Hollywood made in Germany

Was haben ein Berliner Wohnhochhaus, eine Freibadruine am Rhein und der Gespensterwald gemeinsam? Sie sind deutsche Locations für bekannte Kino- und Serienproduktionen. DB MOBIL stellt acht dieser Drehorte vor

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Kottbusser Tor, Berlin
Imago Hoch-Zwei-Stock, Angerer

Royale (T)Räume
Hessen: Schlosshotel in Kronberg

„Die Filmcrew hat im Schlosshotel gedreht und übernachtet, unsere Küche hat das komplette Catering ausgerichtet“, erzählt Hoteldirektor Dominik Ritz. Er betreute den Dreh von „Spencer“. Das Kinodrama erzählt von den albtraumhaften Weihnachtstagen, die die britische Prinzessin Diana (gespielt von Kristen Stewart) 1991 in Sandringham House verbringt. Für drei Wochen verwandelte sich das Fünf-Sterne-Haus im Taunus in das Innere des königlichen Landsitzes. „Es war während des Corona-Lockdowns, daher hatten wir geschlossen“, sagt Ritz. In normalen Zeiten sei eine solche Produktion wegen der anwesenden Gäste nicht so leicht einzurichten. Auch deshalb nicht, weil die Räume für die Filmszenen umdekoriert werden mussten. „60 Gemälde und Spiegel wurden entfernt, einiges vom Mobiliar und schwere Teppiche. Manche Bilder, die für den Film auf­gehängt wurden, haben wir als Erinnerung hängen gelassen.“

Einsiedel.com

Reisetipp: Übernachtung im oder Führung durch das Hotel: schlosshotel-kronberg.com

Heilige Hallen
Sachsen-Anhalt: Dom zu Halberstadt

„Nach nur 20 Minuten im Dom war George Clooney überzeugt von der Location“, sagt Claudia Wyludda, Pressereferentin am Halberstädter Dom. Sie war beim Dreh von Clooneys Kriegsdrama „Monuments Men“ dabei. In dem Kinofilm stellt der Dom die Kathedrale von Gent in Belgien dar, gleich in der Anfangsszene: Da versuchen einige Männer ein wertvolles Altarbild von Jan van Eyck vor den Nazis zu bewahren, indem sie es abbauen und verstecken. „Die Chefrequisiteurin hat gesagt, dass der Dom den perfekten Gotikstil aufweist und fast keine Extras benötigt. Das Filmteam stellte lediglich eine Kopie des Altarbilds und einige Kerzenständer auf.“ Wyludda erinnert sich auch an den Moment, als sie gemeinsam mit der Domrestauratorin Clooneys Arbeitsweise studieren konnte: „Es war während eines Nachtdrehs, nur Kerzen schienen. Alle anderen waren draußen beim Dreh. Weil es kühl war, hatten wir uns reingesetzt, an die Seite des Hauptschiffs. Auf einmal erschien Clooney, gesehen hat er uns wohl nicht. Er stellte sich vor den Altar, überlegte, dann ging er auf und ab und probte eine Szene. Wir haben unterdessen den Atem angehalten.“

Elmar Egner

Reisetipp: Führung durch den Dom: dom-schatz-halberstadt.de

Hui-Buh-Hain
Mecklenburg-Vorpommern: Gespensterwald

Die „Ku’damm“-Reihe (ZDF) erzählt, wie eine Berliner Tanzlehrerin und ihre drei Töchter in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren um Selbstbestimmung kämpfen. Eine der Frauen besucht mit ihrem Liebhaber den Gespensterwald in Nienhagen an der Ostsee. Hier ragen direkt an der Steilküste Eichen, Eschen und Buchen auf, die der Meereswind zu teils bizarren Formen gebogen hat – daher auch der Name des Wäldchens.

GettyImages Arterra

Reisetipp: der perfekte Rückzugsort, nicht nur für Serienprotagonist:innen!

Friedhofsruhe?
Brandenburg: Südwestkirchhof Stahnsdorf

Die Mysteryserie „Dark“ (Netflix) erzählt, wie der Name schon andeutet, eine düstere Story: Zwei Kinder aus der Kleinstadt Winden verschwinden spurlos. Die Kapelle des fiktiven Ortes, ein Bau im Stil norwegischer Stabholzkirchen, existiert tatsächlich – in der brandenburgischen Kleinstadt Stahnsdorf. Normalerweise gehe es in dem 16 000-Einwohner:innen-Ort ruhig zu, sagt Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt. „Während der Produktion standen aber etwa 50 Lkw auf dem Friedhof. Doch auch wenn gedreht wurde, musste jeder Grabbesucher noch durchkommen dürfen, und Trauerfeiern mussten stattfinden können.“ Eine weitere Bedingung für die Dreherlaubnis sei gewesen, dass die Gräber nicht besonders in Szene gesetzt werden, damit die Totenruhe gewahrt wird. Daher habe die „Dark“-Crew Grabsteine aus Pappmaschee gebaut. Ihlefeldt hat beeindruckt, wie aufwendig die Filmarbeiten waren: „Jedes Laubblatt wurde so lange hin- und hergedreht, bis der Regisseur gesagt hat: ‚Ja, genauso will ich’s haben‘. Und der Dreh mancher Sequenz, die in der Serie gerade zwei Sekunden kurz ist, hat zwei Stunden gedauert.“

AdobeStock FelipeTrentini

Reisetipp: In der Kapelle finden gelegentlich Veranstaltungen wie zum Beispiel Filmabende statt: suedwestkirchhof.de

