Ill us tr at io n M at th ia s Se if ar th I llu st ra ti on A ut or A nj e Ja ge r Mischkes Zuggespräche Der Journalist und Autor trifft jeden Monat besondere Menschen auf seinen Reisen Diesmal Nicht dass Sie denken ich sei irre sagt sie Es pas siere ihr öfter dass Menschen sie ansehen und dabei sichtlich verzweifelt ihr Gedächtnis durchstöbern Ich mache Werbung für Versicherungen Schokolade Tees und anderes sagt sie Ich bin fasziniert weil ihre Erscheinung so kompatibel so anschmiegsam ist an die Erinnerung so vieler Fernsehzuschauer innen Sie erzählt von ihrem Job und spricht dabei manch mal Spots nach in denen sie aufgetreten ist Sie klingt dann anders vertrauter als würde eine Freundin mir etwas empfehlen So trinkt man in der Werbung Tee sagt sie dann und nimmt ihre Tasse auf seltsame Art in beide Hände kein Mensch trinkt so Tee außer in der Werbung Sie lächelt in die Tasse dann mir zu Eigentlich wollte ich Schauspielerin werden sagt sie Ich gebe zurück das sei sie doch Sie lächelt Ich weiß was sie meint zum Film ins Kino berühmt wer den Aber das ist so anstrengend sagt sie Die Kraft hätte sie nicht gehabt Irgendwann habe sie ihren Frie den damit geschlossen ein Werbegesicht zu sein Papperlapapp sage ich Und erzähle ihr von dem Gefühl das ihr Gesicht in einem Menschen in mir aus löst die Assoziationskette die mich mein ganzes Le ben durchforsten ließ Was will man mehr Berühm ter geht nicht Sie stehen für alles und jeden Nun bietet sie mir auf eine werbetypische Art ein Stück Schokolade an Das ist mein Moment der Erkenntnis Sie sind viel mehr als ein Werbegesicht Sie sind ein lebendes Déjà vu V on irgendwoher kenne ich sie denke ich als ich ihr im Speisewagen begegne Sie blickt hinaus Kopf in die Hände gestützt Ich studiere unauffällig ihr Gesicht raste re es ab versuche mich zu erinnern Wo habe ich sie schon gesehen Große Augen eine fast beängstigende Gesichtssymmetrie dunkle Haare Ein Mitarbeiter des Bordrestaurants unterbricht mich glücklicherweise denn ich bin kurz davor zu starren Ich bestelle und kann trotzdem nicht aufhören die Frau aus dem Augenwinkel über den Gang hinweg zu beobachten Es macht mich wahnsinnig Waren wir zusammen auf Abschlussfahrt in Prag nach zu vielen Schnäpsen auf der Wenzelsbrücke sin gend Haben wir für die Zwischenprüfung gelernt oder für einen Artikel recherchiert Ich nippe fast wütend an meinem Kaffee also nehme ich bevor ich noch wütender werde allen Mut zusammen Entschuldigen Sie sage ich ich habe eine Frage Sie lächelt mich an Sie muss mein Mustern bemerkt haben ich gebe zu ist nicht meine Stärke Mein soziales Umfeld hat mich schon oft angebufft wenn ich Leute beobachtete Sie sagt Kann ich Ihnen einen Fonds zur Altersvorsorge empfehlen Ich stutze weil es die denk bar seltsamste Reaktion ist Dann aber erlöst mich das Gefühl zu wissen woher ich sie kenne es ist vergleich bar damit ein verloren geglaubtes Portemonnaie wie derzufinden Sie ist ein bekanntes Werbegesicht Aber natürlich weiß ich nicht wie sie heißt Thilo Mischke Für seine Reportagen ist unser Kolumnist rund 160 Tage im Jahr unterwegs Hier erzählt er von Begegnungen mit Menschen die ihn nicht los gelassen ha ben Gerade erscheint sein neues Buch mit Reiseberichten aus aller Welt Alles muss raus Notizen vom Rand der Welt Droemer 20 Das Werbegesicht 5103 2022 051 Mischke indd 51 08 02 22 12 31

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