F o to A K G I m ag es Das literarische Fundstück Der Autor Lutz Seiler geboren 1963 wuchs in Ostthüringen auf Während des Wehrdienstes begann er zu schrei ben später studierte er Geschichte und Germanistik in Halle Saale und arbeitete als Kellner in Berlin bevor ihn Stipendien nach Rom Los Angeles und Paris führten Mittlerweile ist Seiler mit mehr als 20 Literaturpreisen ausgezeichnet darunter der Ingeborg Bachmann Preis für die Erzählung Turksib Sein Debütroman Kruso 2014 gewann den Deutschen Buchpreis Zuletzt erschien seine fünfte Ge dichtsammlung schrift für blinde riesen 2021 Seiler lebt in Stock holm und Brandenburg unabdingbar obwohl sie unsere Neubau wohnung sicher nicht als Stall begriff Hastig und noch immer mit ausgebreite ten Armen begann meine Mutter ihre Be gründung vorzutragen Ted der ich mei ne der Teddy der war doch schon voll kommen verdreckt usw Und dann zum Abschluss ihrer Rede Dafür bist du doch jetzt auch zu alt Ich war sprachlos einfach geschockt auch daran erinnere ich mich Das Ganze war einfach unfassbar beinah unglaubwür dig Und vielleicht hätte ich niemals im Le ben darüber gesprochen wenn Frieda nicht den Ort der Wahrheit erfunden hätte Die Ted Geschichte musste sie tief beein druckt haben Noch Jahre später nachdem jeder wie man so sagt seinen eigenen Weg gegangen war Frieda lebte inzwischen in Los Angeles und ich in Stockholm schick te sie mir zu jedem Geburtstag ein Paket in dem irgendein Teddybär saß Nach Friedas Vorstellung sollte ich mich mit ihm vertraut machen und dann wenn wir Freunde wären würde er mir alles über sie erzählen flüs ternd unter der Decke wie damals bei Ted Der Bär würde dann ein neuer Freund und zugleich ihr Botschafter sein hatte Frieda geschrieben das war der Clou jedenfalls aus ihrer Sicht Ich erkannte Friedas ausge sprochen kindliches Wesen offensichtlich hatte sich daran nichts geändert und wenn sie auch sonst die alte Frieda war so meinte sie das wahrscheinlich ernst jedenfalls im Kern Sie glaubte dass Ted ersetzt werden konnte Dass jedes Unglück heilbar war Jedes Jahr ein neuer Ted ein Missver ständnis das mich bei Ankunft des FBI Bären derart verstörte und beinah wütend machte War Frieda jetzt beim FBI Und würde FBI Ted mir davon erzählen sobald wir uns miteinander vertraut gemacht hät ten dass ich mich wehren musste Einen Bären aus der Ted Familie in den Müll zu werfen hätte ich freilich nicht übers Herz gebracht Als ich zum Geburtstag wie ge wöhnlich meine alten Eltern in Gera be suchte nahm ich FBI Ted mit auf die Reise Vor Ankunft in Gera verabschiedeten wir uns Als ich ging saß er ganz allein im Ab teil Ich war freundlich und sagte noch et was wie gute Fahrt Er sah sehr traurig aus in diesem Moment aber wir hatten uns einfach nichts zu sagen hielt die Nächte mit mir aus die gut geplan ten übermächtigen Angriffe der Monster die wir gemeinsam durchschauten das Star ren in die Finsternis und unsere Gegenmaß nahmen die vor allem Gegengedanken wa ren denn Monster konnten Gedanken lesen und unsere Aufgabe war es Dinge zu den ken vor denen selbst Monster erschreckten Nach ein paar Jahren wusste Ted alles von mir er war immer dabei an meiner Seite Seine kleine regungslose Schnauze wurde weich und verständnisvoll im Halbdunkel so weich wie das Plüschohr auf das ich mei ne Lippen presste wenn ich ihm die Ge heimnisse meines Lebens anvertraute Umso älter ich wurde desto weniger An griffe waren abzuwehren es gab weniger zu besprechen in der Nacht aber im Grunde blieb alles beim Alten Nur Teds Aussehen veränderte sich über die Jahre Er war inzwi schen fast kahl grau und etwas speckig was nicht die geringste Rolle spielte Zwi schen mir und der Wand lag Ted und das konnte für immer so bleiben Es war an einem Freitag kurz vor den Winterferien als ich Ted im Ofen sah Unse re letzte Schulstunde war ausgefallen und meine Mutter die noch nicht mit mir ge rechnet hatte heizte den Ofen an Als ich das Zimmer betrat sah ich dass sie dort rasch etwas machte statt mich zu begrü ßen wie üblich eine schnelle Bewegung mit dem Feuerhaken aber ich hatte Ted schon entdeckt Es war jener Moment in dem das Feuer ihn erfasste Meine Mutter sprang auf und versuchte mir den Blick auf das Ofenloch zu versperren man hörte das Feuer das Feuer prasselte wie man so sagt wenn etwas schnell und sehr gut verbrennt Für drei vier Sekunden wurde aus dem Prasseln ein Donnern dann war es still Seltsamerweise erinnere ich mich heute vor allem daran dass auch meine Mutter entsetzt gewesen war entsetzt über das Entsetzen das sie entdeckt hatte in meinen Augen und vielleicht wurde ihr in diesem Moment klar was sie getan hatte überhas tet unüberlegt in ihrer in unregelmäßigen nicht vorhersehbaren Abständen ausbre chenden Manie mal richtig auszumisten wie sie es nannte das ganze olle Zeug Sie kam ja vom Land die Arbeit des Ausmis tens war ihr vertraut und vielleicht er schien ihr diese Arbeit einfach notwendig Fundstück Ist das Ihr Teddy Schreiben Sie uns Wir bewahren alle vorgestellten Fundstücke gesondert auf damit sie ihre Eigentümer innen doch noch finden fundstueck dbmobil de Sie haben etwas im Zug oder am Bahnhof ver loren oder gefunden Den Fundservice der DB erreichen Sie unter bahn de fundservice Unsere letzte Schulstunde war ausgefallen und meine Mutter die noch nicht mit mir gerechnet hatte heizte den Ofen an dbmobil de70 068 Literarisches Fundstueck indd 70 08 02 22 11 03

Vorschau DB mobil 03-2022 Seite 70
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