rikanischen Präsidenten im Weißen Haus frühstückte auf seinen Lesereisen Theaterhäuser füllte und vom Papst empfangen wurde war in Wirklichkeit ein ganz unsicherer Mensch Balzac er klärte das gut Er sagte über den Schrift steller Warum sollte man Figuren erfin den warum sollte man das Leben anderer leben wollen wenn man sicher in der Welt ruht Und Hemingway schrieb an Scott Fitzgerald einen ganz ähnlichen Satz nämlich Du musst erst furchtbar verletzt werden bevor Du ernsthaft schreiben kannst Aber was Balzac und Hemingway nicht sagten ist dass es gar nichts nutzt zu schreiben Die Unsicherheit mit der Welt verschwindet nicht Tatsächlich gibt es keine Antwor ten es gab sie noch nie Und der zufriedene Nichtschriftsteller muss nicht das Leben anderer leben weil er in seinem eigenen Leben ruht Für ihn stimmt das Leben vielleicht mehr Aber ich glaube es ist nicht ganz so einfach Die Zweifel äußern sich nur bei jedem Menschen anders Sie liegen einfach darin begründet dass wir ein Be wusstsein haben und von unserem Tod wissen Es ist oft nicht ganz einfach sich mit dieser Sinnlosigkeit abzufinden Warum haben Sie erst so spät mit Mit te 40 Ihr erstes Buch herausgebracht Als Kind hatte ich Depressionen Oft ist ein Teil der Depression die Angst zu ver armen also kein Geld zu verdienen und zu glauben man würde bald in einem feuchten Keller mit Tuberkulose dahin siechen Wie bei allen Ängsten glaubt man leider sie seien ziemlich real Ich dachte wenn ich nur schreibe wird es furchtbar mit mir enden Das war der we sentliche Grund warum ich mich für ei nen ganz bürgerlichen Beruf entschieden habe Sind die Ängste inzwischen verschwun den Ängste verschwinden nie ganz Ich stelle mir immer noch vor dass ich morgen früh aufwache und kein Mensch kauft mehr ein Buch von mir Aber man findet Möglichkeiten damit zu leben Ihre Stücke sind meist offen gehalten Sie überlassen Lesenden oder Zuschau enden das Urteil statt selbst Position zu beziehen Machen Sie es sich leicht Ich glaube dass es für den Leser oder den Zuschauer interessanter und schwie riger ist sich selbst Fragen zu stellen Das Urteil ist ja immer ein wenig lang weilig Im Alltag auch Meine einzige wirkliche Erkenntnis aus diesem Leben ist dass wir nun einmal Fehler und Dummheiten machen Sie sind Teil unserer Existenz unseres We sens wir können gar nicht anders Ein Urteil darüber ist keine gute Haltung zur Welt Sie führt zum Zynismus zur Gleichgültigkeit oder sogar zur Abscheu vor den Menschen und damit in ein kleines hässliches langweiliges Leben Das Beste scheint mir also zu sein sich in ein Café zu setzen eine Zigarette zu rauchen und dem Leben etwas gelasse ner zuzusehen In welchen Momenten werden Sie zum Stammtisch Schirach und urteilen doch mal Ich trinke keinen Alkohol deshalb ist das mit dem Stammtisch schwierig lacht Aber im Ernst wenn die Dinge in politischer Hinsicht zu extrem werden wenn ständig die Wissenschaft in Zwei fel gezogen wird oder wenn Menschen nur noch hassen und verachten dann wird s mir ein wenig zu mühsam und ich gehe nach Hause Wie hat sich Ihr Alltag durch die Coro nakrise geändert Normalerweise frühstücke ich im Café und gehe abends in ein Restaurant ich kann leider nicht kochen Das ist nun alles geschlossen Stattdessen gibt es Brote und Take away auf Dauer nicht besonders angenehm Außerdem fehlen mir die Museen Theater und Konzerthäuser Viele Menschen haben die Zeit ge nutzt um etwas Neues auszuprobie ren Sie auch Nein so etwas wie Hobbys habe ich nicht Ich mag schon das Wort nicht Mein größtes Europa Erlebnis hatte ich mit Interrail Tickets 3 70 5 2 0 2 1 030 Schirach indd 37 13 04 21 11 13

Vorschau DB mobil 05-2021 Seite 37
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