Bahn frei für Frauen

Am 11. Mai startet in München der „Female ICE“, ein Aktionszug, der für mehr Frauen bei der Deutschen Bahn wirbt – in allen Jobbereichen, die das Unternehmen zu bieten hat

Von:
Datum: 29.04.2022
Lesezeit: 5 Minuten
Frau arbeitet bei der DB
Deutsche Bahn AG/Oliver Lang

Gleisbauarbeiten im Schwarzwald, Ortsbegehung, 2021: Eine Bauüberwacherin in Ausbildung, einzige Frau in der Klasse, muss mal – und findet kein Klo. Das Pipi-Problem veranschauliche die Lage ganz gut, erzählt Katharina Mewes, 28: „Ich kann das nicht so unkompliziert hinter einem Baum erledigen wie meine Kollegen. Da muss man schon mal kreativ werden.“ Als die studierte Elektrotechnikerin sich 2021 dafür entscheidet, eine zweite Ausbildung zu beginnen, ahnt sie nicht, dass sie Pionierarbeit wird leisten müssen. Denn auch ihre signalfarbene Arbeitskleidung gibt es nicht in Frauengrößen. „An den Schultern zu weit, an der Hüfte zu eng – ein bisschen skurril.“ Mewes nimmt es gelassen, die Stimmung sei ausgezeichnet, und die Kollegen unterstützten sie dabei, die „kleinen Stolpersteine“ für zukünftige Bauüberwacherinnen aus dem Weg zu räumen. Jacken und Handschuhe für Frauen sind inzwischen beschafft worden. Über einen roten Teppich wird Mewes am 11. Mai in den „Female ICE“ steigen, einen Aktionszug, der die Mitarbeiterinnen der Bahn sichtbar machen und ihre Karriereambitionen stärken soll. Denn es geht um mehr als Toiletten und Arbeitskleidung: Inzwischen ist der Anteil der weiblichen Führungskräfte im DB-Konzern zwar auf 25,4 Prozent geklettert, doch insgesamt steigt der Frauenanteil nur langsam und liegt aktuell bei 23,4 Prozent. Aufseiten der Mitarbeiterinnen erwächst daraus ein verstärktes Bedürfnis nach Vernetzung. Zu diesem Zweck wird Mewes in einem Sonderwagen reisen, der an diesem Tag allein Frauen vorbehalten ist. Auf der Fahrt von München nach Berlin hat sie Gelegenheit, sich mit 49 weiteren Botschafterinnen aus allen Unternehmensbereichen auszutauschen. 

Aber auch über den ausgewählten Zirkel hinaus soll die Aktion Signalwirkung haben: Der Zug wird mit einem „Female ICE“-Logo bedruckt und bis zum Berliner Hauptbahnhof fahren. „Schaut her, wir sind hier, mitten in der Männerdomäne, und wir bilden ein starkes Netzwerk“, sagt Katja Kühne, Ideengeberin der Aktion.

Gemeint ist das DB-Frauennetzwerk, das sich 2019 mit dem Konzernvorstand auf ein Ziel verständigte: Bis 2024 sollen 30 Prozent Frauen auf allen Führungsebenen vertreten sein. „Ich bin, wie viele in meiner Generation, enttäuscht darüber, wo wir heute gesellschaftlich stehen“, sagt Stefanie Berk, Vorständin Marketing DB Fernverkehr und Schirmfrau des Female ICE. „Hätten Sie mich in den Neunzigern gefragt, wann wir die volle Gleichberechtigung erreichen, dann hätte ich geantwortet: Anfang der Zweitausender. Aber wir sind da nicht weitergekommen.“ Der Female ICE soll ein Zeichen für Chancengleichheit und Talentförderung setzen. Die Initiative allerdings kam aus dem Frauennetzwerk. Drei Jahre ist es her, dass Katja Kühne, Compliance-Managerin aus Berlin, dort zur Planung eines solchen Sonderzuges aufrief. Nancy Klück, Datenmanagerin aus Frankfurt am Main, meldete sich sofort. Um ihren ICE auf die Schiene zu bringen, haben die beiden inzwischen ein Team aus 30 Mitarbeitenden versammelt – unter ihnen auch Männer. Es fällt auf, dass alle gemeinsam die Female-Symbolik durchziehen: Im ICE, entlang der Strecke, in Stellwerken und Bahnhöfen werden am 11. Mai fast ausschließlich Frauen arbeiten. Doch um wirkungsvoll als das progressive Unternehmen in Erscheinung zu treten, als das die DB sich versteht, braucht es vor allem: noch mehr Frauen. Und genau die soll die Aktion ansprechen. „Wir wollen die Vielfalt an Jobs zeigen, die es hier gibt“, sagt Initiatorin Klück. Vorständin Berk bekräftigt, wie viel hier geboten wird: „Die DB ermöglicht als Arbeitgeber die optimale Kombination von Familie und Beruf. Selbst als Führungskraft kann man in Teilzeit arbeiten.“ Berk bezeichnet sich mittlerweile sogar als Feministin. Auch das hätte sie in den Neunzigern nicht gedacht. „Der Begriff war damals eher negativ besetzt, das hat sich komplett geändert.“ Nancy Klück und Katja Kühne hingegen winken ab. Sie werden am 11. Mai stolz aus dem Fenster ihres Sonderzuges mit dem Aufdruck „Female ICE“ schauen. Mehr Etikett ist nicht nötig.

Infos: bewegendefrauenamzug.de

Wo die DB Strecken reaktiviert: deutschebahn.com,
Suchwort „Reaktivierung“

Schreiben Sie uns!

Der Artikel hat Ihnen gefallen, Sie haben eine Frage an die Autorin/den Autor, Kritik oder eine Idee, worüber wir einmal berichten sollten? Wir freuen uns über Ihre Nachricht.