Fo to F el ix A dl er U lls te in B ild Städte Special Leipzig Wo sind die Burgen denke ich manchmal wenn ich durch Anger Crottendorf laufe mein Viertel am südöstlichen Rand der Stadt Leipzig Denn wie verwunschene dunkel verwitterte Festungen lagen einst die verlassenen Fabriken auf verwilderten Brachen Bahndämme durchzogen wie Mauern das Viertel auf den Dächern der Häuser lag noch der Ruß der DDR und in den Eckkneipen wurde Skat gekloppt und Bier und Schnaps getrunken als wäre die Vergangenheit dort niemals vergangen denn Alkohol konserviert Noch Mitte der Zweitausenderjahre standen fast 30 Prozent der Wohnungen leer in Danger Crottendorf wie das Viertel heute noch manchmal scherzhaft genannt wird und keiner weiß genau wo es früher mal dunkler und gefährlicher war in Dan ger oder im benachbarten Stadtteil Reud nitz der aber erst in den letzten Jahren den Spitznamen Detroit nitz erhielt Dort im tiefsten Reudnitz steht übrigens die alte Reudnitzer Brauerei die heute nur noch das legendäre Sternburg Export braut natürlich in der Oststraße Die Brau ereifeste waren mindestens genauso le gendär wie das Sternburg Export mit dem roten Stern und endeten oft in einer Mas senschlägerei während die Puhdys Ost rock spielten Früher war Sternburg Export ja eher verpönt wir tranken Reudnitzer Pilsner die bekannteste Marke Reudnitzer Herkunft neben den berüchtigten Reud nitzer Rechten beide nicht mehr existent was nur im Fall des guten alten Pilsners zu bedauern ist Verglichen mit unserer Trabantenstadt Grünau die bis Anfang der Achtziger aus dem Boden gestampft wurde am anderen Ende der Stadt L wirkte Reudnitz aber eher beschaulich in jenen Nachwendejah ren die sich irgendwie bis Ende der Neun ziger hinzogen In Grünau leuchteten selbst die Fenster der 18 Geschosser be drohlich in den Grünauer Nächten in de nen die Mülltonnen brannten und die Stimmen sich in den Plattenbauschluch ten verloren Crystal Heroin Speed wie so viele der kurzzeitig orientierungslo sen Zonenkinder sich verloren die Crash kids wurden Autos stahlen rebellierten im Drogensumpf versanken scheiterten überall im Osten nicht nur in Reudnitz oder Grünau Heute ist Grünau eher ein Rentnerbiotop weit weg aber es gibt auch dort noch Ecken wie die alte Magistrale Miltitzer Allee wo der Spruch der Schriftstellerin Christa Wolf zutrifft die lange in der Nachbarstadt Halle gelebt hat Das Ver gangene ist nicht tot es ist nicht einmal vergangen Aber doch es vergeht und verweht Und vielleicht ist das auch gut so denke ich wenn ich durch unseren Lene Voigt Park schlendere der Danger mit Detroitnitz und dem Zentrum Ost verbindet Wiesen Sportplätze Grill plätze Fahrradwege und Spielplätze Cafés in den angren zenden Straßen Bis Anfang der Zweitausender war das ein riesiges Bahngelände Schienenstränge Lokschuppen die teilweise heute noch zu sehen sind Am Rande dieser Bahnschneise wanden sich die silbernen Rohre der Fern wärme wie riesige Schlangen vorbei an den Kleingarten anlagen oder mitten durch diese hindurch Auch heute noch sind diese Rohrsysteme hier und dort zu sehen auch im Westen der Stadt entlang der Flüsse Elster und Pleiße In meiner Erinnerung schießt ein kochend heißer Dampf strahl aus einer undichten Stelle an einem der Rohre zer teilt sich zischend hoch oben so sind sie auch zerteilt und zischend die Erinnerungen an eine Stadt die sich mehr und mehr verändert so sehr dass man sich fast verbrennt so sehr dass man kaum noch weiß was war einmal was wird einmal Mein Leipzig lob ich mir doch manchmal tob ich hier W Sonnentage in Volkmarsdorf rechte Seite aber auch Grünauer Nächte Clemens Meyer oben ist der Chronist des Leipziger Ostens Ganz und gar erfassen kann man diese Stadt L sowieso nicht zer rissen ist sie doch noch oder 62 dbmobil de 060 Leipzig indd 62 08 02 22 12 08

Vorschau DB mobil 03-2022 Seite 62
Hinweis: Dies ist eine maschinenlesbare No-Flash Ansicht.
Klicken Sie hier um zur Online-Version zu gelangen.