Grüner Wedeln

Kann man in Zeiten des Klimawandels noch mit gutem Gewissen auf die Piste? Und ist nachhaltiger Wintersport überhaupt möglich? Wir stellen einige Orte mit neuen Konzepten vor – und geben Tipps für einen umweltbewussten Urlaub

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Philipp Ruggli

Über viele Jahre kannte der Wintertourismus in den Alpen nur eine Richtung: Höher, schneller, weiter. Skigebiete prahlten mit noch mehr Pistenkilometern, neue Liftanlagen wurden in die Hänge gebaut, hunderte von Schneekanonen in Stellung gebracht, um den immer milderen Wintern Paroli zu bieten. Doch inzwischen suchen Alpenorte nach alternativen Konzepten für einen Tourismus, der die Natur schont.

LAAX
So soll die energieeffizient sanierte Bergstation in Laax einmal aussehen

Ein Ort erfindet sich neu   
Umweltbewusst Skifahren – geht das? Eine Antwort darauf liefert zurzeit die Gemeinde Laax im Kanton Graubünden in der Schweiz. Zusammen mit den Ortschaften Flims und Falera hat sie bereits heute in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle übernommen. Beispiel Müll: Wie im Tal wurde auch überall an den Bergstationen eine strikte Mülltrennung eingeführt, um die Recyclingquote zu erhöhen. Man verzichtet strikt auf Wegwerfbecher und -flaschen, dafür können Wintersportler:innen direkt vom Brunnen trinken. Die Fassaden der Liftstationen tragen Solarpaneele, der meiste Strom im Skiresort kommt aus Wasserkraft.

WAG
Das Riders Hotel hat unter anderem Solarpaneele auf dem Dach installiert

Es sind viele kleine Schritte auf dem Weg zu einem großen Ziel: Bis 2030 will die Region in Sachen Energie die erste selbstversorgende Alpendestination werden, die den gesamten Strombedarf, auch den der Bergbahnen, durch erneuerbare Energien deckt. Urlauber:innen können die grüne Zeitenwende nicht nur am Berg erleben. Im Tal stoßen sie auf eine hohe Dichte an E-Ladestationen und mit dem Riders Hotel auf ein Haus, das Nachhaltigkeit nicht allein über Solarstrom und vegane/vegetarische Küche definiert. Um dem selbsterklärten „Zero Waste“-Ziel nahezukommen, bietet es einen kostenlosen Reparaturservice für Ski und Skibekleidung an.

Ein Lift, der Strom liefert

Solarskilift Tenna
Der Lift läuft mit Sonnenenergie

Überhaupt setzt sich das Nachbarland Schweiz mit einigen Projekten an die Spitze eines Wandels hin zu mehr Nachhaltigkeit.

  • Die Region Schatzalp in Graubünden betreibt die Lifte über Davos neuerdings energiesparend „mit der Behäbigkeit früherer Jahre“, so steht es in der Pressemitteilung. Gefahren wird ausschließlich auf Naturschnee, so wie es auch in anderen kleineren Orten möglich ist, etwa im Gebiet Bannalp oder in Chur-Brambrüesch.
  • Im Bündner Safiental bringt der weltweit erste Solarskilift die Gäst:innen auf den Berg. Die Anlage produziert so viel Strom, dass es neben dem Wintersportbetrieb gleich noch für das regionale Stromnetz reicht.

In Österreich dient das Kaunertal in Tirol als Vorzeige-Region. Der Naturpark wurde 2021 um mehr als die Hälfte der Fläche auf 220 Quadratkilometer erweitert und umfasst nun einen Großteil des Kaunergrats, einem bis zu 3500 Meter hohen Gebirgszug. Zwar sind die Skilifte am Kaunertaler Gletscher weiterhin in Betrieb, doch schuf man auf der anderen Seite mehr Raum für Wandertourismus. Hierzulande gilt Berchtesgaden in Bayern als Modellregion, die Deutschlands einzigen Nationalpark als Erlebnisraum mit der Möglichkeit des Skifahrens auf dem Obersalzberg verbindet.

