T I T E L I N T E R V I E W auf einmal diesen Zusatz aufgedrückt wie einen Stempel im Rei sepass Du bist anders Zwar eine von den Guten weil integrier tes Gastarbeiterkind aber anders Daran musste ich mich erst gewöhnen Haben Sie sich vorher nie wegen Ihrer Herkunft ausgegrenzt gefühlt Immerhin wurden Sie als Kind in der Schule Tzaziki ge nannt Solche Spitznamen waren damals normal unter uns Kindern wie Brillenschlange oder Zervelatwurst Das hatte für mich kei nen rassistischen Hintergrund Ich finde es gibt in dieser Hin sicht inzwischen eine gewisse Überempfindlichkeit Es ist natür lich gut dass man darauf achtet aber vieles muss man aus der Situation betrachten Ich habe das nie als Beschimpfung auf grund meiner Herkunft empfunden Und als Erwachsene kann ich mich nur an ein Gespräch erinnern in dem ich Alltagsrassis mus erlebt habe Was war das für eine Situation Ich kam von einer Frühschicht beim NDR und war auf dem Weg nach Hause müde und blass als mich ein Paar angesprochen hat Die beiden wollten nach dem Weg fragen Aber erst mal hat die Frau zu mir gesagt Kön nen Sie uns ver steh en So ganz überdeutlich und laut Ich wusste gar nicht was die meinte und antwortete Ja klar Sie haben ja keinen Akzent Und die Frau Nein wir meinten Sie Sie sehen so dunkel aus Wie haben Sie reagiert Ich habe das nicht kommentiert und ihnen den Weg erklärt Als ich das Kennzeichen sah habe ich gedacht nicht aus Hamburg nun gut In der Provinz gibt es eben noch weniger von solchen wie mir lacht Fahren Sie noch oft nach Griechenland Ich besuche ungefähr alle zwei Jahre die Verwandten meiner Mutter sie ist eins von vier Geschwistern und jedes Mal wenn ich dort bin taucht gefühlt ein neuer Cousin oder eine neue Cou sine auf das sind insgesamt bestimmt 50 Haben Sie schon als Kind Griechenland besucht Ja auch etwa alle zwei Jahre Das war damals eine Weltreise Wir sind mit dem Zug oder mit dem Auto gefahren und waren circa drei Tage unterwegs von Hamburg bis nach Thessaloniki Da bekommt man ein Gefühl für Entfernungen Welche Erinnerungen haben Sie an diese Reisen mit der Bahn Es fühlte sich an wie ein großes Abenteuer Wir waren ja als Fa milie schon fünf Leute und haben dadurch fast ein ganzes Abteil belegt Aber auch der sechste Platz blieb nie frei Es war damals derart voll in den Zügen dass die Menschen in den Gepäcknet zen über unseren Köpfen im Abteil lagen auf dem Flur sowieso Im damaligen Jugoslawien sind ganz oft Menschen mit Hühnern eingestiegen Viele hatten Körbe voller Eier und Essen dabei Und wir mussten meist stundenlang an den Grenzen warten in sengender Hitze Dass man das heute nicht mehr muss ist eine große Errungenschaft Europas Wenn Sie momentan auf Europa schauen was denken Sie Die Stimmung hat sich massiv verschlechtert überall nimmt der Nationalismus zu Aber trotzdem möchte ich die Europa Hoff nung nicht aufgeben Das sieht man ja auch in Zeiten von Coro na Deutschland hat Patienten aus Frankreich und Italien aufge nommen Die einzelnen Staaten müssten sich nur etwas mehr zusammenreißen und nicht jeder sollte stur sein eigenes Ding machen Das ist wie beim Aufbauen eines Regals Schafft man das besser zusammen oder allein Zusammen Die Verdrossenheit ist zurzeit ziemlich groß Da sitzen Leute eher um das unfertige Regal herum und schimpfen Die Stimmung hat sich massiv verschlechtert überall nimmt der Nationalismus zu Aber trotzdem möchte ich die Europa Hoffnung nicht aufgeben Die Staaten müssen sich nur etwas mehr zusammenreißen Die Deutsche mit gr iechischer Herkunf t ist überzeug te Europäe r in Et wa alle zwei Jahre reist sie ins Heimatland ihrer Eltern 4 6 d b m o b i l d e 040 Titelinterview LindaZervakis indd 46 02 04 20 17 32

Vorschau DB Mobil 05-2020 Seite 46
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