Stilikonen

Wie oft haben Sie einem Zug beim Einfahren auf die Schnauze geschaut, wie oft einen Wagen durchschritten? Manche Eisenbahn-Designs sind mittlerweile Kult – die Ausstellung „Design & Bahn“ im DB Museum Nürnberg zeigt, wie sich das Aussehen von Zügen bis 1.-Klasse-Sessel im Lauf der Zeit verändert hat

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Modellzug
DB Museum/Karin Vogel
Modell des VT 603 von 1969, eines Gasturbinenzuges, der nie über den Status des Prototyps hinauskam
DB Museum
Die legendäre Schnauze des TEE trug ab 1971 den Namen der neuen Schnellzuggattung Intercity. Anfangs boten diese IC-Züge ausschließlich Sitze der 1. Klasse

Ewiger Star bleibt der TEE von 1957. Der ikonische Kraftprotz war lange Flaggschiff der damaligen Bundesbahn und wegen seines Designs äußerst populär.

DB Museum/MAN Archiv
Pottwal oder Mieze? Der TEE hat zwei Gesichter: Sehen Sie eine bullige Schnauze mit Augen im Führerstand oder ein Katzen­wesen, das konzen­triert aus seinen Lampenaugen schaut?

Tempo, Zuverlässigkeit, Kraft: Die Fahrzeugköpfe drückten im Laufe der Zeit verschiedene Ideale aus. So war der „Schienenzeppelin“ von 1930 der erste Zug, dessen Design Geschwindigkeit versprach – eine Sensation zwischen kohleverschmierten Dampfloks. Der Flugbahnwagen sollte die Vorteile von Schiene und Luftfahrt vereinen und stellte einen Geschwindigkeitsrekord von 230 km/h auf, der 24 Jahre lang bestand. Doch der Sonderling passte nicht in den Alltagsbetrieb und wurde 1939 verschrottet.

Designausstellung
1.10.– 12.6.2022

Dass Design nie nur Dekor ist, erst recht nicht bei der Bahn, zeigt die neue Ausstellung im DB Museum Nürnberg. Wie sich S-Bahn-Türen, Schaffnermützen und Bistrogeschirr seit 1900 veränderten, welche guten Ideen hinter den Entwürfen stecken, lässt sich in 20 Stationen erkunden. Viele noch nie gezeigte Exponate wie Modelle, Stoffmuster und Entwürfe machen Freude – und ein bisschen nostalgisch. Die Ausstellung „Design & Bahn“ ist zentraler Beitrag der Deutsche Bahn Stiftung zum „Europäischen Jahr der Schiene 2021“. Sie ist dienstags bis freitags von 9 bis 17 Uhr geöffnet, an Wochenenden und Feiertagen 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 7€, für Kinder 4€. dbmuseum.de

Du bist, worin du sitzt! Jeder dieser Sessel wurde für die Gesellschaft einer bestimmten Epoche entworfen. So reiste man 1928 im Rheingold-Zug mit freistehenden Wohnzimmermöbeln. In den 1970er-Jahren wurde ein Aschenbecher in die Armlehne integriert, ab dem ICE 1 (Einführung 1991) Audiotechnik und ein Klapptisch. Und heute? Smart, zurückhaltend und leicht.

Der beschränkte Platz in einem Zug lässt Designer:innen kreativ werden: Jeder Millimeter wird clever genutzt. Anfang der 1920er Jahre fuhr die junge Architektin Margarete Schütte- Lihotzky mit einem Mitropa-Speisewagen und entwarf 1926, inspiriert von der Kochnische an Bord, den Klassiker „Frankfurter Küche“, der sie weltberühmt machte.

Moritz Bernoully

Schranken, Signale, Kolben und Tunnel: Inspiriert von der technischen Welt der Züge erschaffen Grafiker:innen in den 1950er bis 70er Jahren Werbeplakate von großer Vielfalt. Mal sind die Metaphern abstrakter, mal von kindlicher Einfachheit – und trotzdem genial: Der Skifahrer düst geradewegs in eine Zukunft, in der sich der Bahnslogan „Alle reden vom Wetter. Wir nicht“ ins kollektive Gedächtnis einprägen wird. Inzwischen ist die Kommunikation der Bahn vereinheitlicht worden. Es gibt sogar eine eigene Schriftartfamilie, die „DB Type“.

Für Liebhaber:innen gibt es das dazugehörige Buch „Design & Bahn. Eine Gestaltungsgeschichte“, dem wir die Abbildungen auf den vorangegangenen Seiten entnommen haben. Auf 272 Seiten zeichnet der Band die Entwicklung des Bahndesigns mit vielen Fotos, Skizzen und Plakaten nach. Informative Beiträge sowie Interviews mit Designer:innen bereiten das Thema umfassend auf.
Erschienen im Prestel Verlag, 29 €.

Des Schaffners neue Kleider: Weil Uniformen das Selbstverständnis der Bahn ausdrücken, lässt sich auch ein Imagewandel durch einen neuen Modestil begleiten. So trumpfte die DB in den 1980er Jahren mit prägnantem Verkehrsrot auf und ließ den eher spröden Auftritt des Staatsbetriebs hinter sich. In den 1940er Jahren trugen Bahnmitarbeiterinnen meist noch die Uniformen der Männer oder, wenn ihnen diese zu groß waren, zivil. Heute stellen sich Angestellte ihre Dienstkleidung, die umweltschonend und fair produziert ist, aus 80 Teilen in 51 Größen selbst zusammen – in Blau und Weinrot. Seit 2020 stehen auch Jeans zur Auswahl.

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