D I E A B S O L V E N T E N H A L T E N Z U S A M M E N I N E U I N S T I T U T I O N E N S P R I C H T M A N V O N D E R B R Ü G G E M A F I A I M S C H E R Z nicht das Geld gehabt Dort habe sich so beschreibt er es eine Welt für ihn geöffnet Er ging für ein Auslandssemester nach Frankreich lernte Französisch verliebte sich in eine Kanadierin lernte Englisch arbeitete in einem Pariser Eisladen um sich das Studium an der Sorbonne zu finanzieren Mehrere Jahre bin ich jetzt fort aus Italien und habe mich komplett verändert Ich merke wie gern ich mich mit ganz unterschiedlichen Menschen umgebe Wie sehr ich Vielfalt schätze Mit einem Vollstipendium der italie nischen Regierung ist er schließlich ans College of Europe gekommen die Studiengebühren betragen stolze 16 500 Euro 70 Prozent der Studenten erhalten ein Stipendium Seine Eltern wollen dass er danach zurückkommt aber er glaubt nicht daran Es gibt zu Hause keine Jobs sagt er Er wird sich stattdessen dort bewerben wo sie jemanden wie ihn brauchen im EU Parlament Vielleicht bei der Kommission Wo jemand wie er der einen weiten Weg hinter sich hat sehr nützlich sein kann einer der versteht wie es sich an den Rän dern der Union anfühlt Am College of Europe wurden seit 1949 zwei Premierminister ausgebildet aus Dänemark und Finnland elf Minister die in Island Großbritannien Italien Norwegen Österreich Mazedonien Finnland Belgien und Polen Verantwor tung getragen haben 29 Botschafter sieben Generaldirektoren der EU Kom mission die höchsten Beamten in der EU Hierarchie und ein spanischer EU Kommissar Ein guter Teil der Absol venten findet jedes Jahr Jobs in der Brüsseler Bürokratie Das College of Europe ist eine der Kaderschmieden der Union und berühmt dafür wie eng die Alumni zusammenhalten In den Gängen der Brüsseler EU Institutionen sprechen sie von der Brügge Mafia Im Scherz So halb Was nicht heißt dass hier alle einer Meinung wären Es gibt Studenten in Brügge die am liebsten gleich morgen die Nationalstaaten abschaffen würden um die Vereinigten Staaten von Europa zu gründen Und jene die davon gar nichts mehr halten Einige wollen lieber eine kleinere EU die besser integriert ist Andere eine größere in der mehr Vielfalt herrscht Die Konflikte werden diskutiert Man redet ruhig und sachlich miteinander bekunden alle Die britischen Studenten betonen zum Beispiel wie respektvoll mit ihnen umgegangen wird Aber es ist klar Die Konflikte der EU ziehen mit den Studenten auf den Campus ein mit seinen modernen Betonfassaden die in und um die alten Kontorhäuser der Stadt gebaut wurden Und mit ihnen die Frage danach welche Regeln so eine Gemeinschaft braucht Wem wenn nicht den jungen Absolventen von Brügge sollte man zutrauen solche Regeln gewissenhaft auszuhandeln IHRE BEDINGUNGEN SIND nicht ideal In den EU Mitgliedstaaten schwindet die Gewissheit 2007 sagten laut einer Um frage der EU Kommission 57 Prozent der Europäer dass sie der EU trauen Heute sagen das nur noch 41 Prozent Die Mehr heit der Europäer könnte also argwöhnen dass hier eine etwas traumtänzerische weltfremde Elite heranwächst Rektor Monar sieht diese Gefahr durchaus des halb schickt er seine Studenten nun regel mäßig zu flämischen Familien in der Stadt zum Abendessen Plaudern und Biertrinken Krisztina Iszak kennt die Skepsis der Bevölkerung Die 28 Jährige sagt von sich dass sie wohl konservativer sei als die meisten hier Auch wenn zu Hause niemand auf die Idee käme mich für konservativ zu halten Zum Gespräch kommt sie nicht wie andere in Sneakern und Jeans sondern in beigefarbenem Mantel mit passendem Rock Rollkragen pullover Perlohrringen Iszak stammt aus dem Osten Ungarns direkt an der ukrainischen Grenze Ihr Vater ist Grundschullehrer ihre Mutter Lebens Das sei so würde es der Leiter des College sagen genau der Plan Der deutsche Rektor Jörg Monar 59 möchte unter normalen Umständen an den Regeln nichts ändern Er glaubt dass nur durch das enge Zusammenleben die besondere Nähe zwischen den Studenten entstehen kann die den Gründern des College vorschwebte Monar fing in den 90er Jahren an am College zu unterrichten Viele Studenten generationen hat er kommen und gehen sehen Er ist ein großer hagerer Mann der Schnauzer trägt und Anzüge die nach englischem Herrenschneider aussehen In seinem Büro hängen romantische Landschaftsgemälde auf dem englischen Schreibtisch steht eine Büste von Beethoven davor zwei barocke französi sche Sessel Die Studenten sind heute weniger überzeugt als früher dass wir stärkere EU Institutionen brauchen sagt er Früher hätten die Studenten mehrheit lich die Vereinigten Staaten von Europa erträumt einen EU Staat Heute will das vielleicht noch ein Drittel IN BRÜGGE SPIEGELT sich das Große im Kleinen DB MOBIL sprach neben dem Italiener Ricci mit zwölf weiteren Studen ten 13 Haltungen zu Europa Es sind finnische und portugiesische Diplomaten kinder unter ihnen die deutsch schwedi sche Juristin Malin die bereits als Anwältin daran mitwirkte einen großen Autobauer vor dem Europäischen Ge richtshof zu verklagen Eine griechisch französische Studentin aus Athen die mitbekommen hat wie ihr Land während der Finanzkrise ins Chaos schlitterte Eine Deutsche die Mitglied der Pro Euro pa Partei Volt ist Eine britische Studentin die nach dem Studium zu ihrem Job in der Regierung zurück kehren wird um den Brexit zu vollenden Und die zum Aus scheiden der Briten aus der EU kein einzi ges Wort sagen möchte Viele spüren einen Zwiespalt so auch Ricci Er wuchs als Sohn eines Elektrikers auf Seine Mutter kümmerte sich um die Kinder Als er zum Studieren nach Bologna ging konnte er keine Fremdsprache An die Universität kam Ricci mit einem Stipendium Seine Eltern hätten dafür 2 7M a i J u n i 2 0 2 0 022 Reportage EU Nachwuchs Bru gge indd 27 03 04 20 11 37

Vorschau DB Mobil 05-2020 Seite 27
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