TVB Severin Wegener
Am Kaunertaler Gletscher schuf man mehr Raum für Wandertourismus

Vom Skigebiet zum Naturpark
Während dort die Balance zwischen Alpin-Ski und sanftem Tourismus angestrebt wird, hat man in Kärnten am Dobratsch ganz auf Downsizing gesetzt. Angesichts milder werdender Winter entschied sich die Stadt Villach gegen eine millionenteure Erneuerung der Liftanlagen. Das Skigebiet wurde zum Naturpark umgewandelt, in dem heute Wandernde und Skitourengeher:innen unterwegs sind. Einen ähnlichen Weg schlug Immenstadt im Allgäu ein, wo die Lifte am Gschwendner Horn abgebaut wurden und dafür ein Netz aus Wanderwegen entstand.

Wo die Schneefallgrenze immer seltener erreicht wird, setzen Orte auf nachhaltigen Tourismus. So haben sich mit den „Alpine Pearls“ 23 Gemeinden in den Alpen zusammengeschlossen, die neben dem Anspruch auf Naturbelassenheit der Region vor allem die autofreie An- und Abreise und die einfache Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im und außerhalb des Zielortes zum Hauptanliegen machen.  
 
Damit begegnen sie einem zentralen Argument, das immer wieder gegen den Wintersport ins Feld geführt wird. Ob Ski Alpin oder Naturabenteuer abseits der Pisten: Was die Belastung der Umwelt angeht, fällt die An- und Abreise am stärksten ins Gewicht. Nach einer Berechnung der ETH Zürich entfallen darauf bei einem Winterurlaub rund 75 Prozent des CO2 -Ausstoßes, während lediglich fünf bis acht Prozent auf das Konto von Beschneiung, Pistenpräparierung und Liftbetrieb gehen.

Shutterstock/Aydin-Hassan
Das Skigebiet am Dobratsch wurde zu einem Naturpark umgewandelt

Klimaschonend anreisen
Keine glatten Straßen, keine Staus –viele Skigebiete sind gut ans Bahnnetz angebunden und zum Teil sogar ohne Umsteigen aus dem Norden Deutschlands erreichbar. Weitaus größer werden die Möglichkeiten, wenn man bereit ist, ein- oder zweimal umzusteigen. Oft startet die Gondelbahn ganz in der Nähe des Bahnhofs. In Österreich gilt das beispielsweise für Bad Gastein, Kitzbühel, St. Johann, Brixen im Thale oder Leogang, ebenso fürs Zillertal mit Bahnhöfen in Zell am Ziller und Mayrhofen. In Südtirol verbindet die Pustertalbahn die Skigebiete Kronplatz und Drei Zinnen. In der Schweiz kommt man zum Beispiel direkt an die Pisten in Klosters und in der Aletsch-Arena, in Deutschland sind Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf gut mit dem Zug erreichbar.

Geht es also doch – Skifahren ohne schlechtes Gewissen? Ja und nein. Denn mit seinem Strom- und Wasserverbrauch sowie der Beanspruchung der Flächen bleibt der Wintersport ein Stresstest für die Natur. Und doch: Es bewegt sich viel, weil immer mehr Alpen-Gemeinden die Folgen für die Umwelt begrenzen wollen. Und dazu können auch Reisende selbst einen Beitrag leisten.

Tipps für möglichst nachhaltige Skiferien

  1. Umweltfreundliche Anreise: Viele Skigebiete sind mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen.  
  2. Nachhaltige Skigebiete wählen: Meist sind es kleinere Gebiete, die nicht künstlich beschneit werden. Zu den „Alpine Pearls“ zählen 23 Orte, die sich durch gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr und sanften Tourismus auszeichnen.  
  3. Auch die Skiausrüstung kann nachhaltig sein. Zum Beispiel Ski aus recyceltem Material von Fischer, Skischuhe von Tecnica, Ski-Bekleidung von Patagonia. Und: Nur biologisch abbaubaren Wachs für Laufflächen benutzen. Grundsätzlich sollte man Ski und Ausrüstung möglichst lange gebrauchen.

 

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