die Antwort unserer Tochter gewesen, wenn wir das auch nur vorgeschlagen hätten. Mit ihren 1,70 Metern Körpergröße wäre das wohl wirklich etwas merkwürdig gekommen.

Der Papa ließ es sich dann trotzdem nicht nehmen, sie noch in den Zug zu begleiten. Weil er durch ein Missverständnis dachte, die Bahn führe jetzt los, sprang er recht hektisch wieder hinaus, ohne ihr vorher den reservierten Platz zeigen zu können. „Alles gut“, hatte sie auf seine WhatsApp nur wortkarg geantwortet, ob sie denn im Großraumabteil alles gefunden hätte. Niemand hatte auf ihrem Platz gesessen, niemand saß neben ihr. Alles gut!

Während der knapp zweistündigen Fahrt chatteten wir Eltern von Büro zu Büro. „Hast du schon was von ihr gehört?“ „Nee, du?“ „Ich auch nicht.“ Na, dann schien ja alles in Ordnung zu sein. Und das war es auch! Die Schwägerin hatte sie mit den Cousinen freudig am Bahnhof erwartet, die Große war komplett „gechillt“ angekommen, hatte einfach Musik gehört, aus dem Fenster geschaut, dem Schaffner ihr Ticket gezeigt. Alles war so gelaufen, wie man sich das als Eltern für die erste Alleinreise des Kindes nur wünschen kann.

Ich meine, ich hätte danach ein lautes Seufzen von Büro zu Büro hören können. Von Papa zu Mama und von Mama zu Papa. Von uns Eltern, die das Loslassen wohl noch viel mehr üben müssen als ihr Kind, das einfach nur entspannt die Verwandtschaft besuchen wollte – und das ab jetzt wohl noch viel öfter allein in der Weltgeschichte unterwegs sein wird.

So stolz fühlten wir uns danach. Aber auch so … seufz.

Informationen zum Betreuungsangebot für Kinder bei Reisen mit der Deutschen Bahn finden Sie hier.

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