„Ich bin ein Wassergourmet“

Von Waldsee bis Wasserfall: Kaum ein anderer hat so viele Naturgewässer durchschwommen wie Hansjörg Ransmayr. Im Interview mit DB MOBIL verrät er seine Lieblingsbadestellen und erzählt, was ihn am Wildschwimmen so fasziniert

Von:
Hansjoerg-Ransmayr

Herr Ransmayr, Sie haben unzählige deutsche Gewässer beschwommen. Wo war es für Sie besonders schön?

Deutschland bietet mit seinen Flüssen, Seen und Küsten wirklich außerordentlich viele Möglichkeiten für Wildschwimmer:innen. Zum Beispiel den Kirchbruch in Beucha in der Nähe von Leipzig – ein ehemaliger Granitsteinbruch mit extrem sauberem Wasser. Dort bei Sonnenuntergang auf die Bergkirche zuzuschwimmen, die auf einem 20 Meter hohen Felsen thront, ist einmalig schön. Auch die kleinen Halligen haben es mir angetan. Besonders auf der Hallig Hooge gibt es viele tolle Badebuchten. Wer gern mal in einem Wasserfall baden möchte, dem empfehle ich den Tatzelwurm in den Bayerischen Voralpen. Aber auch in Städten kann man wildschwimmen: Es gibt in Deutschland viele urbane Swimming-Spots, und mich überrascht immer wieder, wie gut die von der Bevölkerung angenommen werden.

Welche Städte eignen sich denn gut zum Wildschwimmen?

Direkt an Halle an der Saale grenzt ein großer Sandstrand. Dort kann man wunderbar spazieren schwimmen – mit Blick auf die umgebende Auenlandschaft. In Heidelberg bietet sich der Neckar an und in München die Isar. Die europäische Hauptstadt des Wildswimming ist für mich jedoch Berlin, weil die Stadt von so vielen Seen umgeben ist. Besonders schön finde ich den Werlsee in Grünheide mit seinem breiten Strand. Von dort aus schwimme ich gern zur Lindwallinsel mitten im See oder entspanne mich am feinsandigen Ufer.

Gibt es eine Rückbesinnung auf das Baden in der Natur?

Ja, ich glaube, die Coronakrise hat dafür gesorgt, dass die Menschen ihre direkte Umgebung neu entdeckt haben. Außerdem hat sich die Wasserqualität in Deutschland in den letzten 15 Jahren stark verbessert. Die Demokratisierung der urbanen Wasserflächen ist weltweit ein großes Thema. In Berlin zum Beispiel setzt sich eine Initiative für die Eröffnung eines Flussbades ein. In Paris schwimmen die Menschen wieder in der Seine, und in Kopenhagen gibt es sogar Stadtführungen, bei denen die Leute durch Kanäle schwimmen. Das ist eine tolle Entwicklung. Solche Naturerlebnisse machen Städte lebenswerter. Statt Flächen für Schwimmbäder zuzubetonieren, finde ich es viel besser, natürliche Ressourcen neu oder besser zu nutzen.

In welchen Gewässern schwimmen Sie am liebsten?

Wasserfälle haben es mir besonders angetan. Sie sind unheimlich vitalisierend, als würde man in sprudelndem Mineralwasser baden. Auch das Schwimmen in Quellen hat eine ganz eigene Energie.

Hansjörg Ransmayr

Energie? Wie meinen Sie das?

Wer in einem Pool schwimmt – egal, wo auf der Welt –, erlebt mehr oder weniger dasselbe. Beim Schwimmen in der freien Natur ist das völlig anders. Über die Jahre habe ich ein Gespür für die verschiedenen Wasserqualitäten entwickelt und bin zum Wassergourmet geworden. Mineralisch, hart, weich, moderig, süßlich, salzig-kalt oder würzig-warm: Ein See fühlt sich jeden Tag anders an, duftet jeden Tag anders.

Sie schwimmen selbst im Winter in eiskalten Bergseen. Warum tun Sie sich das an?

Weil es mental sehr erfrischend ist und man sich anschließend wie neugeboren fühlt. Im kalten Wasser ist man so fokussiert, dass man sofort einen klaren Kopf bekommt. So, als würde man eine „Delete“-Taste drücken. Es hält jung und macht ausgeglichener. Ich habe Bekannte, die durch das Winterschwimmen schwere Depressionen losgeworden sind. Auch bei akuten Schmerzen hilft kaltes Wasser sehr gut. Und ich selbst habe keine Schlafprobleme mehr, seit ich auch im Winter draußen schwimmen gehe. Dass liegt daran, dass der Stoffwechsel im kalten Wasser extrem hochgefahren wird und man sich danach angenehm müde fühlt.

Badelektüre

Hansjörg Ransmayr hat Flüsse und Seen in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchschwommen. Die besten Badestellen verrät er in seinen Büchern „Wild­swimming Deutschland“, „Wild­swimming Alpen“ (zu kaufen auf 

wildund.cool

) und auf alpine-swimming.com.

Welche Gefahren lauern beim Schwimmen in der Natur? Worauf achten Sie?

Der wichtigste Muskel beim Wildschwimmen sitzt im Gehirn. Eine Stelle, die sich an einem Tag gut zum Baden eignet, kann schon am nächsten Tag zur tödlichen Gefahr werden. Springt man etwa vom Ufer in einen Fluss, sollte man vorher überprüfen, was sich unter der Wasseroberfläche befindet. Nach einem Gewitter zum Beispiel treiben oft Äste im Wasser. Ich arbeite bei der Wasserwacht und weiß: Übermut, Gruppendynamik in Verbindung mit Alkohol und Unachtsamkeit Kindern gegenüber sind die größten Gefahren.

Hansjörg Ransmayr

Welche Ausrüstung braucht man für das Schwimmen in Naturgewässern?

Aufblasbare Rucksackboote, sogenannte Packrafts, sind der neueste Trend. Die wiegen gerade einmal 2,5 Kilogramm und lassen sich auch im Zug bequem transportieren. Ich nutze sie oft, um auf Seen neue Badestellen zu erkunden. Außerdem habe ich immer eine Schwimmboje dabei, wenn ich längere Strecken schwimme. Man kann darin Snacks, sein Handy und gegebenenfalls seine Autoschlüssel verstauen – und sich daran festhalten, wenn man mal eine Pause braucht oder einen Krampf im Fuß hat.

Sie bieten auch Schwimm-Wandertouren an. Wohin zum Beispiel?

Eine Destination, die sich in Österreich dafür ganz besonders eignet, ist das vor allem unter Skifahrern bekannte und beliebte Obertauern. Hier findet man sowohl ein ausgezeichnetes Wanderwegnetz als auch herrliche Bergseen wie z.B. Tauernkarsee, Wildsee, Krummschnabelsee und Twenger Almsee. Die fantastische Wasserqualität zusammen mit der alpinen Flora und Fauna garantieren einzigartige Erlebnisse.

Weitere Infos: www.alpine-swimming.com

Lesen Sie auch „Freie Bahn“, die Reportage von DB MOBIL-Autor Thilo Mischke über seine Leidenschaft für das Schwimmen in Flüssen und Seen, in DB MOBIL 08-2021.

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