7 2 d b m o b i l d e N A T U R S C H U T Z wie einst bevor diese Flusslandschaft vom Elbstrom abgetrennt wurde Das hatte in den vergangenen Jahr zehnten ganz praktische Gründe Die von Forst und Landwirt innen genutzten Flächen der Umgebung sollten durch einen meterhohen Deich vor dem Elb hochwasser geschützt werden Doch Uferlandschaften wie diese sind davon abhän gig regelmäßig überschwemmt zu werden um ihr be sonderes Geflecht aus Feuchtwiesen Teichen und Senken Grasland und Harthölzern wie Eichen und Ul men zu entwickeln Lebensraum für mehr als 150 ver schiedene Tier und Pflanzenarten Eine Landschaft voller Wunder vergleichbar mit tropischen Urwäl dern ein Dschungel in unseren gemäßigten Breiten wissen wir überhaupt was wir im Begriff sind zu zer stören schwärmte schon vor mehr als 50 Jahren der Zoologe und Mediziner Konrad Lorenz Seitdem haben die Flussregionen an der Elbe 80 Prozent ihrer Fläche verloren Nach einer aktuellen Erhebung des Umweltbundesamtes wurden rund 30 Prozent aller deutschen Flüsse und Bäche durch den Bau von Dämmen und Wehren erheblich verändert Der Verlust von Überschwemmungsgebieten hat zwei schädliche Auswirkungen Es gelangt kaum mehr Wasser in die Auen was die Lebensgrundlage der Tie re und Pflanzen gefährdet Und wenn doch einmal Hochwasser einströmt kann es wegen der Höhe der Deiche nur schwer wieder abfließen Das gefährdet Spezies die auf Flachwasser angewiesen sind Kleinwächter steht auf einem aufgeschütteten Erd wall der parallel zur Elbschleife verläuft Dieser Deich schnitt die Aue vom Strom ab erklärt sie um sie mit Wasser zu versorgen mussten wir ihn an eini gen Stellen öffnen Als vor zwei Jahren zum ersten Mal die Bagger anrückten brachen sie bis zu 50 Meter breite Schneisen durch den Deich Gleichzeitig wur den zwei alte Flutrinnen aus der Zeit vor dem Deich bau wieder vertieft und quer durch die Halbinsel mit der Elbe verbunden Zudem hob man Senken und Tümpel aus um neue Lebensräume für Fische Frö sche Unken und Wasservögel zu schaffen Was so einfach klingt war das Ergebnis vieler Be rechnungen am Computer Ziel war es dass die Elbe künftig nicht erst bei starkem sondern bereits bei mittlerem Hochwasser über die neuen Flutrinnen ins Ufergebiet einströmt Zusätzliche Nebenge rinne und Tümpel dienen dazu dass das Wasser nicht sofort wieder auf der anderen Seite abfließt Außerdem war sicherzustel len dass die 14 000 neu gepflanzten Eichen Ulmen und Sträucher der Ausbreitung des Wassers nicht im Wege stehen Vieles war Theorie wir wussten nicht ob es funktio nieren würde räumt Kleinwächter ein Als dann im März 2020 zum ersten Mal die Elbe überlief ging mir das Herz auf Überall stand das Wasser so wie wir es uns erhofft hatten Schauen Sie mal ruft sie von einem Tümpel her über und zeigt auf ein grau schwarzes Krabbeltier im Wasser höchs Sie gleichen tropischen Urwäldern und bieten Lebensraum für seltene Krebse und Frösche Fisch und Seeadler Doch immer mehr Auen in Deutschland ge hen verloren Auch eine der letzten Wildnisse an der mittleren Elbe wäre aus Wassermangel fast verschwunden doch nun sprudelt die Hoffnung S chon wieder Ein Schrei so durchdringend wie ein Trompetensignal Woher kommt der Meike Kleinwächter setzt ihr Fernglas an und schwenkt es von links nach rechts über Wie sen und Tümpel Eichen und Ulmen Das ist ein Kranich sagt sie er scheint allein zu sein Sie kehrt um und geht in eine andere Richtung weiter um das Tier nicht aufzuschrecken Kraniche sind sehr scheue Wesen erklärt die Biologin die lassen wir lieber in Ruhe Der Kranich ist noch zu hören als wir uns bereits Hunderte Meter entfernt haben Langsamen Schritts gehen wir über den feuchten Wiesengrund überwin den Wurzelstöcke und quer liegende Baumstämme vorbei an Pfützen und Senken in denen Flussläufer nach Nahrung picken Nur wenige Minuten braucht es und man ist berührt von dieser Urwildnis in der es überall um einen herum piept und zirpt Schmetter linge und Libellen schwirren am Rande der Tümpel an deren Ufer wilde Kräuter wie Wasserfenchel und Zweizahn wachsen Wir sind in der Hohen Garbe einer Landschaft an der Mittelelbe zwischen Niedersachsen und Sachsen Anhalt die zu den artenreichsten Biotopen Europas zählt s Karte auf Seite 76 An der ehemaligen deutsch deutschen Grenze beschreibt der Fluss eine Schleife von fast 180 Grad und umschließt ein Gebiet das erst vor Kurzem wieder zum Leben erweckt wurde Ein alter Deich trennte es vom Strom ab und bedroh te den Lebensraum am Ufer bis sich der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND dafür einsetzte eine der letzten großen Au enwildnisse in Deutschland zu retten Jetzt hier zu stehen und zu sehen wie sich die Natur wieder entfaltet ist faszinie rend sagt Kleinwächter die das Projekt seit acht Jahren leitet Nur selten dringt sie in das geschützte Biotop vor um einen Über blick zu gewinnen Ab jetzt soll sich die Natur allein ihren Lebensraum schaffen So FO T O S R A N A L U F T B IL D E R D IE T E R D A M SC H E N P R IV A T Meike Kleinwächter vom BUND baut an einem Auenkorridor von Wittenberge bis Dömitz Rund 6 7 Millionen Euro kostet das Elbprojekt 070 Auen indd 72 07 06 21 14 43

Vorschau DB mobil 07-2021 Seite 72
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