Ganz im Osten: Görliwood
Sachsen: Kaufhaus Görlitz

„Nebelsbad“ liegt in der Lausitz: Wes Anderson fand das „Grand Budapest Hotel“ seines gleichnamigen Films in Görlitz – er drehte die Hotelszenen in einem leer stehenden Jugendstil-Warenhaus, das einst Karstadt und Hertie beherbergte. Nirgends hierzulande gibt es derart viele historische Gebäude wie in Deutschlands östlichster Stadt, direkt an der Grenze zu Polen: Fast 4000 Baudenkmäler aus Gotik, Renaissance, Barock und Gründerzeit locken Crews aus aller Welt an. Görliwood diente schon Kinoerfolgen wie „Inglorious Basterds“, „Der Vorleser“ und „Die Vermessung der Welt“ als Schauplatz.

ddpImages Norbert-Millauer

Reisetipp: Görliwood zu Fuß erkunden – Infos unter goerlitz.de/Spaziergang-durch-Goerliwood.html

Kiezgrösse
Berlin-Neukölln

Für die TNT-Serie „4 Blocks“ wurde gleich ein ganzer Stadtteil zum Drehort: In Neukölln (plus ein bisschen im angrenzenden Kreuzberg) treiben die Hamadys ihr Unwesen, ein Clan, der mit Drogen, Schutzgeld und Prostitution sein Geld verdient. Der Großteil der Dramaserie spielt im Sonnenallee-Kiez, die Straße taucht in jedem Intro auf. Ein weiterer Drehort: die High-Deck-Siedlung, wo im wirklichen Leben rund 6000 Menschen leben. Hier findet gleich in der ersten Folge eine Großrazzia statt. Das Wohnhochhaus am Kottbusser Tor, genannt Neues Kreuzberger Zentrum (Foto), diente schon in unzähligen Filmen als Kulisse. In „4 Blocks“ wohnt der Undercover-Polizist Vince hier.

Imago Joko

Reisetipp: die Sonnenallee entlangschlendern, in ein süßes Baklava beißen und das internationale Flair aufsaugen

Steile Kulisse
Thüringen: Schieferpark Lehesten

Die Verfilmung von Stieg Larssons Schweden-Thriller „Verschwörung“ dreht sich um die Hackerin Lisbeth Salander auf der Flucht. Die Handlung spielt größtenteils in Stockholm. Doch für einige Szenen in dramatischen Felswänden reiste das 200-köpfige Filmteam in den Schieferpark Lehesten, wo das „blaue Gold“ jahrhundertelang abgebaut wurde und heute noch ehemalige Funktionsgebäude Besucher:innen anlocken.

Imago Roland Marske

Reisetipp: Museum zum Schieferbergbau: schiefer-denkmal-lehesten.de

Poolparty?
Rheinland-Pfalz: Bürgerpark Unkel

Schwimmen kann man hier seit 2015 nicht mehr. Stattdessen diente das ehemalige Freibad in Unkel als Kulisse für Staffel zwei der Erfolgs­serie „How to sell drugs online – fast“ (Netflix). Im Schwimmerbecken macht Hauptfigur Moritz mit seiner Freundin Schluss. Die Serie beschreibt, wie Moritz über das Darknet ein Drogenimperium aufbaut. Grund genug für den heutigen Pächter des Geländes, den Verein „Gemeinsam für Vielfalt“ (GfV), um sein Image zu fürchten. René Rondot vom GfV jedenfalls ist so stolz auf den hier errichteten „Bürgerpark“, dass er gar nicht mehr über den Seriendrehort sprechen möchte: „Allein der Titel ist ja schon abschreckend.“ Das baufällige Schwimmerbecken jedenfalls kann man nur noch durch einen Zaun anschauen. Dafür wurde im Nichtschwimmer­becken ein Skatepark errichtet.

Detlev Cosler

Reisetipp: Neben Halfpipes gibt es im Bürgerpark unter anderem ein Beachvolleyballfeld, eine DIY-Fahrradwerkstatt und einen Gemeinschaftsgarten. gfv-unkel.de

Andrea David reist zu Drehorten, passt Fotos von Filmszenen in die Landschaft ein und stellt diese Bilder online. Das hat sie international bekannt gemacht – sogar Will Smith gehört zu ihren Fans.

Frau David, können Sie sich noch an die erste Location erinnern, die Sie besucht haben?

Das war das Filmset aus „Das Boot“ in den Bavaria Filmstudios, die ich als Kind besucht habe. Als Jugendliche ist mir die Magie der Drehorte zum ersten Mal auf einer Schottlandreise aufgefallen, als ich durch Zufall an den Locations von „Braveheart“ und „Highlander“ vorbeikam.

Was war die beeindruckendste Filmkulisse, die Sie in Deutschland bisher gesehen haben?

Der Gespensterwald im Ostseebad Nienhagen (siehe S. 47). Die vom Seewind bizarr geformten Bäume an der Steilküste ergeben eine mystische Kulisse, und die Sonnenuntergänge hier sind traumhaft.

Mit Blick auf die nächsten Monate: Auf welchen Drehort freuen Sie sich besonders?

Auf Island! Das Land gehört zu meinen liebsten Reisezielen. Und wegen seiner vielen surrealen Landschaften werden dort besonders gern Fantasy- und Science-Fiction-Filme gedreht.

Con Book

Buchtipp
Neugierig auf noch mehr Schauplätze? Andrea David berichtet nicht nur in ihrem Blog (filmtourismus.de) und auf Instagram (@filmtourismus) von ihren Erlebnissen, sondern nun auch in einem Bildband (ab 10.10.2022, Conbook 19,95 €).

Erschienen in DB MOBIL Ausgabe Oktober 2022

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