Ein Klischee kann ich zu Beginn dieses Textes leider nicht aus lassen denn als die Stille zu mir zurückkehrte befand ich mich in einem buddhistischen Kloster Es war ein warmer Frühling in Südfrankreich ich besuchte einen Freund der hier lebte und Meditation praktizierte Braun gekleidete Mönche schritten bar fuß und wortlos durch Pflaumenbaumhaine und über saftig grünes Gras In ihrer Mitte nahm ich zwei Wochen lang schwei gend und bedächtig meine Mahlzeiten ein versuchte mich in Meditation und spazierte durch die angrenzenden Wälder Schon bald bemerkte ich Ich atmete gleichmäßiger hatte einen niedrigeren Puls sorgte mich weniger und schlief besser Nun mag dies ein typischer Urlaubseffekt sein Der Stress des Alltags bleibt aus die innere Ruhe kehrt ein So dachte ich auch zunächst Aber als ich eines Morgens durch einen Wald ging und regelrecht erschrak weil ich seit Monaten zum ersten Mal wieder das Geräusch wahrnahm das der Wind macht wenn er durch eine Baumkrone streift ahnte ich dass es etwas anderes war das mir schmerzlich fehlte Stille Lärm macht krank Das ist inzwischen gut belegt Studien zeigen dass Menschen mit einem mittleren Schallpegel von 55 Dezibel oder mehr vor ihrem nächtlichen Schlafzimmerfens ter gerade mal so laut wie ein Fernseher in Zimmerlautstärke ein etwa doppelt so hohes Risiko für Bluthochdruck haben Männer in Wohnungen mit einem mittleren Tagespegel von mehr als 65 Dezibel vor der Haustür haben ein bis zu 30 Prozent höheres Risiko für Herzinfarkte Straßenverkehr ist der häu figste Grund für Lärmbelastung in Deutschland Etwa drei Mil lionen Deutsche leiden laut europaweiter Lärmkartierung unter nächtlichen Pegeln von mehr als 55 Dezibel Vor meinem Schlafzimmerfenster starteten jahrelang Lastwagen ihre Nacht fahrten in Richtung Autobahn Heute weiß ich Ein Laster ist bei Tempo 50 in etwa so laut wie 20 Autos Das Wummern Rauschen und Hämmern umgibt mich seit ich mein Elternhaus in der ostwestfälischen Provinz zum Studi um verließ und fortan vorwiegend in größeren Städten lebte zuletzt zehn Jahre lang an mehrspurigen Straßen oder im Bar und Ausgehviertel es hatte sich so ergeben Motorenheulen singende Partygänger Böllern im Wohngebiet Lärm war eine Konstante in meinem Leben die ich als natürliche Begleiter scheinung des Lebens in der Stadt wahrnahm Ihre Auswirkun gen auf mich hinterfragte ich nicht Neben meinem Bett lagen zu dieser Zeit schon Schaumstoffohrstöpsel für die Nacht und wenn ich am Laptop Filme schaute oder Musik hörte schloss ich wie selbstverständlich große Kopfhörer an um die Außen welt der vorbeirauschenden Laster auszublenden Auch ver suchte ich häufig den Lärm mit einem anderen Geräusch zu überlagern Die Musikanlage oder der Fernseher waren fast im mer eingeschaltet In seinem 1948 erschienenen Buch Welt des Schweigens schreibt der Schweizer Kulturphilosoph Max Picard Die Wor te sind wie zerstampft im Radio Beim Radio gibt es kein Schweigen mehr Durch die Kontinuität des Radiogeräusches wird der diskontinuierliche Mensch also auf eine falsche Weise sicher daß etwas dauernd da ist und daß er selbst dauernd da ist Picard schrieb diese Worte unter dem Eindruck des gerade erst beendeten Zweiten Weltkrieges Dennoch erkenne auch ich mich darin wieder Seit ich zur Konfirmation meinen ersten Computer bekam wenig später eins der frühen Handymodelle war der Raum des Schweigens und auch der gesunden Lange weile neu besetzt worden mit Geräusch Ich trainierte mir eine Lärmtoleranz an OB ETWAS ALS KLANG Geräusch oder Lärm wahrgenom men wird ist eine subjektive Empfindung Wer den Nachbarn nicht leiden kann fühlt sich von dessen Rasenmäher stärker belästigt Schalldruck dagegen ist objektiv messbar und wird in Dezibel dB gemessen Eine ergänzende Maßeinheit A be zieht die menschliche Wahrnehmung mit ein In der Natur weitab von Verkehrswegen betragen die Umgebungsgeräusche 20 bis 30 dB A Bei normaler Unterhaltung liegt der Pegel zwi schen 40 und 60 dB A bei starkem Stadtverkehr bei 80 dB A Presslufthammer und Musikanlagen erreichen bis zu 120 dB A Die Schmerzgrenze von 130 dB A wird in 100 Meter Entfernung von Düsentriebwerken erreicht Schon die Geräusche in einem Großraumbüro bringen es auf 70 dB A Als wir mit der Redaktion in ein solches zogen mach ten es mir die Gespräche und das Klackern der Tastaturen häu fig unmöglich mich auf die Arbeit zu konzentrieren Ich kaufte mir deshalb einen Kopfhörer mit einer Technologie namens Ac tive Noise Cancellation Das Prinzip Der Kopfhörer misst mit eingebauten Mikrofonen die Umgebungsgeräusche und sendet Schallwellen mit entgegengesetzter Polarität auf das Ohr Die Schallwellen neutralisieren sich sozusagen Das funktioniert vor allem bei tiefen Frequenzen wie dem Rumoren des Ver 6 91 0 2 0 2 0 Schreiben Sie Vertrauen Sie 4 3 Jahren Verlags erfahrung Wir veröffentlic hen Ihr Manuskript R G Fischer Verlag Orber Str 30 60386 Frankfurt Fach 66 Tel 49 69 941 942 0 E Mail lektorat rgfischer verlag de www verlage net www verlage n et Romane Erzählungen Biografien Gedichte Ratgeber Sach Tier und Kinderbücher u a Kurze Texte passen vielleicht in unsere hochwertig ausgestatteten Anthologien Schicken Sie uns Ihr Manuskript es kommt in gute Hände Ihr Traum vom eigenen Buch wird wahr 066 MathissuchtdieStille KopfhoererTest indd 69 07 09 20 15 58

Vorschau DB mobil 10-2020 Seite 69
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